Kleve. Im Tiergarten Kleve wird an vielen Stellen umgebaut. Aktuell läuft das Training für neue Showfütterungen. 2021 kamen 97.000 Besucher.

Helga hat keine Flügel mehr. Fliegen konnte sie als Laufvogel Strauß sowieso nie, aber ihr fehlen nun auch die Arme zum aufgeplusterten Herumwedeln, wie es Kollegin Hannelore gerade vormacht. Der Klever Tiergartenleiter Martin Polotzek, der gleichzeitig Tierarzt ist, hat ihr zusammen mit den Kollegen in der Tierklinik Kamps in einer dreieinhalbstündigen Operation beide Flügel amputiert.

Gelege im Gehege

Tiergartenleiter und Tierarzt Martin Polotzek hat Strauß Helga (links) die Flügel amputiert, Hannelore wedelt aufgeplustert.
Tiergartenleiter und Tierarzt Martin Polotzek hat Strauß Helga (links) die Flügel amputiert, Hannelore wedelt aufgeplustert. © Astrid Hoyer-Holderberg

Helga kam mit gebrochenen Gliedmaßen nach dem Transport aus einem anderen Zoo hier an. Die bange Frage war: Kann sie nach der OP das Gleichgewicht gut halten? Schließlich dienen die Flügel zum Steuern beim schnellen Lauf. Aber Gehege im Tiergarten ist nicht Savanne in Afrika. Helga kommt prima klar, ist Polotzek zurecht stolz. Besucher bemerken die schlanke Gestalt des Vogels erst auf den zweiten Blick. Augenfälliger ist das Gelege im Gehege mit heute sieben 1400-Gramm-Eiern im Sandhaufen. „Sind die echt?“, fragen Besucher. Sind sie. Die Strauße sammeln nur noch ein paar mehr, bevor sie anfangen zu brüten – hoffentlich.

Zuchterfolge, Arterhaltung, stellt sich der Tiergarten als Hauptaufgabe. „In Nordrhein-Westfalen mit der höchsten Zoo-Dichte weltweit muss man seine Nische finden.“ Für Polotzek ist das auch, Tiere mit allen Sinnen zu erleben: riechen, anfassen. Darum wird ein zweiter Streichelzoo im Gelände gebaut.

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Neuer Imbiss und neue Toilettenanlage

Damit Tiere dem Menschen näher kommen (nicht nur beim buchbaren „Rendezvous mit dem Lieblingstier“), wird neuerdings regelmäßig trainiert. Rhön-Schafe sollen bald mit Besuchern durch den Tiergarten spazieren. Einstudiert wird eine Showfütterung der Lisztaffen und der Gürteltiere. Bei der Seehund-Fütterung steht künftig der Bildungsauftrag mehr im Fokus. „Und wir wollen Hoffnung geben und jeden animieren, dass er etwas anders machen kann als bisher“, so Polotzek. Das neue Robben-Training bringt ihm als Veterinär auch Vorteile: „Ich kann ihnen erstmals ins Maul schauen und Augenbäder ohne Narkose machen.“ Und der Panda lässt sich durchs Trainingsspiel so ganz nebenher wiegen.

Der Bildungsansatz beginnt schon auf dem Klo. Die Toilettenanlage wurde komplett saniert und hat an den Innentüren groß gedruckte Informationen über Robben, Przewalski-Pferde und Pandas. „Ein Drittel der Zeit verbringen die Besucher mit Tiere-Beobachten, aber ein Drittel auch unter sozialen Aspekten wie Sanitärbesuch oder am neuen Imbiss“ (dessen „Schnitzel spezial“ Martin Polotzeks Lieblingsessen ist). Im dritten Drittel der Zeit spazieren Besucher durch die Parkanlage, „auf deren Pflege ich Wert lege“, sagt der Tiergartenchef. Gern wurde die Idee von Revierleiter Stefan Terlinden umgesetzt, im Afrikabereich aus einem Gehege heraus einen Wasserlauf am Gehweg entlang weiter zu führen.

Bildung auf dem Klo im Tiergarten Kleve: Die Sanitäranlagen wurden saniert und mit Informationen über Robbe und Przewalski-Pferd gestaltet, zeigt Tiergartenleiter Martin Polotzek.  
Bildung auf dem Klo im Tiergarten Kleve: Die Sanitäranlagen wurden saniert und mit Informationen über Robbe und Przewalski-Pferd gestaltet, zeigt Tiergartenleiter Martin Polotzek.   © Astrid Hoyer-Holderberg

Jetzt gibt es vier Revierleiter

Revierleiter – davon gibt es nun vier im Klever Tierpark. Jeder verantwortlich für einen der neuen Themenbereiche, in die der Zoo gegliedert wird. Der erste, Asien, wird im Juni vorgestellt. „Die Tierhaltung hat sich geändert und die Ansprüche der Besucher, die überall im Umfeld Freizeitangebote finden, sind gewachsen“, so Polotzek. Die ersten Änderungen wurden goutiert: 97.000 Besucher trotz Coronaauflagen in 2021. „Ab jetzt wollen wir dauerhaft sechsstellig werden“, plant er optimistisch. Für stolze 250.000 Euro, so das bisherige Angebot, soll der Spielplatz im Gelände unter dem Motto „Asien“ umgestaltet werden, mit Himalaya-Gebirge im Kleinen nahe dem Klever Sternberg. Die Finanzierung ist noch nicht ganz geklärt.

Mehr Tierpädagogik, mehr Pflege, mehr Säuberung -- das bedeutet mehr Personal. Die Zahl der Mitarbeitenden wurde verdoppelt, seit Martin Polotzek Tiergartenleiter in Kleve ist. 27 Personen teilen sich 16 Vollzeitstellen. „Gute Tierpflege braucht Personal“, so lautet sein Ansatz. Bei einer Million Euro Betriebskosten macht das Personal 60 bis 70 Prozent aus. Die Stadt hat in diesem Jahr den Zuschuss erhöht.

Das Team im Park investiert viel Eigenleistung. Für eine neue Futterküche hat es in einer Scheune das Dach isoliert, Fenster rein, neuer Boden, neues Abflusssystem. Dreimal so groß wie bisher wird das Kühlhaus und deutlich energiesparender. Frostfutter – Mäuse, Küken, Ratten, Fische – wurden bisher bei Zimmertemperatur oder unter fließendem Wasser aufgetaut. „Da gehen viele Vitamine verloren“, weiß der Tierarzt. Künftig taut’s langsam in einer vorgelagerten Kühlzelle. „Das braucht eben Platz.“

Der neue Imbiss im Tiergarten Kleve.
Der neue Imbiss im Tiergarten Kleve. © Astrid Hoyer-Holderberg

Mehr Sitzplätze für Besucher

Richtig viel Platz haben übrigens die Hühner: den ganzen Tiergarten. Ihr früherer Stall wich einem neuen Schattenplatz für Menschen, mit Springbrunnen. Der wird gerade gebaut. Nähe zum Huhn erleben die Besucher nun an jeder Ecke. Nur am Tag der Hundebesitzer, dem Montag, da versteckt sich das Federvieh meist irgendwo im Gebüsch. Der Hundetag (seit einem dreiviertel Jahr) wird sehr gut angenommen. „Wir sind ein Familienzoo und Hunde gehören für die meisten zur Familie“, weiß Polotzek.

Gerade zieht der tibetanische Mastiff Igor aus den Niederlanden sein Frauchen interessiert zum Lama-Hengst Philipp. Der kann schon mal knurren, die Füchse auch, wenn Hunde näher kommen. „Das ist eine super Beschäftigung für unsere Zoo-Tiere. Sie führen hier ein Luxusleben mit Futter, Wasser, Artgenossen. All-inclusive-Urlaub wird auf Dauer langweilig“, erklärt Martin Polotzek das Konzept.