Kleve. Michael Klein ist Bezirksschornsteinfeger in Kalkar. 2021 war der Klever sein eigener Glücksbringer: Er überlebte den Fall aus 14 Metern Höhe.
Im kleinen Häuschen (Baujahr 1900) an der Merowingerstraße in Kleve wohnen glückliche Menschen. Das warme Orange an den Wänden, der knisternde Kaminofen und der kleine, stets freundliche Hund, ein Havaneser Aaron, tun sicherlich ihren Teil hinzu. Aber das meiste Glück stammt zweifellos von den Bewohnern selbst: Familie Klein. Nomen est omen? Nein, wirklich nicht. Die Kleins sind die Größten, wenn’s ums echte Lebensglück geht.
Ein behagliches Zuhause mit einem 1000 Quadratmeter großen Garten, den an der Merowingerstraße hinter Haus 32 niemand erwartet. Mit Sauna, Jakusi und Grün mitten in der Stadt. Seit 25 Jahren sind Sabine und Michael Klein außerdem „wirklich sehr, sehr glücklich“ (das Paar einstimmig) verheiratet. Und freuen sich als ebenso glückliche Eltern über ihren mittlerweile erwachsenen Sohn, der auch mit beiden Beinen im Leben steht. Woher kommt das Gefühl von so viel Glück in einer Familie? Vom Herrn des Hauses, Michael Klein – zweifellos.
Personalisierter Glücksbringer in Zunftkleidung
Denn er ist Schornsteinfeger, also sozusagen der personalisierte Glücksbringer schlechthin. 28 Jahre war er angestellter Schornsteinfeger im Bezirk Kleve, bevor er sich zum Jahresanfang 2022 selbstständig machte. Denn seit dem ist Michael Klein Bezirksschornsteinfeger in Kalkar und somit auch für Wissel, Altkalkar, Hönnepel und Moyland zuständig. Immerhin stattliche 3500 Haushalte gehören nun zu seinem Beritt.
Können – von der Büroarbeit über die Brandschau bis zum Fegen und vieles mehr – und ein Quentchen Glück gehörten zum Ergattern des Fegebezirks dazu. Und die Begeisterung für den Beruf. Die hatte der junge Michael Klein bereits als Teenager entdeckt. „Als Jugendlicher habe ich einen Handwerkskollegen von mir in Zunftkleidung gesehen und ich wusste sofort: Das will ich auch können, das ist mein Traumberuf.“ Bis heute übrigens. Es ist für ihn ein schönes Gefühl als Symbol des Glücks zu gelten. Jeden Tag mit neuen Menschen und Anlagen konfrontiert zu werden und ein sehr enges Vertrauensverhältnis zu seinen Kunden zu haben.
Klever seines alten Bezirks sind traurig, dass sie ihren Glücksbringer verloren haben
Klein: „Ich komme ja in jeden der Haushalte herein. Auch in ganz unterschiedliche Lebenssituationen. Mal zur Geburt eines Kindes, mal wenn jemand stirbt... All das kam schon vor.“ Und immer hat Michael Klein fröhliche oder tröstende Worte im Gepäck und kräftige Hände, die anpacken, wo Hilfe gebraucht wird.
Nicht wenige Klever seines alten Bezirks sind traurig, dass sie ihren Glücksbringer verloren haben. Ihm, dem sie Hausschlüssel und Lebensgeschichten anvertraut haben. Aber so richtig viel Glück hat der gebürtige Klever sich selbst im Mai 2021 gebracht. Muss so gewesen sein, denn da hat er einen freien Fall ungebremst aus 14 Metern Höhe auf den nackten Boden überlebt. „Einen Fall, den ich eigentlich nicht hätte überleben können, wie die Ärzte sagten“, betont Klein.
Selbstständiger Baumkletterer ist das zweite Standbein
Das war allerdings nicht als Schornsteinfeger, sondern in der Ausübung seines zweiten Berufs als selbstständiger Baumkletterer und Baumfäller. „Da kamen auf einem 60-Tonnen-Autokran unglückliche Umstände zusammen“, erinnert er sich nur zu gut. Umstände, die seine zwei Sicherungsketten unbemerkt lösten und er aus 14 Metern Höhe mit circa 120 Stundenkilometern ungebremst gegen den blanken Boden raste und extrem hart aufschlug. „Ich lag da unten und dachte nur: Schneidet mir bloß nicht mein teures, gutes Klettergeschirr kaputt.“ Aber genau das tat die Feuerwehr, um ihn zu retten.
Der Notarzt rechnete nicht mit dem Überleben des Gestürzten – eigentlich keiner. Aber Michael Klein kam entgegen aller Erwartungen mit einem Oberschenkelhalsbruch, Rippenbrüchen, Prellungen und einer kleinen Milzblutung davon. Nach zwei Tagen lief er bereits auf Krücken durchs Klever Krankenhaus und war Gesprächsthema Nr. 1.„Die Versorgung dort und der Rehasport bei Salvea waren wirklich richtig gut“, ist Klein den helfenden Teams auch heute noch dankbar.
Von Höhenangst nach anfänglicher Furcht keine Spur. Der wieder sehr sportliche und ausgesprochen kräftige Michael Klein stieg übrigens bereits im Spätherbst 2021 wieder auf die 40 Meter hohen Lichtmasten am Bresserberg und tauschte dort alle 48 Birnen für den FC Kleve aus. Schwindel ist da fehl am Platz. Furcht auch. Aber Respekt muss sein. Lediglich Ehefrau Sabine leidet heute noch unter dem Unfalltrauma im vergangenen Jahr. Zu groß waren die Sorgen um ihr gemeinsames Lebensglück... aber alles ist gut gegangen.
„Ich bin da ganz Sternzeichen Stier“
Michael Klein ist ganz der Alte. Er hilft, wo seine Hilfe benötigt wird. „Allerdings bin ich da ganz Sternzeichen Stier. Wer mich nachts anruft und fragt: ‘Kannst du mir helfen?’, dem helfe ich. Wer mir aber tags sagt: ‘Du musst das jetzt tun’, dem drehe ich den Rücken zu.“ Das kann seine Frau nur bestätigen, die es aber sehr zu schätzen weiß, dass ihr Mann so hilfsbereit und engagiert ist.
Auch wenn sie manchmal verflucht, dass er nur zu gerne jede Herausforderung annimmt, verrät sie der NRZ: „Er ist einfach ein Traumpartner.“ Einer, dem sie zum 50. Geburtstag sogar einen 7000 Quadratmeter großen Wald in Nütterden schenkte. Denn nicht nur Schornsteinfegeraufgaben und Bäume-Abhauen sind Michael Kleins Passion – auch die Natur schätzen und Bäume pflanzen. Viele Bäume pflanzen. Soweit Zeit dafür bleibt.
Denn Zeit ist nun ein rares Gut, seit im Januar die Selbstständigkeit als Bezirksschornsteinfeger begann. Klein ist sicher, dass er den richtigen Schritt gemacht hat. „Meiner Frau verdanke ich dabei alles. Denn ohne sie wäre ich nie hier, wo ich jetzt bin.“ Dabei strahlen seine Augen.
Schornsteinfeger hin, Glücksbringer her – was braucht’s mehr, um glücklich zu sein?