Goch. Um das Interesse an kommunalpolitischen Entscheidungsprozessen zu erhöhen, denkt man in Goch über ein Live-Streaming von Ratssitzungen nach.

Das Interesse, Kommunalpolitik vor Ort zu erleben, ist auch in Goch nicht besonders ausgeprägt. Wenn kein brisantes Thema auf der Tagesordnung steht, verlieren sich oft nur eine Handvoll Menschen bei den Sitzungen des Stadtrates und seiner Ausschüsse auf den Zuschauerplätzen im Ratssaal oder – wie derzeit coronabedingt – im Kastell.

Eine demokratische Gesellschaft benötigt jedoch Teilhabe. Deshalb denken laut Städte- und Gemeindebund NRW immer mehr Kommunen über die Einführung eines Live-Streaming-Angebotes der politischen Sitzungen nach. Auch der Gocher Rat hat bei den Haushaltsberatungen für das Jahr 2021 auf einen FDP-Antrag hin die Verwaltung beauftragt, eine solche Übertragung im Internet in Bezug auf rechtliche, finanzielle und öffentlichkeitswirksame Auswirkungen zu prüfen. Stadtsprecher Torsten Matenaers stellte nun die Ergebnisse des Projektes „Rat digital“ vor, die zeigten: Live-Streaming bringt einige Vorteile mit sich, doch manche Hürde müsste genommen werden.

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Einverständnis ist nötig

Der in der Gemeindeordnung NRW festgelegte Grundsatz der Öffentlichkeit ist grundsätzlich übertragbar. Allerdings werden bei einem Livestream und vor allem bei einer Aufzeichnung – beides ist möglich – personenbezogene Daten der Anwesenden verarbeitet. „Deshalb müssten aktive Teilnehmer einer zu streamenden Sitzung zuvor ihr Einverständnis erklären“, erläuterte Matenaers. Dies könne zu Beginn einer Ratsperiode einmalig und bis auf Widerruf erfolgen. Sollte jemand dem Streaming und der Aufzeichnung widersprechen, müssten bei Wortbeiträgen dieser Person Bild und Ton ausgeblendet werden. „Für diesen Fall hätte der oder die Vorsitzende des Gremiums die Aufgabe, den Redebeitrag der betreffenden Person im Anschluss an ihre Äußerung zusammenzufassen, damit die Zuschauer des Streams dem weiteren Verlauf der Sitzung folgen können“, so Matenaers.

Ein Knackpunkt sind auch die Kosten, die bei jeder Sitzung anfallen. Zunächst müssen dafür auch zwei Fragen beantwortet werden: mobile oder fest installierte Technik, kaufen oder mieten? „Ein Erwerb ist in jedem Fall sinnvoller, da die Kosten für ein regelmäßiges Entleihen mit den damit verbundenen Auf- und Abbauarbeiten nicht wirtschaftlich darstellbar sind. Zudem macht es Sinn, ein mobiles Equipment anzuschaffen, da hierdurch die baulichen Fest-Installationskosten im Ratssaal vermieden werden und der Übertragungsort flexibel bleibt“, sagte Torsten Matenaers.

Mobillösung kostet weniger als 25.000 Euro

Eine Marktabfrage habe ergeben, dass die Anschaffung eines mobilen Streaming-Equipments in HD-Qualität mit vier automatischen Kameras, Bildmischtechnik sowie der technischen Anbindung zu Ton- und Präsentationstechnik für eine Summe unter 25.000 Euro möglich sei. Eine mobile Streamingtechnik könnte zudem auch für andere Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt werden, argumentierte der Pressesprecher.

Die Kosten für die Produktion einer Sitzung schlagen demnach mit bis zu 1000 Euro zu Buche – je nach Aufwand und Zeit. Zwei Personen würden die Technik bedienen und sich auch um eine Nachbearbeitung kümmern. Zudem müsste das gesamte System eine Grundprogrammierung für maximal 4000 Euro erhalten.

Monheim erreicht in der Spitze bis zu 1500 Menschen

Torsten Matenaers berichtete von zwei Beispielen, die auf einer Online-Konferenz des Städte- und Gemeindebundes NRW vorgestellt worden waren. Die 100.000-Einwohner-Stadt Gütersloh, die seit Pandemiebeginn Sitzungen nur live streamt, zähle in der Spitze bis zu 800 Zuschauer. Monheim – mit gut 40.000 Einwohnern eher mit Goch vergleichbar – erreiche dank einer zusätzlichen Aufzeichnung sogar bis zu 1500 Menschen.

So sieht ein Live-Streaming aus dem Monheimer Rat am Bildschirm aus.
So sieht ein Live-Streaming aus dem Monheimer Rat am Bildschirm aus. © Stadt Monheim am Rhein

„Ein Livestream von Sitzungen des Rates und seiner Ausschüsse der Stadt Goch wird sicherlich nicht von Hunderten oder gar Tausenden Zuschauer gleichzeitig betrachtet“, meinte Matenaers. „An einer punktuellen Einschaltquote sollte der Wert eines solchen Angebotes aber nicht gemessen werden.“ Die Einführung eines Livestreamings und damit der komfortablen Möglichkeit, den Sitzungen von jedem Ort und bei der Option einer Aufzeichnung auch zeitversetzt zu folgen, käme der Lebenswirklichkeit und dem Konsumverhalten der Bevölkerung entscheidend entgegen, stellte Matenaers fest.

Interfraktionelle Beratungen

Die Politik zeigte sich fraktionsübergreifend grundsätzlich offen für ein Live-Streaming-Angebot. „Es ist eine bestimmte Politikverdrossenheit spürbar. Deshalb ist es sinnvoll, auf die Menschen zuzugehen“, sagte Kathrin Krystof (Grüne). Der CDU-Fraktionsvorsitzender Andreas Sprenger stellte fest, dass die Entscheidung extrem schwierig abzuwägen sei. Nach einer kontroversen Diskussion habe man sich noch keine abschließende Meinung gebildet.

Mitte November wird die Stadtverwaltung alle Ratsmitglieder anschreiben, um ein Stimmungsbild zu erhalten. Die Fraktionen wollen zudem gemeinsam diskutieren. Eine Entscheidung soll bei den Haushaltsberatungen fallen.