Am Niederrhein. Einige teils sehr versteckte Relikte erinnern über drei Jahrzehnte nach der Stilllegung der Zugstrecke am Niederrhein zwischen Kleve und Xanten.
Vor über 30 Jahren ratterte der letzte Zug auf den Gleisen zwischen Xanten und Kleve: Ein Stück Eisenbahngeschichte des Niederrheins ging damals im Jahr 1990 zu Ende, als der Streckenabschnitt von Xanten nach Kleve stillgelegt wurde.
Von der Preußischen Staatsbahn ab 1902 erbaut, wurde die Eisenbahnverbindung zwischen Duisburg-Rheinhausen über Moers, Rheinberg, Xanten und Kalkar nach Kleve im Jahr 1904 eröffnet.
Nördlich von Moers nannte man die Strecke im Volksmund auch „Hippelandexpress“, weil sie durch ländliches Gebiet verlief, wo sich viele Menschen eine Ziege (umgangssprachlich „Hippe“) hielten. Und es gab einen zweiten inoffiziellen Namen: Im Eisenbahnerjargon heißt der Hippelandexpress auch „Krumme Strecke“. Inzwischen sind die Gleise größtenteils abgebaut worden.
Doch nicht ganz, denn an rund drei Dutzend Stellen auf dem insgesamt 27,3 Kilometer langen ehemaligen Abschnitt zwischen Xanten und Kleve finden sich noch historische Zeugnisse in Form von rostigen Gleisen, verrotteten Kilometersteinen, alten Signalen, vereinzelten Bahnzeichen und versteckten Bahnübergangshäuschen sowie sogar mehreren ehemaligen Bahnhöfen. Eine Spurensuche.
Kilometersteine und Signale
Die genau erfassten Streckenkilometer der damaligen Verbindung wurden ab Rheinhausen gezählt. Auf dem Abschnitt bis Xanten (bis Kilometer 37,5) fährt heute die Regionalbahn „Der Niederrheiner“ – die RB 31 wird von der Nordwestbahn betrieben. Doch in Höhe des Archäologischen Parks der Römerstadt wurden die Schienen durchgesägt.
Diese Relikte vom Hippelandexpress gibt s noch heute
Über das ehemalige Gleisbett führt von dort seit zehn Jahren der Alleenradweg Richtung Kalkar. Für Bahn-Romantiker wird es ab dort nach knapp drei Kilometern erstmals spannend: Versteckt hinter Büschen und Bäumen erkennt man nur mit Mühe den ehemaligen Bahnhof Wardt unweit des Franziskanerklosters Mörmter. Immerhin: An dem schwarz-weißen Gebäude hängt noch das Schild mit der typischen Bahn-Aufschrift „Wardt“.
Kurz vor der Ortschaft Marienbaum stehen dann mehrere Signale und Bahn-Verkehrszeichen direkt am Alleenradweg. Auch zahlreiche Kilometersteine sind dort unübersehbar – große an „vollen“ Kilometern, kleinere genau auf der Hälfte dazwischen.
Bahnhof Marienbaum wird saniert
Bei Streckenkilometer 43,83 lädt ein kleiner Rastplatz am ehemaligen Bahnhof Marienbaum zu einer Pause ein: „Op de Ramp“ heißt die Straße im ehemaligen Bereich des Bahnhofs, genau dort war früher eine Holzladerampe.
Ein paar Meter weiter macht der Alleenradweg eine kleine Kurve, denn hier liegen auf der ehemaligen Trasse noch etwa 20 Meter Schienen, direkt darüber erhebt sich ein Einfahrtssignal, neben den Schienen findet man weitere historische Bahn-Relikte wie einen Weichenhebel, Weichensignale und ein rot-weißes Weichengrenzzeichen. Bis kurz hinter Marienbaum wundert man sich, warum der Abschnitt als „Krumme Strecke“ bezeichnet wurde, denn der Alleenradweg führt kilometerlang schnurstracks geradeaus. Doch das ändert sich an der heutigen Grenze der Kreise Wesel und Kleve.
Der Bahnhof Appeldorn lag in Kehrum
An Streckenkilometer 46,66 liegt – nahe der heutigen Straße Bahnweg noch deutlich zu erkennen – im Kalkarer Ortsteil Kehrum ein ehemaliger Bahnhof: Dieser hieß damals „Appeldorn (Rheinland)“ und lag direkt neben den ehemaligen Milchwerken Wöhrmann.
Wenige hundert Meter weiter entdeckt man nur mit Mühe zwischen einem Bauernhof und Wiesen mittlerweile total zugewachsen auf dem Bahndamm rund 140 Meter Schienen – das längste Stück, das heute noch existiert. Kleinere Gleisstücke, meist an Wegquerungen (wie am Florenweg in Kehrum) finden sich auf den folgenden Kilometern mehrere, doch dies sind jeweils nur wenige Meter.
Am Monreberg in Kalkar liegt die ehemalige Bahnstrecke oberhalb der heutigen B 57 – zwei Stahlbrücken mit Schienen entdeckt man bei genauem Hingucken noch – doch mittlerweile sind im Gleisbett stattliche Bäume gewachsen, die schon höher als Häuser in den Himmel ragen.
Am Ortseingang von Kalkar gibt es nahe der Straße „Am Bahndamm“ alte Signale und verrostete Drähte, die an den damaligen Bahnverkehr erinnern. Zwar ist von einem Bahnhof in Kalkar nichts mehr zu sehen, aber ein paar Meter Schienen liegen noch an einer ehemaligen Laderampe nahe der Bahnhofstraße. Am nordwestlichen Ortsausgang von Kalkar querte die Bahn früher die Bundesstraße – hier steht eines von mehreren noch erhalten Bahnübergangshäuschen – es ziert in riesigen Zahlen die Kilometerangabe 52,180 und wird vermutlich von den meisten Passanten überhaupt nicht beachtet.
Als sogar in Qualburg Züge hielten
Etwa einen Kilometer weiter erreichte der Hippelandexpress das Gebiet der Gemeinde Bedburg-Hau. „Die Bürgermeisterei Till erhielt im Jahr 1904 gleich zwei Bahnhöfe – und zwar in Till und Hasselt. Gute fünf Jahre später kam noch der Haltepunkt Qualburg dazu, denn die Bürger Qualburgs wollten auch an die große weite Welt angeschlossen sein“, erklärt Josef Jörissen, Heimatforscher aus Bedburg-Hau.
„Um den Hasselter Bahnhof allerdings auf ,heimischem Territorium‘ erreichten zu können, musste die Grüne Straße um die Breite des Bahnhofgeländes in Richtung Hasselt verlegt werden.“
In den Jahren nach der Streckeneröffnung haben sich rund um den Hasselter Bahnhof mehrere Gebäude angesiedelt und sogar auch eine Gaststätte, ergänzt der Heimatforscher.
Neue Häuser am Bahnhof in Hasselt
Einiges davon erkennt man noch: Die Häuser an der Grünen Straße sind in ähnlichem historischen Stil und tragen das Baujahr 1910 als Ziffern am Giebel. Auch die Bahnhöfe in Till und Hasselt sind – nahezu baugleich zu denen in Kehrum und Marienbaum – noch heute gut zu erkennen, aber mittlerweile als Wohnhäuser in Privatbesitz.
In Qualburg lag der Haltepunkt nahe der Koppelstraße – dort liegt noch heute die alte Eisenbahnbrücke über die Wetering – allerdings völlig verrostet. Von dort vollzieht die „Krumme Strecke“ auf den letzten knapp zwei Kilometern noch eine Rechtskurve über Felder und Wiesen bis zum Streckenende nahe der Kalkarer Straße in Kleve bei Kilometer 62,77. Wenige hundert Meter vor der Einfahrt in den Klever Bahnhof steht noch das von Sträuchern umschlungene „Gerippe“ eines Vorsignals und erinnert wie ein Mahnmal an das Ende des Hippelandexpresses vor 31 Jahren.