Kleve. Martin Polotzek wechselt vom großen Zoo in Wien in den kleinen Tiergarten in Kleve. “Ich war selten so glücklich wie jetzt“.

King Louie und Martin Polotzek sind jung und neu im Tiergarten Kleve. Der erstere ist noch recht schüchtern im Gehege und soll einmal Sinnbild für Kraft und Selbstbewusstsein werden. Der andere ist jetzt bereits Chef im Areal und hat absolut keinen Grund zur Zurückhaltung. Martin Polotzek ist mit 26 Jahren der neue Leiter des Klever Tiergartens. "Ich war selten so glücklich wie jetzt", strahlt er überzeugend.

Es läuft ein Generationswechsel im Tiergarten Kleve an. Der bisher zuständige Tierarzt Dr. Klaus Plein geht im März in Rente und auch der Vorsitzende des Vereins Tiergarten e.V., Joachim Schmidt (71), will kürzer treten. "Es beginnt eine strategische Neuorientierung für die nächsten fünf bis zehn Jahre. Mit der deutlichen Verjüngung kommen auch neue Ideen", erwartet Schmidt. "Der etablierte Familienzoo wird sich weiter entwickeln".

Die Bedeutung von Tier- und Artenschutz werden den Besuchern vermittelt

Wobei Forschung, Tier- und Artenschutz weiter im Fokus bleiben, betont der bisherige Leiter Dietmar Cornelissen (55), der wieder mehr Pflege übernimmt. Erfahrung, wie man wissenschaftliche Themen interaktiv den Besuchern vermittelt, sammelte der neue junge Leiter bereits als zoopädagogischer Mitarbeiter im Wiener Tiergarten Schönbrunn.

Martin Polotzek bringt gleichzeitig sein Tierarzt-Diplom mit. Er war zuletzt klinischer Tierarzt in Mitterndorf /Niederösterreich. Was treibt ihn von 8500 Tieren in Schönbrunn quer durch Deutschland zu den 350 Tieren im Tierpark am Niederrhein? "Ich wollte schon als Kind immer Zoodirektor werden", lacht er. Beinahe hätte ihm seine Mutter zum Start hier seinen alten Pappkarton-Zoo mitgebracht, den er sich einst bastelte.

Über ein Praktikum im befreundeten Zoo Köln hatte Polotzek von der Stellensuche in Kleve erfahren. "Ich kam undercover im Juli her und es war toll. Ein kleiner Junge hat aufgeregt versucht, ein Lama zu füttern. Und als das gelang, hat er übers ganze Gesicht gestrahlt", beschreibt er. Das sei das Plus der kleinen Zoos, das Schönbrunn mit 2,2 Millionen Besuchern jährlich eben nicht leisten könne.

Für Martin Polotzeks Hobby Musicals ist Kleve zwar nicht der perfekte Standort - er spielte in Trier im Musical "Hair" mit und nahm in Wien Gesangsunterricht -, aber die musikalischen Niederlande sind nah. Und dem Tiergartenleiter kommt es auf das Glück an, "wenn man im Beruf seine Berufung leben kann".

Per Handy-Video eine Wohnung in Kleve gesucht

Das Übersiedeln von Österreich nach Deutschland war im Corona-Lockdown gar nicht so einfach. Seine Eltern aus Trier übernahmen in Kleve Wohnungsbesichtigungen und ließen ihn per Handy-Video teilhaben. Zu Einreise und Umzug im Dezember brauchte der Tiergartenchef dann nur einen negativen Covid-19-Test.

Seine All-time-Lieblingstiere sind Flusspferde. In Kleve haben es ihm vor allem die zehn Zwergotter angetan, aus deren Zucht er gleich ein Weibchen zur Paarung nach Norddeutschland versprochen hat. Im Gegenzug holt er aus dem befreundeten Tierpark Aachen drei männliche Maras neu nach Kleve. Das sind Pampashasen, die aussehen wie hochbeinige Meerschweinchen. Für Strauße, neu im Klever Tiergarten, wird gerade ein Gehege fit gemacht. Umgängliche Zwölfjährige siedeln aus Donsbrüggen über (vom ehemaligen Schwanenburg-Kantinenwirt Rüdiger Hendricks).

Ebenfalls von privat gibt es nun einen Nachfolger für den verstorbenen, tonnenschweren Pinzgauer Bullen "Otto", riesiges Knuddel-Maskottchen vieler Tiergartenbesucher. Der halbjährige "King Louie" tauschte eine Weide im Kervenheim mit dem Gehege, in dem sich der schüchterne Kleine mit zwei ausgewachsenen Damen anfreunden soll.

Mitarbeiter im Tiergarten vergrößern die Voliere in Eigenleistung

Aus dem Zoo Hellenthal kam ein Weißkopf-Seeadler-Pärchen, das bisher übers Balzen nicht hinaus kam. In Eigenleistung vergrößern die Tiergarten-Mitarbeiter zurzeit deren Voliere auf das Doppelte, was den Besuchern verschiedene Blickwinkel bietet. Die Adler sind im Zoo geboren und die Tiergartenleitung - das sind Tierarzt Martin Polotzek und die gelernten Zootierpfleger Dietmar Cornelissen und Christine Oster - betonen, dass die Vögel in ihrem Voliere-Leben ohne Feinde, mit regelmäßigem Futter und Paarungspartner wenig Stress erleben.

Tierarzt Polotzek macht nun täglich seine Patientenrunde durch die knapp sechs Hektar Gelände. Er hat gerade Kaninchen gegen die China-Seuche, Pferde gegen Influenza geimpft. Langfristig wird Martin Polotzek auch einen Praxisraum am Betriebshof einrichten - ein Mikroskop für Kotproben ist bereits da. Und er erarbeitet einen Masterplan für die weitere Ausrichtung des Tierparks, verbunden mit EU-Fördermitteln für Schutzprogramme.

Das Tierpark-Team hofft, dass vielleicht schon ab Februar all diese Tiere und auch die gerade am Sonntag geborenen Meerschweinchen und Frischlinge bei den Wildschweinen nach dem Lockdown wieder Besucher haben dürfen.