Kleve. Die Möbelbranche hat ein gutes Jahr hinter sich. Statt zu verreisen, haben die Menschen in Haus und Garten investiert
Im März, beim ersten Lockdown, war die Angst noch groß: Wie wird es mit dem Geschäft bloß weitergehen? Doch jetzt, im Rückblick, sieht Gerd Kleinmanns vom gleichnamigen Kellener Möbelhaus die Branche durchaus als Gewinner der Corona-Pandemie. „Gleich nach der Öffnung hatten wir einen richtigen Run“, berichtet er.
Die Leute hatten Zeit und Muße, um die Verschönerung von Haus und Garten in Angriff zu nehmen. „Wenn man so lange zuhause sitzt, fällt einem auf, dass man es sich schöner machen könnte“, vermutet er.
Einrichtungsboom am Niederrhein
Die offiziellen Zahlen stützen seine Vermutung. Das ifo-Institut hat eine Umfrage zum Thema gemacht und spricht von einem wahren „Einrichtungsboom“. So konnten zum Beispiel die deutschen Polstermöbelhersteller allein bis Oktober eine Steigerung des Auftragseingangs um 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr vermelden. Hier besteht das Problem ganz woanders: Es gibt, so der Branchenverband, Engpässe bei Schaumstoff, Federkernen und Holzwerkstoffen. Carolin Hövelmann von TEAK24 in Bedburg-Hau benennt noch ein anderes Problem: „Die Frachtraten für Container sind extrem angestiegen, weil kaum freie Container zu bekommen sind.“
Auch sie berichtet von einer großen Nachfrage im Frühjahr. TEAK24 hat zahlreiche Gartenmöbel im Sortiment. „Glücklicherweise hatten wir schon vorab viel bestellt, insofern waren wir gut vorbereitet.“ Ausverkauft sind jetzt die Strandkörbe, die es ab Februar aber wieder geben soll. Wie sehr sich die Menschen in den letzten Monaten um die Verschönerung ihres Heims gekümmert haben, bestätigt Susanne Rexing.
Der Schreibtisch fürs Home-Office
In ihrem Einrichtungshaus in Kleve habe sie querbeet alles verkauft, was das eigene Haus schöner mache. „Da gab es zu Beispiel Fragen, wie man einen kleinen Schreibtisch für das Home-Office ins Wohnzimmer integrieren kann“, erzählt sie. Nächster Punkt, der sich daraus ergibt: „Man braucht vernünftiges Licht, und da gibt es inzwischen ja viele tolle neue Möglichkeiten.“
Und woher kommt das Geld für Neuanschaffungen im Wohnbereich? Gerd Kleinmanns hat von mehreren Kunden gehört, dass sie kein Geld fürs Reisen ausgegeben hätten und das so Gesparte dann für Möbel ausgeben. „Einer sagte, seine Norwegen-Schiffstour stecke jetzt in der neuen Küche.“ Die Möbelbranche stehe letztlich in direktem Wettbewerb mit der Reise- und der Autobranche. Kleinmanns: „So gesehen sind wir in diesem Jahr die Gewinner.“
Die Auslieferung erfolgt auch im Lockdown
Momentan haben alle Möbelgeschäfte geschlossen. Das Ausliefern geht aber weiter, man kann auch telefonisch oder per Mail bestellen. „In dem Bereich haben wir ja jetzt reichlich Erfahrungen gesammelt“, sagt Suanne Rexing. Für Carolin Hövelmann von TEAK24 war es ein echter Glücksfall, dass sie schon im Vorjahr ein Relaunch ihres Online-Shops geplant hatte, der dann pünktlich zur Corona-Krise auch umgesetzt wurde. Retouren bei Online-Bestellung über den Shop gebe es kaum, sagt sie. „Aber bei Möbeln gilt anders als in zum Beispiel bei Elektroartikeln, dass die Leute die Möbel sehen und anfassen wollen, bevor sie sie kaufen.“
Für das nächste Jahr kann sie sich vorstellen, dass der Trend erst einmal anhält. „Unsere Saison beginnt am 1. März, und da sehen wir noch ähnliche Tendenzen wie in diesem Jahr.“ Zudem wechseln gerade in manchen Bereichen die geschmacklichen Vorlieben, hat Gerd Kleinmanns beobachtet. „Letztes Jahr waren die allermeisten Küchen, die wir verkauft haben, hell, aber jetzt werden vermehrt schwarze Küchen angefragt. Das hätte ich nicht erwartet.“
Der Deutsche sitzt jetzt sehr lange im Sessel
Und noch etwas stimmt ihn zuversichtlich, dass der Trend zu neuen Möbeln weitergeht: „Der Deutsche sitzt im Schnitt drei Stunden pro Tag im Sessel, jetzt sind es Corona-bedingt noch mehr. Das sind über 8700 Stunden in acht Jahren. Umgerechnet auf Autokilometer wären das über 400.000 Kilometer – und wer fährt sein Auto so lange?“ Mit anderen Worten: Spätestens nach acht Jahren ist es Zeit für neue Sitzgelegenheiten. Corona hin, Corona her.
Martina Fingerhut führt in Emmerich das gleichnamige Traditionsunternehmen. Auch sie stellte im vergangenen Jahr eine höhere Nachfrage nach Schlafzimmermöbeln und Betten fest. Die Emmericher würden auch verstärkt wieder in ihrer Stadt einkaufen: "Hier unterstützt man sich schon", sagt sie. Schwierig sei natürlich der aktuelle Lockdown. Via Telefon und sozialer Medien sei sie aber nach wie vor für ihre Kunden erreichbar.