Kleve/Emmerich. Jeden Morgen sitzt Rita Fergen auf dem Sattel und düst mit dem E-Bike von Emmerich nach Kleve zur Arbeit. Das machen noch nicht viele.
Rita Fergen fährt immer „voll Stoff“. Wenn sie auf ihrem Fahrrad sitzt, dann tritt die 47-Jährige aus Emmerich kräftig in die Pedale: Mit 25 km/h ist sie einmal morgens und einmal nachmittags entlang der B220 unterwegs - immer zwischen Emmerich-Leegmeer und ihrer Arbeitsstelle an der Hoffmannallee in Kleve. Mittlerweile liebt Rita Fergen diese Strecke: „Da kann man richtig nachdenken und abschalten“, sagt sie.
Fahrradfahren hat Suchtpotenzial
Auf dem langen Weg zwischen Rheinbrücke und Kellen sieht man das ganze Jahr über immer nur vereinzelt Menschen auf dem Fahrrad. Fast alle sitzen im Auto, um zur Arbeit zu kommen oder zur Schule gebracht zu werden. Frühmorgens um 8 Uhr hat Rita Fergen den Radweg fast für sich allein: „Na ja, mittlerweile kennt man schon das ein oder andere Gesicht. Aber es sind nicht viele, die die 15 Kilometer fahren“, lacht sie.
Seit gut anderthalb Jahren lässt die Emmericherin das Auto gerne in der Garage stehen. Zu Beginn war dies aus der Not geboren, weil das Auto kaputt war und sie mit ihrem Mann Thomas nicht schon wieder ein zweites anschaffen wollte. Mit ein bisschen glücklicher Fügung konnte Rita Fergen ein E-Bike übernehmen und das war für sie der ausschlaggebende Punkt: „Früher musste ich mich überwinden mit dem Fahrrad nach Kleve zu fahren, jetzt muss ich mich eher überwinden das Auto zu nehmen. Fahrradfahren hat irgendwie Suchtpotenzial.“
Abschalten und nachdenken
Auf dem Sattel könne man eine Menge mehr sehen und hören als hinter dem Steuer. Man habe seine Ruhe, es dudele kein Radio, die Vögel sängen sehr schön und man werde oft mit atemberaubenden Ausblicken beglückt: „Die Kornblumen vor dem Euregiohaus sind wirklich bezaubernd“, schwärmt sie. Die Zeit auf dem Fahrrad nutzt sie zum Abschalten oder zum Nachdenken: „Wenn ich morgens ins Büro komme, dann sprudeln aus mir schon 20 Ideen was ich alles machen möchte“, lacht sie. Die Kollegen könne sie schon mal damit nerven. Aber die frische Luft und das sportliche Programm inspiriere zum Tatendrang.
Um von Emmerich in die Klever Oberstadt zu kommen, benötigt die Leiterin der Caritas-Schuldnerberatung knapp 40 Minuten: „Mit dem Auto geht es nicht viel schneller“, sagt sie. Bergauf dauere es etwas länger als bergab. Aber sie muss keinen Parkplatz suchen und ist im innerstädtischen Verkehr von Kleve mit dem Fahrrad viel schneller als mit dem Auto. Die Radwege seien „in Ordnung.“ 5750 Kilometer hat sie zwischen August 2019 und Dezember 2020 gefahren - eine stolze Leistung.
Der Ehemann will noch überzeugt werden
Krank sei sie so gut wie nie, das Radfahren stärkt das Immunsystem. Allerdings fahre sie auch nicht bei jedem Wind und Wetter: „Wenn es stark regnet, dann eher nicht“. Rita Fergen ist keine Öko-Heilige und bekehren will sie auch niemanden: Ihr Mann Thomas ringe noch mit sich, ob er nicht ebenfalls mehr mit dem Fahrrad fahren soll. Auch er muss täglich von Emmerich nach Kleve, allerdings ist Dienstbeginn um 6 Uhr morgens – da zwitschern noch nicht mal die Vögel.
Ohne das E-Bike hätte sie dauerhaft wohl nie die Strecke in Angriff genommen: „Ich bin früher schon mal mit dem normalen Fahrrad gefahren. Aber das ist auf Dauer doch anstrengend. Mit dem E-Bike ist das kein Problem“, sagt sie. Was sie anderen Menschen rät, um auch längere Strecken mit dem Fahrrad zu fahren? „Ich weiß nicht. Einfach aufs Fahrrad setzen und losfahren.“