Kleve. Jetzt hat es auch Kleves ältestes Wirtshaus erwischt: Bärbel und Christian Matthias schließen ihre Gaststätte “Zu den vier Winden“.

Das Kneipensterben setzt sich fort. Jetzt hat es auch Kleves ältestes Wirtshaus erwischt: Bärbel und Christian Matthias werden die Türen ihrer Gaststätte „Zu den vier Winden“ nicht mehr öffnen. Nach 25 Jahren fehlt dem Wirts-Ehepaar die Kraft zum Weitermachen und auch die Hoffnung, dass nach der Corona-Pandemie die Gäste wieder so zahlreich kommen, wie es früher einmal üblich war. Der 1. November 2020, Allerheiligen, war der letzte Tag der Traditionskneipe. Danach kam der Corona-Lockdown, die Gaststätten mussten schließen. „Zu dem Zeitpunkt war uns noch nicht klar, dass wir nie mehr öffnen werden“, sagt Bärbel Matthias rückblickend.

1934 kauften die Großeltern von Christian Matthias der Familie Welbers die Gaststätte ab

Ihr Mann Christian Matthias hatte die Kneipe im Jahr 1995 von seinen Eltern übernommen. Da lag bereits eine lange Geschichte hinter dem Haus. Seit mehr als 350 Jahren steht es an der Kreuzung Merowinger Straße / Lindenallee. Ein Hof von vielen, die damals vor den Toren der Stadt lagen. Früh war er, betrieben von Bauer Welbers, eine Anlaufstelle für die Kutscher der Fuhrwerke, die dort sich und ihren Pferden eine Verschnaufpause gönnten, dabei eine Pfeife rauchten und ein Glas Bier tranken. 1934 kauften die Großeltern von Christian Matthias der Familie Welbers die Gaststätte ab, 1962 folgte die nächste Generation. Kurz nachdem Enkel Christian Matthias die Gaststätte übernahm, richtete er sie komplett neu ein. Auf dem Dachstuhl fand er damals 350 Jahre alte Konstruktionen.

25 Jahre lang standen die 51-jährige Bärbel und der 57-jährige Christian Matthias hinter dem Tresen

25 Jahre lang standen die heute 51-jährige Bärbel und der 57-jährige Christian Matthias hinter dem Tresen. Diese Zeit hat ihre Spuren hinterlassen. „Das ständige Stehen, wenig Schlaf – das ist auf die Dauer schon belastend“, sagt Bärbel Matthias. Christian Matthias unterzog sich einer Operation. Im November 2019 stürzte er während er Reha, muss seitdem auf Krücken gehen. „Wir haben uns schon länger mit dem Gedanken getragen, die Kneipe aufzugeben.“ Doch bis zum Lockdown verdrängten sie diesen Gedanken. Letztendlich war es Tochter Anne, die ihren Eltern die Entscheidung nahe legten, die Tür der Gaststätte für immer zu schließen und somit wohl auch etwas für den Erhalt der eigenen Gesundheit zu tun.

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Und am Ende fehlte den beiden auch der Glaube daran, dass es irgendwann wieder ein Kneipenleben geben wird, wie das früher einmal in Kleve der Fall war. „Meine Schwiegermutter hat ihr Wirtshaus um 9 Uhr geöffnet. Von 14 bis 16 Uhr gab es offiziell eine Mittagspause, in der allerdings auch der Außer-Haus-Verkauf von Wein und Bier weiter lief. Anschließend ging es weiter bis in den späten Abend hinein“, sagt Bärbel Matthias. Aber auch in der Zeit, als sie und ihr Mann die Kneipe übernahmen, war dort immer viel Betrieb. „Früher gingen die Männer nach der Sonntagsmesse in die Kneipe. Zuletzt gab es in der Christus-König-Kirche um die Ecke nicht mal mehr eine Sonntagsmesse. Die Alten Herren vom VfB kamen nach dem Training immer hierhin, um noch ein Bier zu trinken. Daran ist heute kein Denken mehr“, sagt Bärbel Matthias.

Eine vorübergehende Belebung hat die Übertragung von Fußballspielen in den „vier Winden“ gebracht

Eine vorübergehende Belebung habe die Übertragung von Fußballspielen in den „vier Winden“ gebracht. „Erst Premiere, dann Arena, dann Sky – die großen Umsätze waren damit aber auch nicht zu machen“, sagt die Wirtin. Spätestens als viele internationale Fußballspiele mitten in der Woche erst um 21 Uhr begannen, sei es schwierig geworden. „Lange aufbleiben und dabei noch Bier trinken, welcher Berufstätige kann sich das denn heute noch leisten?“, fragt sie. Das meiste habe sich mit dem Rauchverbot im Jahr 2013 erledigt, sagt Bärbel Matthias. „Dadurch ist viel kaputt gemacht worden. Es gab nur noch Ärger, vor allem bei den Knobelstammtischen. Da fehlte immer einer, weil er mit der Zigarette vor die Tür musste“, erinnert sich die 51-Jährige.

Die Weihnachtsfeiern der Kaufhof-Rentner waren stets ein Erlebnis

Auch, wenn zuletzt der Spaß am Job ein wenig nachgelassen hatte, so haben sie und ihr Mann doch eine tolle Zeit in den „Vier Winden“ gehabt. „Wir hatten immer viel Spaß mit den Gästen. Die Weihnachtsfeiern der Kaufhof-Rentner waren stets ein Erlebnis. Der Schalke-Fanclub, der die Siege seiner Mannschaft hier ausgelassen gefeiert hat. Die vielen Skat-Clubs, bei denen es hoch her ging. Die ganzen Prinzengarden, die wir hier bewirten durften. Wir haben mehr gelacht als wir geschlafen haben“, sagt die Ex-Wirtin. Zwischendurch der Versuch, selbst Bier zu brauen, das „Cleefs“. „Das naturtrübe Bier kam allerdings nur bei denjenigen wirklich gut an, die davon Ahnung hatten“, sagt Bärbel Matthias mit einem Schmunzeln.

Bald wird das Schild überm Eingang abgehängt. Dann ist Kleves älteste Kneipe endgültig Geschichte

Mit all dem ist nun Schluss. „Das Virus und der Lockdown haben einen Vorteil: Wir mussten uns nicht von Angesicht zu Angesicht verabschieden von unseren Gästen. Das hätten wir nicht übers Herz gebracht“, sagt Bärbel Matthias. Sie denkt positiv, das Ehepaar habe nun viel Zeit für sich und die Familie. „Das werden wir auch genießen“, ist sich Bärbel Matthias sicher. Einen Nachfolger haben beide gar nicht erst gesucht. „Jemanden zu finden, der bereit ist, Pacht zu zahlen, ist quasi unmöglich. Und unsere Tochter Anne ist zufrieden mit ihrem Job.“ Für sie werden Kneipe und Festsaal nun zur Wohnung umgebaut. Bald wird das Schild überm Eingang abgehängt. Dann ist Kleves älteste Kneipe endgültig Geschichte.