Kreis Kleve. Die Einigung der EU-Landwirtschaftsminister stößt auch im Kreis Kleve bei Landwirten und Verbänden sowohl auf Zustimmung als auch auf Kritik.

Kaum ein Beschluss wird so unterschiedlich bewertet, wie der gerade gefasste der EU-Landwirtschaftsminister zur Reform des Subventionssystems in der gemeinsamen Agrarpolitik (kurz GAP 20). Das ist auch bei den Landwirten im Kreis Kleve so.

Während Deutschlands Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner die Einigung als großen Erfolg verbucht, kritisieren Umweltverbände und ökologische Landwirte, dass Großbetriebe weiterhin aufgrund ihrer Flächen Subventionen erhalten, die nur nach Hektar und nicht nach Leistungen bemessen sind.

Zum Hintergrund: Die Einigung der Minister in der EU umfasst in ihren zentralen Punkten die Aussage, dass Agrarsubventionen erhalten bleiben (EU-weit bis 2027 rund 390 Milliarden Euro), aber die Auszahlung von 20 Prozent der Subventionen an Bedingungen/Umweltauflagen geknüpft sein soll. „Frau Klöckner hat’s total vergeigt!“ So drückt es Bernd Verhoeven vom Biohof Rouenhof bei Kervenheim aus. Für kleinbäuerliche, umwelt- und zukunftsfähige Landwirtschaft sei da kein Raum. Vielmehr bliebe alles beim Alten. Die Subventionen sind immer noch auf die Größe der Betriebe und Flächen ausgerichtet. Von neuer ökologischen Ausrichtung könne da nicht gesprochen werden.

Sehen, wer für die Gesellschaft etwas leistet, wer Ökologie und Soziales berücksichtigt

„Es wäre so viel wichtiger zu schauen, wer Leistung für die Gesellschaft erbringt, wer ökologische und soziale Aspekte berücksichtigt.“ Stattdessen sind dem jede Menge Subventionen sicher, der einfach genug Fläche hat. „Das sind natürlich keine schlechten Menschen“, betont Verhoeven, „aber das System ist schlecht.“

Eben ein System, dass flächenreiche Betriebe besser unterstützt, als die kleineren oder die Biobauern. „Wir kriegen die kleinbäuerlichen Betriebe nicht zurück. Aber es ist unglaublich wichtig, dass die erhalten bleiben, die es noch gibt“, so Bernd Verhoeven.

Er macht es an einem einfachen Beispiel deutlich: „Wenn ich ein Bauer bin, der 100 Hektar Fläche hat, dann bearbeite ich die in einem Abwasch, dann pflüge ich da durch.“ Sprich: Da bleiben keine Ränder für ökologische Nischen. „Wenn aber vier Bauern jeweils ein Viertel des Landes besitzen, dann pflügt niemand einfach durch, es bleiben Grenzen zum Nachbarn, Ecken und Nischen.“

Der Klever Elmar Hannen ist Mitglied im Landes- und Bundesvorstand der deutschen Milchviehhalter und deutscher Vertreter im European Milk Board. 
Der Klever Elmar Hannen ist Mitglied im Landes- und Bundesvorstand der deutschen Milchviehhalter und deutscher Vertreter im European Milk Board.  © Astrid Hoyer-Holderberg

Dass Agrarsubventionen fast auflagenlos verteilt werden, statt damit gezielt Klima- und Umweltschutz zu fördern, stört auch Elmar Hannen vom Eichenhof bei Nierswalde. Er betont, dass mit der Einigung der EU-Minister alles geblieben sei, wie es war. „Es gibt 279 Euro für die Landwirte pro Hektar, die sie besitzen. Egal, was sie mit dem Land machen.“

50 Prozent des Einkommens aus Subventionen

Der konventionelle Landwirt mit extensiver Schweinehaltung und Weidemilchkühen kritisiert Ministerin Julia Klöckner scharf: „Es ist ein Riesenskandal, dass Klöckner nicht sagt, dass die GMO (Gemeinsame Marktordnung) Teil der GAP ist. Denn in der GMO hätte bestimmt werden können, wie und ob die Erzeuger am Markt beteiligt werden. Das hat Glöckner verpasst.“ Beispielsweise hätte man dort regeln können, dass diejenigen, die mehr für die Umwelt tun, am Markt auch besser aufgestellt sind.

Hannen, im Landes- und Bundesvorstand der deutschen Milchviehhalter und als deutscher Vertreter im EMB, dem European Milk Board, aktiv, hält das EU-Agrarsubventionsprogramm schlicht für krank. „Es ist so, dass fast 50 Prozent des Einkommens eines Landwirts aus Subventionen stammen. Das ist ein Unding. Der Verbraucher kriegt also billige Lebensmittel – muss aber hohe Steuern zahlen, damit wieder genug Geld für Subventionen bleibt.“

Hannen geht in seinem Denken einen mutigen Schritt weiter: „Ich würde auf Subventionen verzichten, wenn die Wertschöpfungskette anders gestaltet würde, nämlich so: Ein Drittel des Erlöses geht an den Erzeuger, ein Drittel an den Verarbeiter und ein Drittel an den Handel.“ Doch dem ist nicht so. Hannen: „Zur Zeit bekommen wir als Erzeuger nur 18 Prozent.“

Bauern würden auf Subventionen verzichten, wenn die Erzeugnisse mehr wert wären

Landwirt Michael Seegers, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Kleve, stimmt dem zu: „Wir Bauern wären alle fürs Einstampfen der Subventionen, wenn unsere Erzeugnisse wieder wirklich etwas wert wären und wir sie auch so bezahlt bekämen.“ Aber das sei eben nicht der Fall, deswegen seien Subventionen nötig.

Der Keppelner Landwirt Hans-Theo Hoffmann hat viele Sorgen im familien-geführten Betrieb mit Ackerbau und Viehhaltung. Die Lage sei aufgrund von immer stärkeren Auflagen und auch wegen der Corona-Auswirkungen mehr als schwer. Ein Beispiel: „Wir kriegen zurzeit nur 1,27 pro Kilo Schwein. Wenn ein Tier über 100 Kilo wiegt, was wegen der Lage am Markt vorkommt, zahlen wir Erzeuger Strafe und kriegen nur 1,10 Euro.“ Da ist Hoffmann schon froh, dass es die Subventionen weiterhin gibt.

Das wichtigste ist, dass die Ausgleichsleistungen bestehen bleiben

Auch der ehemalige Vorsitzende der Kreisbauernschaft Kleve, Landwirt Josef Peters, ist nicht ganz unglücklich über die Einigung der EU-Landwirtschaftsminister in Sachen Subventionen: „Viele haben vergessen, warum die Reform überhaupt nötig ist. Die EU hat in der Landwirtschaft besondere Standards, die sehr viel höhere Kosten beinhalten, als in vielen Nicht-EU-Staaten. Unser Berufsstand hat da berechtigte Forderungen aufgestellt und die EU-Politik hat sie zum großen Teil übernommen. Das Wichtigste ist, dass die Ausgleichsleistungen bestehen bleiben.“ Natürlich gebe es immer etwas zu meckern. So sei es nicht zufriedenstellend, dass es natürlich auch einige ganz wohlhabende Großgrundbesitzer gebe, die sehr viele Subventionen abschöpfen können. „Aber“, gibt Peters zu bedenken, „den meisten Betrieben und bäuerlichen Familien helfen diese Subventionen wirklich.“