Kreis Kleve. Unter anderem nach schweren Unfällen leistet die Feuerwehr bei den Betroffenen psychosoziale Hilfe. Jetzt freut sich das Team über eine Spende.
Es waren dramatische Bilder, die auf Polizisten und Feuerwehrleute am Montag der vergangenen Woche einprasselten. Bei einem Verkehrsunfall in Emmerich war eine 32-Jährige mit ihren drei Kindern im Fahrzeug in den Gegenverkehr geraten und frontal mit einem Krankenwagen kollidiert. Ein sechs Monate altes Kind starb noch an der Unfallstelle. Die Uniformierten kümmerten sich vor Ort um die Bergung der Opfer, deren Erstversorgung und die Angehörigen der Verunfallten. Auch das PSU-Team war auf der Reeser Straße in Praest mit dabei. „Manchmal lassen uns Bilder, Geräusche und Gerüche von Einsätzen nicht los“, sagt Jürgen Buil. Er führt seit zwei Jahren das erste PSU-Team im Kreis Kleve an. Mit vier weiteren Ehrenamtlern zeichnet der Feuerwehrmann seitdem für die psychosoziale Unterstützung von Einsatzkräften nach Einsätzen verantwortlich.
Ausgangspunkt für die Gründung der Gruppe war der Brand eines Einfamilienhauses in der Schüttestraße in Kleve-Materborn. Die Ursache für das Feuer war ein vergessener Adventskranz. Zwei Kinder im Alter von drei und acht Jahren kamen damals, im Jahr 2014, ums Leben. 55 Feuerwehrleute waren die ganze Nacht über im Einsatz. „Dabei können Eindrücke entstehen, die Einsatzkräfte noch jahrelang begleiten. Wir wollen dem entgegenwirken, indem wir vermitteln, dass niemand alleine ist mit seiner Gefühlswelt“, sagt PSU-Mitarbeiterin Yvonne Pohle.
Meist äußere sich eine Belastungsstörung so, dass die Betroffenen anfangs kaum über das Erlebte sprechen. Später dann käme es nicht selten dazu, dass Erinnerungen und Bilder immer wiederkehren – etwa im Schlaf. Besonders emotional seien Einsätze, bei denen Kinder und Jugendliche zu Schaden kommen.
Gespräche direkt nach den Einsätzen
„Wir wollen direkt nach Einsätzen ins Gespräch mit den Menschen kommen und ihnen sagen, dass das, was in ihren Köpfen vorgeht, völlig normal ist. Kurz nach dem Einsatz ist ihr Verhalten sehr unterschiedlich: von totaler Ruhe bis Hyperaktivität“, sagt Jürgen Buil. Um Verhaltensänderungen, Selbstvorwürfe oder innere Unruhe zu vermeiden, sei der Dialog unumgänglich. Sonst seien bei Einsatzkräften auch psychosomatische Reaktionen oder gar posttraumatische Belastungsstörungen möglich, darunter etwa chronische Schlafstörungen, Übelkeit oder andauerndes Körperzittern.
„Manchmal wollen die Betroffenen auch erst nach Tagen, Wochen oder Monaten über ihre Probleme sprechen. Wann immer sie uns brauchen, kommen wir und bieten kameradschaftliche Hilfe“, sagt Pohle. Besonders ältere Einsatzkräfte seien gefährdet, so Buil. „Durch die hohe Zahl an Einsätzen kann sich der Akku immer weiter leeren und zu Dünnhäutigkeit führen. Man kann an einen Punkt anlangen, an dem das Maß einfach voll ist“, sagt der 55-jährige Ehrenamtler.
Team unterliegt der Schweigepflicht
Das Klever PSU-Team unterliege der Schweigepflicht – und ist speziell für die Arbeit mit Uniformierten ausgebildet worden. So wurden Pohle und Buil über ein halbes Jahr lang im Feuerwehrausbildungszentrum in Münster geschult. „Der Kreis Kleve war in Nordrhein-Westfalen eigentlich der letzte weiße Fleck. An diesem Zustand musste sich jetzt unbedingt etwas ändern. In allen anderen Kreisen sind PSU-Teams eigentlich Standard“, sagt die Emmericherin Pohle. In den vergangenen Jahren sei es durchaus mal dazu gekommen, dass man PSU-Gruppen aus dem Kreis Wesel angefragt hätte.
Die Freiwilligen legen Wert darauf, selbst keine Psychologen zu sein. Zu solchen aber könne man vermitteln. „Allerdings kann es den Einsatzkräften guttun, erst einmal mit Menschen zu sprechen, die einen ähnlichen Hintergrund haben und aus eigener Erfahrung wissen, wie belastend Einsätze sein können“, sagt Feuerwehrmann Buil.
Alarmierung durch die Leitstelle
Alarmiert wird das Klever Team vom Einsatzleiter über die Leitstelle des Kreises. So kommen Buil, Pohle und Kollegen seit 2018 allerorts zwischen Emmerich und Straelen zum Einsatz – und stehen der Feuerwehr, der Polizei, der DLRG, dem THW oder den Maltesern zur Seite. Daher hätten die Ehrenamtler mittlerweile ein gutes Gespür dafür entwickelt, wann ihre Hilfe am dringendsten ist. Einsatzkräfte mit blassem Gesicht, hochrotem Kopf oder hektischem Handeln würden meist vor allem eines benötigen: ein offenes Ohr.
Die Kleiderbörse Maria Magdalena aus Goch rüstete das PSU-Team „Unterer Niederrhein“ nun mit Schreibmappen und Rucksäcken aus. In den gespendeten Rucksäcken befinden sich unter anderem Zigaretten, Süßigkeiten, Anti-Stress-Bälle oder Teddybären für die Erstversorgung. Das Klever PSU-Team sucht weitere Ehrenamtler, die anderen Einsatzkräften mit psychologischem Rat zur Seite stehen. Informationen gibt es im Internet unter www.feuerwehr-kleve.de/psu