Millingen/Ooij. Gastronomen aus dem Grenzgebiet können die getroffenen Corona-Maßnahmen nur zum Teil nachvollziehen. Sie haben Angst um ihre Existenz.

Schon wieder die Restaurants zuerst: Hent Scholten und Margret Hertsenberg finden die neuen Corona-Regeln in den Niederlanden ziemlich unfair: „Es ist nicht so, dass wir nicht für strenge Maßnahmen sind. Die sind jetzt wirklich notwendig. Aber wir müssen dies als Gesellschaft gemeinsam stemmen. Ich vermisse gerade ein wenig das Gemeinsame“, sagt Margret Hertsenberg, die mit ihrem Mann Hent Scholten das beliebte Ausflugslokal „Oortjeshekken“ in Ooij betreibt.

Corona-Infektionen stark gestiegen

Durch die in knapp zwei Wochen drastisch gestiegenen Corona-Infektionen (aktuell 7393 Personen pro Tag) kündigte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte drastische Maßnahmen an, die seit Mittwoch gelten. Unter anderem müssen die Restaurants und Kneipen im gesamten Land für vier Wochen schließen. Nach diesen vier Wochen wird geschaut, ob weitere Maßnahmen notwendig sind.

Klare Hygieneregeln bei Oortjeshekken in Ooij. 
Klare Hygieneregeln bei Oortjeshekken in Ooij.  © NRZ | Andreas Gebbink

Ferner soll eine Maskenpflicht eingeführt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen worden sind und auch für Supermärkte gelten seit Mittwoch schärfere Regeln. Das Supermarkt-Personal muss darauf achten, dass nicht zu viele Menschen gleichzeitig einkaufen. Sollte dies nicht funktionieren, können Supermärkte auch direkt geschlossen werden.

Nur vier Personen dürfen sich draußen treffen

Stark begrenzt wurden auch die zulässigen Gruppengrößen. So dürfen im Haus nur drei Gäste empfangen werden und draußen darf die Gruppengröße nicht vier Personen übersteigen.

Die neuen Regelungen treffen die Gastro-Branche hart. Hent Scholten und Margret Hertsenberg hatten sich nach dem ersten Schock im Frühjahr – von März bis Mitte Mai mussten sie schließen – halbwegs erholt und freuten sich über einen sehr guten Sommer. Doch jetzt rechnen sie wieder mit weiteren Einbußen: „Ich habe meine Probleme damit, dass wieder die Gastro-Branche am härtesten rangenommen wird. Wir haben wirklich unser Bestes getan: Die Gäste sitzen auf Abstand, sie tragen Mundschutz und es gibt ausreichende Desinfektionsmöglichkeiten. Gehen Sie mal am Wochenende in die Nimweger Innenstadt – da drängt es sich Schulter an Schulter.“

Hertsenberg gewinnt den Eindruck, dass die Entscheidungen politisch motiviert sind: „Der Amateurfußball wird verboten, der Profifußball darf fortgeführt werden. Hey, das ist doch Politik pur.“

Als Hotel kann Oortjeshekken offen bleiben, Restaurantgäste dürfen aber nicht angenommen werden. „Wir werden wieder unsere To-Go-Produkte anbieten: Kaffee und Kuchen zum Mitnehmen, Picknick-Taschen für Wanderer“, sagt Hent Scholten.

Ungerechtfertigte Maßnahmen?

Wie lange hält die Gastrobranche durch? Adri Hendriksen vom Hotel Millings Centrum registriert jetzt viele Stornierungen.
Wie lange hält die Gastrobranche durch? Adri Hendriksen vom Hotel Millings Centrum registriert jetzt viele Stornierungen. © NRZ | Andreas Gebbink

Bei Adri Hendriksen aus Millingen aan de Rijn boomt gerade das Geschäft: „Ich bin quasi ausgebucht“, sagt der Hotelier von Millinigs Centrum. Im Sommer kamen sehr viele Gäste, um Urlaub im eigenen Land zu machen. Das habe enorm geholfen, berichtet er. Er findet die strengend Beschränkungen für die Gastronomie auch nicht in Ordnung: „Nur 2,7 Prozent der Corona-Infektionen wurden bislang in einem Gastronomiebetrieb registriert. Bei uns steckt man sich nicht so schnell an, weil wir die Regeln einhalten“, sagt er. Die eigentlichen Probleme gebe es bei Privatfeiern und in den Einkaufscentern.

Theo und Yvonne Kampschreuer aus Groessen halten die neuen Regeln für längst überfällig. Das Ehepaar ist besorgt über die Situation. „Wir haben drei Töchter, die im ganzen Land verteilt leben. Da sind Familienzusammenkünfte zurzeit nicht möglich. Ich denke, dass wir dringend eine Maskenpflicht einführen müssen“, sagt Yvonne Kampschreuer. „Unser Ministerpräsident betont zwar immer, dass wir alle vernünftige Menschen sind, die eigenverantwortlich handeln können. Aber nein, wir sind nicht alle vernünftig.“