Kleve. Im Kolpinghaus diskutierten die sechs Klever Bürgermeisterkandidaten miteinander. An der Verwaltung gab es viel Kritik.

Sonja Northing war sauer. „Glauben Sie nicht alles, was Sie hier hören“, sagte die amtierende Bürgermeisterin den etwa hundert Leuten, die im Klever Kolpinghaus ihr und ihren fünf Konkurrenten bei der Bürgermeisterwahl bei der Argumentation zusahen. „Der Rat hat seine Arbeit gut gemacht“, war die Meinung von Wolfgang Gebing (CDU), „aber in der Verwaltung wird nichts umgesetzt“. Von den drei Millionen Euro für die Digitalisierung der Schulen etwa seien bislang nur etwa zehn Prozent ausgegeben. Dem schloss sich Daniel Rütter (FDP) an: „Aus unserer Sicht fehlt das Tempo, da wurde auch viel verstolpert.“ So hätten die Schulen keinen Glasfaseranschluss, und es gelinge auch nicht, die Schulgebäude in angemessener Zeit fertigzustellen. „Wenn man sieht, wie in den Niederlanden Schulen ausgestattet sind, dann sind wir hier nicht gut aufgestellt.“

Für den Bürgermeisterkandidaten Rolf Janßen, den die Grünen unterstützen, liegt das Problem ebenfalls nicht beim Rat. „Es gibt viele glasklare Konzepte, die auch beschlossen wurden, aber die stammen fast ausnahmslos noch aus der Legislaturperiode von vor fünf Jahren.“ Zwar habe der Rat die Beschlüsse an zeitliche Vorgaben geknüpft, aber die Verwaltung habe sie nicht abgearbeitet.

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Udo Weinrich nimmt den Rat in den Pflicht

Udo Weinrich (Offene Klever) stellte die Erzählung vom tollen Rat und der suboptimalen Verwaltung in Abrede: „Ich finde es unerträglich, dass suggeriert wird, der Rat fasse tolle Beschlüsse“, sagte er. „Der Rat in Kleve hat doch auch die Aufgabe, die Umsetzung seiner Beschlüsse zu kontrollieren, und das hat er nicht gemacht. Daher brauchen wir eine politische Kraft, die das tut.“

Michael Kumbrink, der sich ohne Parteiunterstützung bewirbt, wollte die gegenseitigen Schuldvorwürfe nicht mitmachen: „Es ist Aufgabe des Bürgermeisters, dass Bürger, Rat und Verwaltung gemeinsam die Stadt gestalten.“ Dazu müsse man erst einmal Ziele formulieren. Im Blick auf die Wirtschaftslage mahnte er: „Wie schnell wollen wir Betriebe ansiedeln, die das auffangen, was wegfallen wird?“

Rund 100 Zuschauer kamen ins Kolpinghaus.
Rund 100 Zuschauer kamen ins Kolpinghaus. © Andreas Daams

Es sei wichtig, den Strukturwandel fortzusetzen und niederländische Unternehmen herzuholen, fand Gebing. Rolf Janßen plädierte dafür, Initiativen anzustoßen, um etwa Nachhaltigkeit zu optimieren. Dazu gehöre beispielsweise ein Gründerzentrum auf dem ehemaligen Unilever-Gelände. Daniel Rütter forderte mehr Aufenthaltsqualität in der Innenstadt, um Kleve für jüngere Besucher attraktiver zu machen. Gerade das, so Northing, sei längst geplant, etwa ein Spielplatz am Opschlag. „Lasst uns doch mal alle an einen Tisch bringen, um aus den Konzepten das Vernünftige herauszusuchen“, schlug Weinrich vor.

Sonja Northing verweist beim Investitionsstauf auf das Jahr 2014

Beim Thema Schule wies Sonja Northing die Verantwortung der Verwaltung zurück. „Der Investitionsstau kommt daher, dass man 2014 bei der Anbindung der Schulen auf Kupfer statt auf Glasfaser gesetzt hat und daher keine Breitbandanbindung möglich ist.“ Bei den Bauten habe der Rat allem gefolgt, auch der Zeitplanung. „Ich habe dem Rat immer gesagt, wenn es schneller gehen soll, brauche ich Geld und Personal.“ Das ließ Gebing nicht gelten: „Die Spitze der Verwaltung trägt die Verantwortung.“ Eine Grundschule zu bauen sei doch kein Hexenwerk.

Wenig Differenzen gab es dagegen beim Thema Wohnraumgewinnung. Doch den vielen schönen Ideen bis hin zum Wohnen auf dem Wasser steht eine bittere Realität entgegen: „Der letzte Flächennutzungsplan ist bei der Bezirksregierung seit zehn Jahren in Bearbeitung“, erläuterte die Bürgermeisterin. Ende nicht absehbar. Dagegen ist Kultur ein Feld, bei dem sich schnell etwas ändern kann. Sollte Rütter Bürgermeister werden, darf sich Museumsdirektor Harald Kunde schon mal warm anziehen. „Da liegt vieles im Argen“, befand der FDP-Mann.