Kreis Kleve. Ryanair will offenbar noch in diesem Jahr den Flughafen Weeze verlassen. Könnte der Standort auch ohne die Billigairline weiter bestehen bleiben?
In einem Schreiben an die Mitarbeiter hat Billigflugairline Ryanair angedroht, noch in diesem Jahr alle stationierten Flugzeuge vom Aiport in Weeze abzuziehen. Weitere Informationen soll es in der nächsten Woche geben, das Schreiben liegt der Redaktion vor.
Die Fluggesellschaft sieht sich zu diesem Schritt aufgrund der schwierigen Verhandlungen mit der Pilotenvereinigung Cockpit veranlasst. Ryanair soll von den Piloten zur Bewältigung der Luftfahrtkrise einen rund 20-prozentigen Gehaltsverzicht gefordert haben – bis 2024. Dazu sind diese allerdings nicht bereit. Auch an den Standorten Frankfurt-Hahn und Berlin-Tegel will Ryanair harte Maßnahmen ergreifen: Der Standort Frankfurt-Hahn soll zum Beispiel zum 1. November geschlossen werden.
Weezes Flughafen-Chef: Ryanair-Abzug wäre Katastrophe
Weezes Flughafengeschäftsführer Ludger van Bebber bestätigt der Redaktion diese Meldung. Er sei darüber informiert worden, dass es Probleme bei den Verhandlungen gibt.
Van Bebber möchte allerdings erst die tatsächlichen Entscheidungen abwarten: „Wir müssen jetzt erst sehen, ob das nur Muskelspiele sind, ob die Entscheidungen tatsächlich gefällt werden und wenn ja, wie diese ausgeführt werden“, so van Bebber. Auf die Frage, ob ein Abzug der Ryanair-Flieger einer wirtschaftlichen Katastrophe gleichkämen, sagte van Bebber nur kurz: „Ja“.
Flughafen Weeze: Heimische Wirtschaft ist alarmiert
Die heimische Wirtschaft ist alarmiert: „Ein Abzug der Ryanair-Flotte wäre ein ernstzunehmender Verlust für den Flughafen Weeze. Allerdings bedeutet das keinesfalls, dass er schließen muss. Der Flugbetrieb durch Ryanair und weitere Gesellschaften ist weiter möglich, die Kostenstrukturen des Airports sind mit die besten am Markt. Kreis Kleve und Gemeinde Weeze stehen hinter dem Flughafen“, sagte Stefan Dietzfelbinger, Geschäftsführer der niederrheinischen IHK mit Sitz in Duisburg.
Der Airport habe sich mit 1,23 Millionen Passagieren im letzten Jahr behauptet; er erschließe sein Fluggast-Potenzial auf deutscher wie auf niederländischer Seite. „Nicht zuletzt hat das Parookaville-Festival in Weeze eine internationale Anziehungskraft entwickelt“, so Dietzfelbinger.
Van Bebber: Abzug würde keine Einstellung des Flugverkehrs bedeuten
Bei dieser generellen Großwetterlage müsse man sehen, dass ein Abzug der Ryanair-Maschinen den Flughafen in Weeze wirtschaftlich hart treffen würde, sagt Weezes Flughafengeschäftsführer Ludger van Bebber. In Weeze sind bislang drei Maschinen stationiert. Sollte es dazu kommen, würde dies allerdings nicht zu einer gänzlichen Einstellung des Flugverkehrs in Weeze führen.
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Van Bebber erklärte, dass nur 60 Prozent der Flugbewegungen mit den in Weeze stationierten Fliegern erfolgen würde. „Man kann dies also nicht eins zu eins auf die Flugbewegungen projizieren“, so van Bebber.
Die E innahmen des Flughafens (unter anderem die Start- und Landegebühren, Parkgebühren) hängen vor allem vom Passagieraufkommen ab. Wie sich das Aufkommen entwickeln wird, darüber möchte der Geschäftsführer derzeit nicht spekulieren. Aufgrund der Corona-Pandemie musste der Flughafen bereits große Rückschläge in Kauf nehmen. Jüngst hat er zur Stützung der Liquidität weitere Zuschüsse vom Kreis Kleve und der Gemeinde Weeze erhalten.
Gewerkschaft kritisiert Ryanair
Scharfe Kritik an Ryanair kommt von den Arbeitnehmervertretern: „Die Gewerkschaften sollen in den laufenden Verhandlungen unter Druck gesetzt werden“, sagte Verdi-Gewerkschaftssekretär Sven Bergelin. Die Billig-Airline will ihre Basen zum 1. November schließen.
Von den Plänen zur Stellenstreichung sind laut Verdi 350 der 1000 Flugbegleiter der Ryanair-Tochter Malta Air in Deutschland betroffen. Die Piloten in Hahn bekämen noch diese Woche ihre Kündigung, hieß es.
Abwarten auf Entscheidungen
Van Bebber schaut jetzt mit Spannung auf die weiteren, tariflichen Auseinandersetzungen. Aber er weiß auch, dass das irische Unternehmen sehr konsequent seine Entscheidungen auch umsetzt. „In der Regel erfahre ich dies auch erst 24 Stunden vor der Presse“, so van Bebber.
170 Piloten bangen jetzt um ihren Job.
Nachfolge in der Geschäftsführung
Die Nachfolge für Flughafengeschäftsführer Ludger van Bebber ist so gut wie unter Dach und Fach. Noch-Geschäftsführer van Bebber berichtete der NRZ auf Nachfrage, dass es ein Auswahlverfahren gegeben habe und auch alle wesentlichen Fragen geklärt seien.
Ein Kandidat habe sich herauskristallisiert. Die Würfel seien gefallen. Letztlich müsse Eigentümer Herman Buurman über die Einstellung eines neuen Geschäftsführers entscheiden. „Aus unserer Sicht steht die Entscheidung“, so van Bebber. Einen Namen wollte er noch nicht nennen.