Kleve-Reichswalde. Tamara Müller päppelt in Kleve-Reichswalde verletzte Igel auf. Große Gefahr für die stacheligen Nachtschwärmer sind Rasenmäherroboter und Hunde.
Nachts fahren die Rasenroboter. Sie surren durch die Gärten und schneiden das Gras. Schön sieht das aus. Manchmal erwischen sie allerdings einen Igel. Dann fährt das Schnittmesser in ihr Gesicht, zerfetzt die Haut, säbelt ein Bein ab. Bilder von Igeln, die es so erwischt hat, möchte man nicht wirklich sehen. Tamara Müller aus Reichswalde kennt solche Igel sehr gut. Sie pflegt sie bei sich zu Hause, päppelt sie auf, lässt sie beim Tierarzt behandeln. Alles auf eigene Kosten, versteht sich.
Da wäre zum Beispiel Pepe. Tamara Müller schlägt ein Ringbuch auf. Darin notiert sie alles: Wann sie ihn gefunden oder von Freunden bekommen hat, wieviel er gewogen hat. 751 Gramm wog er am 10. Mai. Das normale Gewicht eines ausgewachsenen Igels liegt bei etwa 1100 Gramm.
Igelplätze gibt es im Reichswalder Wildgehege
Die starken Verletzungen führen dazu, dass die normalerweise nachtaktiven Igel plötzlich am helllichten Tag durch die Gegend irren. Sie sind von Maden befallen und von Zecken. Da sitzt Tamara Müller schon mal ein, zwei Stunden vor so einer armen Kreatur, reinigt sie, spritzt sie mit Antibiotika und Flüssigkeit. Täglich füttert sie die Igel mit Mehlwürmern, zuckerfreiem Katzenfutter mit hohem Fleischanteil oder ungewürztem Rührei. Bei Pepe hat die Fürsorge schon sehr gut angeschlagen, 856 Gramm wiegt er jetzt.
Noch 50 bis 100 Gramm mehr, dann kommt er ins Auswilderungsgehege. „Das ist ein Bereich im Reichswalder Wildgehege, in dem es Schlafmöglichkeiten für Igel gibt, Wasser und täglich Futter“, erzählt die Tierliebhaberin. Hinaus kommen sie zunächst nicht. Das ist dann der zweite Schritt. „Wir bieten ihnen aber ganzjährig an dieser Stelle Futter an“, erklärt Tamara Müller. So haben sie einen festen Punkt, zu dem sie jederzeit zurückkehren können.
Nicht immer klappt die Heilung
Nicht immer klappt die Heilung so gut wie bei Pepe. Zwischenzeitlich hatte Tamara Müller vier Igel in Pflege, doch einer ist gestorben. Zwar konnte der Tierarzt ihn ganz gut zusammenflicken. „Aber dann bekam er Abszesse.“ Diesmal war kein Rasenroboter für die Verletzungen verantwortlich, sondern ein freilaufender Hund. Auch so ein Riesenproblem. Igel überleben möglicherweise zwar einen Hundebiss, aber der Hundespeichel führt später zu heftigen Entzündungen.
Was man daraus lernen kann: Für die Moderne sind Igel mit ihren Stacheln schlecht gerüstet. Viele werden von Autos überfahren, nun kommen auch noch Rasenroboter dazu und Hundebesitzer, die sich um die Leinenpflicht nicht scheren.
Tamara Müller: „Mein Tierarzt sagt, wenn es so weitergeht, liefen bald gar keine Igel mehr draußen herum.“
Gartenbesitzer können allerdings Igeln helfen. Zum Beispiel Laub und Äste liegen lassen, damit Igel dort Unterschlupf finden können. Wasser bereitstellen – „Das ist derzeit sowieso für alle Tiere gut“, so Müller. Und wenn man kranke Igel sieht: das Igel-Notnetz anrufen: 0800-7235750. Dort gibt es hilfreiche Tipps, was man tun kann.
Igeln keine Milch geben
Außerdem sollte man Igeln keine Milch geben. Denn Igel vertragen keine Lactose.
Tamara Müller packt ihre stacheligen Gäste nur mit Handschuhen an: „Ich will ihre Bakterien nicht, und sie sollen meine nicht abbekommen.“ Sollte man eine Igelmutter mit Jungen finden, wird es noch komplizierter. Denn Igelmütter beißen ihre Jungen in Gefangenschaft tot.
Pepe jedenfalls macht sich prima. Er erkennt Tamara Müller an der Stimme, kugelt sich auch nicht ein, wenn sie ihn mit ihren Plastikhandschuhen anfasst. Demnächst ist er dann wieder auf sich allein gestellt. In der freien Wildbahn – oder dem, was davon noch übrig ist.