Bedburg-Hau. Nutzen die Ausbrecher in der LVR-Klinik Bedburg-Hau die Fehler des Systems aus? Pfleger klagen nun über Überbelastung und zu wenig Personal.

Nach der Geiselnahme und dem Ausbruch zweier Patienten aus der forensischen Klinik in Bedburg-Hau, ermittelt der Landschaftsverband Rheinland als Träger der Einrichtung derzeit unter Hochdruck, wie es zu dem Ausbruch kommen konnte. Für Außenstehende bleibt vor allem eine große Frage: Nutzten die Täter die Schwächen des Systems aus?

Die Pflegerinnen und Pfleger der Forensikstationen berichten davon, dass die Arbeit in den letzten Jahren stets professioneller und anspruchsvoller geworden sei, die personelle Besetzung jedoch immer weiter herunter gefahren worden sei. Es entwickele sich Unzufriedenheit, auch, weil man die Pausen nicht einhalten könne. Jeder im Personalstamm habe schon mal Übergriffe erlebt oder sei gar traumatisiert.

LVR: Krankenstand in Klinik in Bedburg-Hau nicht auffällig

„Der Personalschlüssel ist seit Jahren konstant“, antwortet die LVR-Sprecherin Karin Knöbelspies auf Nachfrage. Der Krankenstand sei nicht auffällig. Auch an dem Abend des Ausbruchs entsprach der Zwei-Mann-Dienst „exakt der mit dem Land abgestimmten Besetzung“. An der Pforte sitzen keine Angestellten eines Sicherheitsdienstes, sondern eigene LVR-Mitarbeiter, die für die Aufgabe qualifiziert worden seien, sagt sie. „Das haben wir nicht outgesourct, es sind erfahrene Kollegen“.

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Von Dagobert Ernst, Astrid Hoyer-Holderberg, Christian Stahl und Tatjana Tempel

Dennoch wissen die suchtabhängigen Straftäter offenkundig die Schwächen des Systems auszunutzen. Wie genau der Ablauf am Abend war, werde nun durch ausführliche Befragung der Beteiligten ermittelt, sagt Knöbelspies, als sie Dienstagmittag aus Köln extra nach Bedburg-Hau kam. Erkenntnisse werde es in den nächsten Tagen geben.

Eine Sitzung zum Personal-Notstand wurde vertagt

Ist personeller Notstand je Thema im Forensik-Beirat gewesen?, fragte diese Redaktion Beiratsmitglied Bürgermeister Peter Driessen aus Bedburg-Hau. „Gerade in der letzten Sitzung ist es von einem Polizisten vorgebracht worden, doch der richtige Ansprechpartner war nicht dabei.“ Es wäre der kürzlich plötzlich verstorbene Uwe Dönisch-Seidel, Landesbeauftragten für den Maßregelvollzug, gewesen.

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So wurde das Thema auf die nächste Sitzung vertagt – die jetzt in Kürze hätte stattfinden soll. Driessen hatte sie aber gerade wegen der Corona-Pandemie als Live-Zusammenkunft abgesagt. „Ich habe aber die Klinikleitung diesbezüglich angeschrieben“, sagt Driessen. auch hatte er den Klinikleiter Stephan Lahr am Morgen des Ausbruchs geben, alle Mitglieder im Beirat umfassend zu informieren. Das erfolgte sofort. „Denen, die in Geiselhaft genommen wurden, gehört mein ganzes Mitgefühl,“ sagt Driessen. „Ich hoffe, dass sie es gut und schnell verarbeiten können.“