Kleve. Die Friseure im Kreis Kleve öffnen wieder die Türen. Mirko Brendgen erzählt, welchen Aufwand er betreiben musste, um Kunden bedienen zu können.
Endlich kann er wieder seine Ladentür aufschließen. Sechs Wochen lang hat Mirko Brendgen seinen Salon an der Keekener Straße in Kleve-Rindern wie so viele andere Berufskollegen wegen des Coronavirus schließen müssen. Sechs Wochen lang keine Haare schneiden, das hinterlässt beim Handwerk und bei den Kunden Spuren: „Jeder Kunde ist jetzt ein Notfall“, sagt Brendgen lachend, der in den vergangenen Tagen richtig geackert hat, um am Montag seine Kunden sicher bedienen zu können. Er rechnet gut zwei Wochen lang mit einem enormen Ansturm.
Mirko Brendgen war in den vergangenen zwei Wochen vermutlich der beste Kunde im Baumarkt. In seinem neuen Salon hat er mit seinem Vater ein provisorisches Lattengerüst erstellt, um Plexiglaswende aufstellen zu können. 2,50 Meter Abstand sind seit Montag die Norm fürs Haare schneiden und damit sich die Kunden sicher fühlen, bekommt jeder quasi eine eigene Kabine: „Meine Mutter fühlte sich an die 60er und 70er Jahre erinnert. Damals gab es solche Trennwände auch schon mal“, erzählt der Frisörmeister.
Kontaktzonen für jeden Kunden
Mit Spannung erwartet er den ersten Arbeitstag, denn der Friseurtermin wird für alle eine ungewohnte Sache: Auf dem Boden hat Brendgen Kontaktzonen für jeden einzelnen Kunden ausgewiesen. Wer in diese Zone eintritt, der hat seine Personalien hinterlassen, ist desinfiziert, trägt Mundschutz und darf diese auch nicht wieder verlassen – andernfalls: umziehen, Hände waschen, desinfizieren. „Das ist alles sehr aufwendig, wird aber gefordert“, sagt Brendgen.
Um die Kontakte möglichst gering zu halten, hat er seinen Salon neu eingeteilt. Die Haupteingangstüren werden jetzt zum Ausgang. „Der Kunde betritt über Terrasse und Hintertür das Geschäft. Wir rufen einzeln auf“, erklärt er. Dann gehe es zuerst zum Haare waschen. Dies müsse sehr ausgiebig erfolgen, danach wird der Kunde zum Stuhl begleitet. Den üblichen Kaffee mit Plätzchen gibt es nicht mehr, auch die Zeitschriften wurden weggeräumt. „Selbst an Kinder dürfen wir keine Lutscher mehr verteilen“, so Brendgen. Auch die beliebte Bonbon-Schüssel an der Kasse ist verschwunden.
90 Kunden = 90 Mal alles desinfizieren, alles waschen, neuen Mundschutz,
Am Montag sollen 90 Kunden bedient werden. Für Mirko Brendgen und sein Team bedeutet das: 90 Mal Hände desinfizieren, umziehen, neuen Mundschutz aufsetzen, Frisörstuhl und Werkzeug ausgiebig reinigen. Auch die Toiletten müssen mindestens zwei Mal täglich gesäubert werden und alle Türklinken werden fortlaufend desinfiziert.
Einen Termin kann man nur am Abend telefonisch vereinbaren: „Wir können tagsüber nicht mehr telefonieren, da wir sonst den Kontaktbereich verlassen müssten und dann wieder alles desinfizieren müssen. Das wäre ein enormer Aufwand“, erzählt er. Daher läuft tagsüber jetzt nur ein Band. Am Abend telefoniert der Frisörmeister dann alle Kunden ab: „In den vergangenen Tagen habe ich schon über 300 Termine vergeben. Filme um 20.15 Uhr habe ich schon lange nicht mehr gesehen.“ In den ersten zweieinhalb Wochen werde es einen richtigen Ansturm geben. „Ich habe noch nie so viel Dankbarkeit erfahren“, erzählt er. Jeder sei glücklich, endlich einen Termin erhalten zu haben. „Die 180-Liter-Mülltonne ist leer. Da passen eine Menge Haare rein“, lacht Brendgen.
Wie wird das Arbeiten mit Mundschutz funktionieren?
Wie das Arbeiten mit Mundschutz funktioniert, wird sich erst in der Praxis herausstellen. „Ich habe für meine Mitarbeiter zig Mundschutze in fünf verschiedenen Ländern aus unterschiedlichen Materialien bestellt. Verträgt ja auch nicht jeder alle Stoffe“, so der Frisör. Auch ein Plastikvisier könne er anbieten. „Aber durch das Plastik sieht man eigentlich deutlich schlechter, das ist nicht ideal.“ Nach den ersten drei Stunden im Salon haben sich die ersten Dinge eingespielt: „Wir müssen uns an das neue Arbeiten erst noch gewöhnen.“
Angst, sich selbst anzustecken, hat er nicht. „Ich gehe da jetzt entspannt mit um. Wir haben alle möglichen Vorkehrungen getroffen – mehr geht nicht.“ Die vergangenen sechs Wochen seien finanziell hart gewesen. Ausdrücklich bedankt er sich bei den Behörden. Vom Land NRW habe er Sofortmaßnahmen erhalten und auch der Kreis Kleve habe schnell gezahlt, bei der Bank wurden Tilgungen ausgesetzt: „Wir kommen mit einem blauen Auge davon. Nur das Ersparte ist jetzt weg“, erzählt er.
Drei Stunden Einweisung für die Mitarbeiter
Alle Mitarbeiter wurden drei Stunden lang eingewiesen und auf Eventualitäten vorbereitet: Was ist, wenn jemand an die Scheibe klopft? Was ist, wenn es klingelt? Normales Handeln ist in diesen Tagen nicht möglich.