Kleve. Die Corona-Krise sorgt für einen Digitalisierungsschub in den Verwaltungen: Home Office, Tele-Konferenzen, Videobotschaften – vieles wird gemacht

Sonja Northing sprach gestern ihre zweite Videobotschaft ein. Ein bisschen nervös sei sie noch am Anfang gewesen, aber sie lerne hinzu. Das Wichtigste für die Bürger soll kurz und knapp per Video mitgeteilt werden. Und mit dem Ausprobieren der neuen Kommunikationsform ist sie nicht allein: Zahlreiche Bürgermeister im Kreis Kleve wagen jetzt den Schritt zu neuen technischen Möglichkeiten. Corona sei Dank: In den Rathäusern wird technisches Neuland betreten, aufgerüstet und neue Arbeitsformen werden entwickelt. Die Krise sorgt für einen Digitalisierungsschub.

Technisierung im Schnellverfahren

Bürgermeisterin Sonja Northing richtet sich mit Videobotschaften an die Bürger.
Bürgermeisterin Sonja Northing richtet sich mit Videobotschaften an die Bürger. © NRZ | Screenshot

Bürgermeisterin Northing und ihre Mannschaft haben in den vergangenen Tagen viel gearbeitet. Die Krise sei über die Verwaltung mit Macht hereingebrochen. Zig Verordnungen vom Land galt es umzusetzen. Und auch die Arbeit in der Verwaltung musste auf neue Füße gestellt werden: 22 Laptops seien jetzt im Umlauf und es wurden weitere Geräte bestellt, damit mehr Mitarbeiter zu Hause arbeiten können. Was früher lange Diskussionen ausgelöst hätte, wird jetzt einfach gemacht. Der Personalrat steht ebenfalls dahinter.

Jörn Franken, Sprecher der Stadt Rees, meint: „In dieser Krise machen wir in Sachen Digitalisierung einen enormen Schritt nach vorne. Was jetzt alles möglich ist, hätten wir sonst so schnell nie umgesetzt.“

Mitarbeiter arbeiten flexibler

Northing sieht, dass die Flexibilität der Mitarbeiter bleiben wird. Jeder habe jetzt gesehen, dass man Dinge einfach mal wagen kann: „An der Digitalisierung geht kein Weg mehr vorbei“, sagt Northing. Gleichwohl stelle man fest, dass die Infrastruktur noch verbessert werden muss. In der Video-Schalte der Bürgermeisterkonferenz ruckelte es ganz ordentlich am Bildschirm. Vermutung: Es sind zurzeit einfach zu viele Leute im Netz.

Auch Britta Schulz nutzt die Videoansprache.
Auch Britta Schulz nutzt die Videoansprache. © NRZ | Screenshot

Britta Schulz, Bürgermeisterin in Kalkar, richtet sich schon seit längerem mit Videobotschaften an die Bürger. Dies sei wichtig, um konkrete Fragen besorgter Bürger zu beantworten und auch ein Zeichen zu geben, dass die Verwaltung den Bürgern zur Seite steht. Die Videos werden 5000 bis 6000 Mal aufgerufen. Die Erfahrung des Emmericher Bürgermeisters Peter Hinze ist: Im Schnitt schauen sich die Menschen das Video 28 Sekunden lang an. Bis dahin sollte das Wichtigste gesagt sein.

Die Infrastruktur muss noch besser werden

Auch Britta Schulz erlebt in ihrer Verwaltung deutlich mehr Digitalisierung. Gut 30 Mitarbeiter seien im Home Office. Die Mitarbeiter nutzen Tablet-PCs oder ihren eigenen Rechner zu Hause. „Wir müssen ja jetzt auch schnell sein“, sagt Schulz. Die eigenen Computer zu nutzen, kann man sich in Kleve hingegen noch nicht vorstellen.

Was sich in Zukunft verbessern müsse, sei die Infrastruktur. Sicheres Wlan und schnellere Leitungen sind notwendig, damit das digitale Arbeiten auch technisch umgesetzt werden kann.

Viele arbeiten jetzt zu Hause

Ulrich Knickrehm, Bürgermeister in Goch, ist jetzt heilfroh, dass seine Verwaltung bereits zu Beginn des Jahres eine Digitalisierungsabteilung mit vier Leuten installiert hat. Diese komme jetzt voll zum Tragen. Goch hat 50 Heimarbeitsplätze eingerichtet. 30 Personen nutzen das auch – das sind gut 20 Prozent der Kernverwaltung. „Wir mussten eine Menge anschieben: sichere Zugänge schaffen, Geräte beschaffen und die Technik einrichten“, erklärt Knickrehm.

In der Verwaltung werden nun mehr Videokonferenzen mit den Fachbereichsleitern durchgeführt. Und auch für die Fraktionsvorsitzenden der Parteien müsse man eine Video-Lösung für Konferenzen finden. „Aber ich glaube nicht, dass diese Art des Konferierens die herkömmlichen Konferenzen ersetzen kann. Es fehlen doch die kleinen Gespräche am Rande und die persönliche Beziehung“, sagt Knickrehm. Zudem dauern Videokonferenz auch sehr viel länger: „Man muss sich enorm disziplinieren und braucht eine gute Versammlungsleitung“, sagt auch Britta Schulz aus Kalkar.