Kleve. Der Klever Großhändler Reuschenbach erlebt wegen der Corona-Krise bei Masken eine extreme Nachfrage. Doch viele Lieferketten sind abgerissen.

Ende Januar trifft Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier 75 Jahre nach der Auschwitz-Befreiung Überlebende des Holocaust, der deutsche Fußball-Meister Bayern München deklassiert den FC Schalke 04 vor 75.000 Zuschauern in der selbstverständlich ausverkauften Allianz-Arena mit 5:0 – und im Landkreis Starnberg in Bayern hat sich erstmals eine Person in Deutschland mit dem Coronavirus infiziert. Diese Neuigkeit lässt zwar aufhorchen, doch die Nachrichtenlage jener späten Januar-Tage bestimmt sie nicht. Das neuartige Virus scheint vor allem ein chinesisches Problem zu sein.

In dieser Zeit stutzt Albert Dominick, als er die eingegangenen Bestellungen überprüft. Eine Klinik in Bonn ordert am 28. Januar Tausende Atemschutzmasken beim Klever Großhändler Reuschenbach GmbH + Co. KG. Drei Tage später bekommt der Prokurist der traditionsreichen Firma, die an der Siemensstraße beheimatet ist, eine zweite ähnliche Großbestellung zu Gesicht. „Da habe ich gemerkt, dass offenbar Vorbereitungen getroffen werden“, sagt Dominick heute, zwei Monate später. Die Ausbreitung des Coronavirus hat längst die Arbeit komplett verändert in dem mittelständischen Unternehmen, dem plötzlich eine wichtige Rolle bei der Versorgung des Gesundheitssystems zugefallen ist.

Immer mehr Ärzte und Apotheker rufen an

Ladenlokal hat weiterhin geöffnet

Das Ladenlokal der Firma Reuschenbach darf weiterhin öffnen. Allerdings sind die Zeiten auf Montag bis Freitag von 8 bis 15 Uhr eingeschränkt. Samstags findet vorerst kein Verkauf statt.

Maximal zwei Kunden dürfen sich im Laden gleichzeitig aufhalten. Sicherheitsstreifen auf dem Boden sorgen für Abstand. Die Firma bietet an, nach vorheriger Absprache Waren abholbereit und verpackt bereitzustellen.

Mitarbeiter erledigen ihre Aufgaben mit Atemschutzmasken und Handschuhen und jeweils allein. Wer kann, arbeitet zudem im Home Office.

Reuschenbach ist eigentlich kein spezialisierter Medizin-Großhandel, sondern setzt auf ein breites Portfolio: Von Warnschutzjacken über Straßenbesen bis zur Textilveredelung mit eigener Stickerei handelt die Firma mit unzähligen Produkten aus den Bereichen Arbeitsschutz, Berufsbekleidung, Industriebedarf und Werkzeugen. Zu den Kunden gehören große Lebensmittelbetriebe genauso wie öffentliche Verwaltungen, Landschaftsverbände, wichtige Industriearbeitgeber aus der Region und Werkstätten für Menschen mit Behinderung.

Für die allermeisten Produktgruppen, die normalerweise einen Teil des Geschäfts ausmachen, gibt es jedoch keinerlei Bestellungen mehr. Nahezu jeder Auftrag zielt dafür auf den Desinfektions- und Hygienebereich ab, sagt Albert Dominick. „Wir erleben eine extremst erhöhte Nachfrage.“ Immer wieder klingeln auch Ärzte und Apotheker beim Händler durch.

Letzte Ware aus Italien kam vor drei Wochen

Desinfektionsmittel, Einwegkleidung, Handschuhe, OP-Kleidung, Flüssigseifen: Alles wurde Dominick und den 16 Mitarbeitern in den vergangenen Wochen buchstäblich aus den Händen gerissen. „Nach den ersten Großbestellungen hatten wir viel Ware vorgeordert“, erzählt der Prokurist. Reuschenbach selbst importiert nur aus den europäischen Nachbarstaaten und arbeitet sonst mit langjährigen Partnern zusammen, die vor Ort für die Klever Firma Ware importieren.

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Je stärker sich das Coronavirus in den vergangenen Wochen ausbreitete, desto schwieriger wurde es allerdings auch für den Großhändler, die nachgefragten Produkte aus Deutschland und dem Ausland zu bekommen. Vor drei Wochen erreichte etwa die vorerst letzte Ware aus dem vom Virus gebeutelten Italien die Handelsprofis am Niederrhein. Sie mussten dabei zusehen, wie die Lieferketten abrissen.

Preisanstiege und Wartezeiten

„Jetzt ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Wir kriegen nirgendwo mehr etwas. Die Importeure und Hersteller kommen nicht mehr nach und haben ihre Telefonanlagen abgestellt“, berichtet Albert Dominick. Wenn überraschend doch wieder ein wenig Ware auf dem Markt auftaucht, ist sie teilweise um fast 70 Prozent teurer als zuvor – oder lässt lange auf sich warten wie das bestellte Handtuchpapier, das nun in drei Wochen bei der Firma in Kleve ankommen soll.

„Wir arbeiten jetzt die offenen Aufträge ab. Für die nächsten Wochen gibt uns das Arbeit“, sagt Dominick. Und dann? „Hoffe ich, dass wir wieder etwas Ware erhalten.“ Was die Firma jetzt durch die riesige Nachfrage nach Produkten für den Gesundheitsbereich zusätzlich verdiene, müsse die Rücklage für die kommenden Krisenmonate bilden, stellt der Prokurist fest. „Wir wissen nicht, was in drei, vier Wochen ist.“