Kleve. Das Homeoffice erobert Deutschland. Aber irgendwer muss das alles einrichten. Einblicke in die hektische Welt der Systemadministratoren
Wer als IT-Dienstleister arbeitet, ist Irrsinn gewohnt. Dafür sorgen manchmal schon kleinere Software-Updates, die mehr Unheil auslösen, als sie beseitigen. In den letzten Tagen jedoch kann man über irgendwelche kleinen Störungen der künstlichen Intelligenz nur müde lächeln. Denn die Viren, die man sonst mit Virenscannern bekämpft, sind plötzlich real geworden. Die Folge: Eine Welle namens Homeoffice überrollt die Branche.
Mitarbeiter auf Home-Station
Angefangen hat es schon Anfang der vorletzten Woche. Da nur zaghaft, fast verschämt. Man möge einen nicht für einen Hypochonder halten, kicher, kicher, aber könne man einem nicht für alle Fälle einen Zugang von zuhause zum Büro legen? Dann riefen erste Chefs an. Es klinge vielleicht komisch, aber ist man eigentlich gerüstet, falls irgendwann mal irgendwer im Homeoffice arbeiten müsse? Bis es dann Schlag auf Schlag geht. Am Donnerstag gehen die ersten auf Home-Station. Am Wochenende dann treffen manche Chefs harte Entscheidungen: Montagmorgen sollen die Mitarbeiter ihre Arbeits-PC einpacken und damit nach Hause fahren. Den Rest: Erledigen dann schon die IT-Dienstleister.
Montagmorgen. Totenstille. Anruf beim Kollegen: Wie ist es bei dir? Völlig ruhig, seltsam. Aber das ist nur die Ruhe vor dem Sturm. Denn plötzlich beginnt es mit Wucht. Das Telefon klingelt ohne Unterbrechung. Bei Firma A sind jetzt alle Mitarbeiter zuhause und wollen weiterarbeiten. Von Firma B erhält man detaillierte Listen, wer wann wo ist und wie weiterarbeiten möchte. Firma C will einen Konferenzraum einrichten, mit Webcam und allem, aber die Geräte sind bei den Großhändlern ausverkauft, Wiederbeschaffungsdatum unklar, dafür 100 Euro teurer als am Tag zuvor.
Frischgebackene Home-Worker
Jetzt hilft nur noch: Der Reihe nach die frischgebackenen Home-Worker abarbeiten. Manche haben schon alles vorbereitet, die Verbindung zum Internet steht, man kann über Fernwartungs-Software alles einstellen. Andere sind schon mit der Verstöpselung der Geräte überfordert. USB-Kabel? Netzwerkkabel? WLAN? Was soll das alles bedeuten?
Abends merkt man, dass man zwischendurch mal hätte etwas essen sollen. Immerhin lernt man ein bisschen über die Wohnsituation der Leute. Manchmal steht der Rechner offenbar im Keller, der Mensch mit dem Handy aber im Dachgeschoss, weil er sonst keinen Empfang hat. Manche haben 30 Meter lange Kabel quer durchs Wohnzimmer gespannt. Monitore zieren jetzt Wohnzimmer- und Esstische, Rechner stehen im Schlafzimmer. Wenn jetzt Außerirdische einen Blick in die Wohnung eines Home-Office-Menschen werfen würden, wären sie erstaunt, wie verschroben das alles aussieht.
An der IT-Front wird es ruhiger
Plötzlich vernimmt man die ansonsten durchorganisiertesten Büromenschen im trauten Kreis ihrer Familie. „Kinder, ich führe hier ein wichtiges Gespräch, seid bitte still.“ Sind sie aber nicht. Homeoffice muss also nicht zwangsläufig das Paradies sein. Überhaupt erfährt man allerlei Privates. Wie eine Mutter mit ihrem seit Tagen fiebernden Kind weder ins Krankenhaus hineinkommt noch zum Arzt. Und im Zelt werden Kinder nicht getestet. Erst nach einigem Hin und Her mit dem Gesundheitsamt bekommt sie Einlass ins Krankenhaus. Ergebnis: Es ist die „normale“ Influenza. Schlimm genug. Da ist das fehlende USB-Kabel dann wirklich wurscht.
Jetzt, Ende letzter Woche, wird es an der IT-Front ruhiger. Bleibt nur zu hoffen, dass jetzt nicht irgendwelche IT-Bösewichter das Internet mit virtuellen Viren lahmlegen.
Der Autor ist als Systemadministrator tätig.