Kreis Kleve. Apothekerin Silke Hans ist stinksauer auf die Politik und auf das Verhalten ihrer Mitmenschen. So werde man die Corona-Krise nicht bewältigen.

Silke Hans kann ihre Wut kaum noch unterdrücken. Die Klever Apothekerin ist zurzeit über viele Dinge stinksauer: „Wir kleinen Apotheker halten hier gerade mit den Ärzten den Laden am Laufen, aber wir werden absolut im Stich gelassen. Es ist doch ein Witz, dass uns die Mundschutze, Schutzkleidung und Desinfektionsmittel ausgehen, weil die normalen Bürger wie doof gehamstert haben.“

Alles wird rationiert

Sie habe versucht seit Tagen für die Belegschaft Mundschutz, Schutzkleidung und Desinfektionsmittel zu ordern: „Alles ist rationiert oder gar nicht zu erhalten. Es gibt totale Lieferengpässe. Ich habe am Donnerstag, an meinem freien Tag, fünf Stunden telefoniert, um Einmalkittel und Alkohol zu bekommen. Meiner Meinung nach müssen diese Sachen jetzt vom Gesundheitsministerium, über die örtlichen Gesundheitsämter zentral ausgegeben werden, damit sichergestellt wird, dass die Krankenhäuser, Ärzte und Apotheker die Sachen auch erhalten. Ich arbeite hier in einem Malerkittel. Das ist doch nicht normal.“

Silke Hans und ihr selbst gebauter Desinfektionsspende.
Silke Hans und ihr selbst gebauter Desinfektionsspende. © NRZ | Andreas Gebbink

Vom Kreis Kleve höre sie gar nichts: „Ich habe letzte Woche mal dem Kreisapotheker gemailt: Hallo, sind Sie noch da? Wie wäre es mal mit einer Reaktion, mit einem Schreiben an die Apotheker? Warum setzt er sich nicht für unsere Belange ein?“ Von der Politik sei sie maßlos enttäuscht, im Großen wie im Kleinen: „Jens Spahn hat gestern in seiner Rede zumindest mal die Apotheken erwähnt. Unfassbar. Ansonsten bekommt man das Gefühl, dass die Politiker nur noch auf die Internetapotheken setzen. Aber wir kleinen Apotheken sind es gerade, die hier alles managen. Bei DocMoris bekommen sie keine gekühlten Medikamente. Und persönliche Fragen beantworten die auch nicht.“

„Und was ist mit Frau Northing? Ist die noch da?“, fragt Silke Hans in Richtung der Klever Bürgermeisterin. „Der Bedburg-Hauer Bürgermeister macht zumindest mal ‘ne Videobotschaft. Aus dem Klever Rathaus kommt ja gar nix.“

Wenig Akzeptanz bei alten Leuten

Ihre Apotheke an der Hagschen Straße ist zurzeit gefragt wie nie: An normalen Tagen kämen gut 250 Menschen in die Apotheke, jetzt seien es täglich über 350: „Aber glauben Sie bloß nicht, dass sich hier alle vorbildlich verhalten. Wir haben mindestens 20 Leute täglich, die sich über den Desinfektionsspender im Eingang lustig machen. Vor allem die älteren Leute. Hier wird gehustet und geprustet, was das Zeug hält. Auf der Straße sehe ich jetzt täglich zig alte Menschen, die da nichts mehr zu suchen haben. Die bleiben nicht zu Hause, die finden das draußen viel interessanter.“

Am Freitag sei ein Mann in ihre Apotheke gekommen, mit einem offenen Darmausgang: „Der erklärt mir in aller Seelenruhe, dass er irgendein Mittelchen braucht und dass er vorher noch zur AOK möchte und dann noch zu Scheerer muss. Und danach würde er noch mal vorbeikommen. Ich fasse das alles nicht.“

Beim Arzt werde kaum noch jemand reingelassen, aber alle müssten zur Apotheke. Stündlich werde jetzt der Kassenbereich mit Alkohol desinfiziert: „So eine Flasche kostet mittlerweile 40 Euro.“ Der Mundschutz, den sie noch nicht habe, koste jetzt im Einkauf sechs Euro. „Das ist sonst ein Cent-Artikel“. Und das alles müsse man bei einem chinesischen Händler per Vorkasse zahlen, mit Lieferung irgendwann im April.

Paracetamol wird knapp

Fakenews im Netz verschlimmern die Lage nur noch: „Jeder hat diese bescheuerte Poldi-Nachricht auf WhatsApp erhalten. An dieser Ibuprofen-Geschichte ist definitiv nichts dran. Und dann springt die WHO auch noch drauf an und zieht später alles wieder zurück. Chaos! Aber wir erhalten jetzt kaum noch Paracetamol. Das hat Folgen: Der Kinderarzt sagte mit, dass er in zwei Wochen keine Impfungen mehr durchführen kann, weil ihm Paracetamolzäpfchen für Kinder fehlen.“

Auf NRZ-Nachfrage teilte Dr. Wolfgang Brüninghaus mit, dass er sich jetzt Paracetamol in den Niederlanden besorgt habe. „Was wir jetzt gar nicht brauchen, ist, dass wir die Kinder gegen Masern nicht mehr impfen können.“ Brüninghaus sagte, dass er seien Patienten zurzeit nicht auf die Influenza testen könne, da er über keine Testsets verfüge. Ob die Patienten also die „normale“ Influenza oder Corana haben, könne er derzeit nicht abklären. In seiner Praxis wird nur noch ein Patient reingelassen, der Rest muss vor der Tür warten. In der Praxis selbst seien schon die Desinfektionsmittel aus dem Spender gestohlen worden.

In ihrer Apotheke hat sie Schutzscheiben aus Plexiglas aufgebaut und einen Desinfektionsspender hat sie sich selbst gebaut: „Einen Gartenpfosten aus dem Baumarkt habe ich dafür genommen“, sagt Silke Hans.