Kreis Kleve. Viele Unternehmen im Kreis Kleve werden von der Corona-Krise getroffen. Aufträge brechen weg, Kunden bleiben fern. Hilferufe bei der Sparkasse.
„Für unser Unternehmen ist das Coronavirus die Krise nach der Krise nach der Krise“, sagt Geschäftsführer Pascal Hagemann. Was sich beim ersten Hinhören wie ein Witz anhört, ist in Wahrheit eine ziemlich exakte Beschreibung der jüngeren Vergangenheit beim Uedemer Automobilzulieferer Mühlhoff. Nach den wirtschaftlich schwierigen Jahren 2017, 2018 und 2019 und dem Großbrand, der laut Polizei und Staatsanwaltschaft im vergangenen Dezember einen Schaden von 120 Millionen Euro anrichtete, setzt sich mit der Corona-Krise der Ausnahmezustand für das Unternehmen fast nahtlos fort.
Respekt für die Mühlhoff-Mannschaft
„Ich ziehe meinen Hut vor der gesamten Mannschaft, vor allem vor der Belegschaft, dass wir uns in den letzten zehn Wochen überhaupt in die Lage versetzt haben, heute über Corona sprechen zu können“, sagt Hagemann über den unbändigen Willen zum Wiederaufbau, nachdem ein ehemaliger Mitarbeiter nach bisherigen Erkenntnissen der Strafverfolgungsbehörden das Feuer vorsätzlich gelegt hatte.
Bedrohliche Krise droht
104 bestätigte Corona-Infektionen im Kreis Kleve
Am Donnerstag, 19. März, 15.30 Uhr, lagen dem Kreisgesundheitsamt 104 bestätigte Corona-Infektionen vor.
Davon sind zehn in Kalkar, fünf in Kleve, vier in Bedburg-Hau, zwei in Goch, zwei in Weeze, drei in Rees, 17 in Geldern, 18 in Issum, 14 in Kerken, neun in Kevelaer, zwei in Rheurdt, zwölf in Straelen und drei in Wachtendonk. Drei Fälle müssen noch zugeordnet werden.
Laut der Stadt Goch befinden sich elf Patienten zur stationären Behandlung im Krankenhaus.
Doch auf dem Weg zurück zur Normalität sieht sich Mühlhoff nun der nächsten bedrohlichen Krise ausgesetzt. VW, Daimler und BMW haben angekündigt, ihre Produktionen zu stoppen. Das hat direkte Auswirkungen auf Zulieferer wie Mühlhoff. „Bis jetzt produzieren wir noch ganz normal, ganz so als ob nichts wäre“, berichtet Pascal Hagemann. Die Abrufzahlen seien stabil. „Wir sammeln derzeit aber Rückmeldungen der Kunden und erwarten eine Veränderung. In der nächsten Woche wissen wir genauer, wie stark uns die Krise trifft“, sagt der Geschäftsführer. Dann werde der Zuliefererbetrieb, der selbst bislang noch keinen Coronafall in der Mitarbeiterschaft erleben musste, auch die angekündigten Hilfsmittel der Bundesregierung prüfen.
Trotz allem verbreitet Pascal Hagemann auch Optimismus: „Wir wären nicht Mühlhoff, wenn wir nicht auch in dieser Krise eine Chance sehen würden. Wir haben bewiesen, dass wir krisenerprobt sind.“
Jetzt wird kaum noch geflogen
Am Flughafen Weeze gibt es aktuell kaum noch Flugbewegungen. Geschäftsführer Ludger van Bebber teilt der NRZ mit, dass weitestgehend alle Flugbewegungen gestrichen wurden. Zurzeit werden nur noch Menschen aus dem Urlaub nach Hause geholt. Was das alles für den Flughafen bedeute, könne er jetzt noch nicht abschätzen: „Alle 24 Stunden ändern sich ja die Voraussetzungen“, so van Bebber.
Einige Unternehmen am Flughafen haben bereits Kurzarbeit angemeldet. Und auch die Flughafen GmbH selbst wird wohl bald Kurzarbeit bei der Bundesanstalt für Arbeit anmelden müssen. Ob der Flughafen unter diesen Voraussetzungen weitere Liquiditätszuschüsse benötigt, kann van Bebber nicht sagen: „So etwas kann man jetzt nicht seriös beantworten. Dafür müsse man erstens wissen, wie lange diese Krise noch dauert. Und zweitens wie sich das Geschäft nach der Krise entwickelt.“
Die Entwicklung ist zurzeit ein Albtraum
Zurzeit sei die Situation ein „Albtraum. Aber damit sind wir ja nicht alleine.“ Van Bebber zweifelt allerdings daran, dass die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen reichen werden, um die Unternehmen ausreichend mit Geld zu versorgen. Denn dabei handele es sich jetzt nur um Kreditvergaben, deren Risikoabdeckungen nicht zu 100 Prozent erfolgen. Die Banken sollen einen 20-prozentigen Risikoanteil tragen: „Wie viel Eigenkapital soll eine Bank denn vorhalten, um dies zu stemmen? Der Gedanke der Politik, die Liquiditätsengpässe von oben zu lindern, lässt sich meiner Meinung nach so nicht umzusetzen.“
Viele Unternehmen haben jetzt Liquiditätsschwierigkeiten
Ludger Braam, Sprecher der Sparkasse Rhein-Maas, bestätigt, dass die Risikobürgschaften für Kreditvergaben von der KfW-Bank nur zu 80 Prozent gewährt werden. Allerdings gebe man einen Kredit auch nur nach einer Prüfung. „Da liegt jetzt unser Vorteil, dass wir viele unserer Kunden auch kennen und einschätzen können“, so Braam. Es gehe jetzt nicht darum, das Geld wahllos zu verteilen. Allerdings habe man auch ein Interesse daran, die Kunden nicht in Schwierigkeiten kommen zu lassen: Schließlich hätten viele auch bestehende Darlehen, die zurückgezahlt werden müssen.
Viele Kunden hätten sich bereits bei der Sparkasse gemeldet, um sich über Liquiditätskredite zu informieren. Vor allem bei den kleinen Ein-Mann-Betrieben rechnet die Sparkasse mit schnellen Engpässen. Gefährdet seien Gastronomie und Einzelhandel, die jetzt abrupt kaum noch Einnahmen haben. Der Gesprächsbedarf sei enorm. Die Firmenkundenberater seien aber darauf eingestellt.
Viele Anfrage an die Sparkasse
Die Sparkasse kann sich auch vorstellen, bei bestehenden Darlehen, den Kunden entgegen zu kommen. Etwa, in dem man den Tilgungsanteil herunterfährt oder aussetzt. In den nächsten Tagen werde man auf der Internetseite der Sparkasse Rhein-Maas genauere Modalitäten für Unternehmen veröffentlichen. „So eine Situation haben wir alle noch nicht mitgemacht. Unser Anliegen ist es allerdings auch, die Mitarbeiter zu schützen. Daher unser Aufruf an alle Kunden: Überlegen sie gut, ob sie jetzt wirklich zur Sparkasse müssen.“
Das Baugeschäft läuft für das Klever Unternehmen Tönnissen zurzeit noch sehr gut. Alle Baustellen liefen weiter, so Geschäftsführer Frank Smola: „Wir können reibungslos arbeiten.“ Auch sehe man zurzeit noch keine Lieferengpässe bei Materialien. Alle Baustellen seien jetzt mit Hygieneartikeln ausgestattet. Kurzarbeit sei noch kein Thema. Problematisch könnte es mit den nachfolgenden Gewerken wie Elektriker oder Sanitär werden, wenn diese Lieferengpässe bei Bestellungen haben.