Kleve. Das Klever Sozialamt registriert einen steten Anstieg der Sozialhilfeleistungen. Nur 10 Personen hätten Anspruch auf die diskutierte Grundrente.

Marcel Erps blickt mit Sorge auf diese Entwicklung. Der Leiter des Fachbereiches Arbeit und Soziales der Klever Stadtverwaltung hält statistisch fest, dass für immer mehr Menschen die Rente im Alter nicht mehr ausreicht. Im Jahr 2019 haben in Kleve 920 Menschen Sozialhilfe bezogen. Zu dieser Gruppe gehören Menschen mit einer Erwerbsminderung und Personen im Rentenalter. 2018 war erstmals die Gruppe der Rentner am stärksten: Gut 50 Prozent der Sozialhilfeempfänger in Kleve sind auf eine Grundsicherung im Alter angewiesen.

Mit weniger als 389 Euro im Monat klar kommen

Das heißt: Da in der Regel kein oder nur geringes weiteres Einkommen vorhanden ist, stehen ihnen aus ihrer Rentenleistungen nach Abzug der Unterkunfts- und Heizkosten weniger als 409 Euro beziehungsweise bei Paaren weniger als 389 Euro pro Person im Monat zur Verfügung. Dadurch können Sie aufstockende Grundsicherungsleistungen beantragen.

Das ist nicht viel Geld. Und Marcel Erps erkennt, dass sich diese Entwicklung in den nächsten Jahren verstetigen wird. Für das Jahr 2020 rechnet er schon mit 1080 Sozialhilfeempfängern in Kleve, darunter wiederum viele Rentner. Im Jahr 2023 seien es dann 1140 Menschen.

Die Rentner auf dem Sozialamt nehmen deutlich zu

Viele Rentner müssen mit wenig Geld auskommen.
Viele Rentner müssen mit wenig Geld auskommen. © DPA

Die Rentner auf dem Klever Sozialamt nehmen eindeutig zu. Nach Ansicht von Marcel Erps spiegelt sich zum einen darin die Tatsache, dass die Gruppe der Menschen über 67 Jahre in Deutschland größer wird, und zum anderen ist die Erwerbsbiografie vieler Menschen sehr unterschiedlich. Das klassische Arbeitsleben hat in den letzten Jahren einen Wandel erlebt: Mini-Jobs, Teilzeit-Beschäftigung, Phasen der Arbeitslosigkeit und Erziehungszeiten führen dazu, dass die eingezahlten Beiträge und die damit erworbenen Rentenpunkte für eine Sicherung im Alter nicht ausreichen.

Erps verdeutlicht, dass die Höhe der Renten sehr unterschiedlich ist. Bei den Sozialhilfebeziehern gebe es Nettorenten zwischen 15 und 1200 Euro. Auch die Rentenarten sind divers: Es gibt die klassische Altersrente, die Unfallrente, Invalidenrente und andere Zusatzrenten. Unter den Sozialhilfeempfänger befanden sich 2019 immerhin 300 Menschen mit einer „normalen“ Altersrente.

Viele Arbeitnehmer schätzen ihre Rentenjahre falsch ein

Aus Erfahrung weiß der Klever Fachbereichsleiter, dass sich viele Arbeitnehmer bei den Beitragsjahren falsch einschätzen: „Da wird dann gerne behauptet, dass man 40 Jahre gearbeitet hat, aber tatsächlich waren es nur 30 Jahre“, berichtet Erps aus der Praxis. „Gefühlt haben viele unserer Kunden ein Leben lang gearbeitet. Aber der Rententräger muss sich objektiv die tatsächlichen Beitragsjahre anschauen“, sagt er. Im Durchschnitt läge die Altersrente in Deutschland für Frauen bei 991 Euro Rente und für Männer bei 1362 Euro.

Die aktuelle Diskussion über die Grundrente hält Erps unter den bislang bekannten Details für nicht geeignet, dem Problem Herr zu werden. „Viele Menschen, die aktuell Sozialhilfe beziehen, erfüllen einfach nicht die Voraussetzungen für eine Grundrente“, sagt er. Etwa die geforderten 35 Beitragsjahre oder das zu versteuernde Einkommen in Höhe von 1950 Euro im Monat für Paare. Erps hat dies für die Kreisstadt durchgerechnet und kommt zum ernüchternden Ergebnis: „In Kleve hätten von den Menschen, die aktuell Sozialhilfe nach dem SGB XII beziehen, vielleicht zehn Personen Anspruch auf die Grundrente.“

VdK sieht eine deutlich höhere Dunkelziffer

Svenja Weuster, Horst Vöge und Erika Heckmann vom Sozialverband VdK am Niederrhein.
Svenja Weuster, Horst Vöge und Erika Heckmann vom Sozialverband VdK am Niederrhein. © FUNKE Foto Services | Erwin Pottgiesser

Der Sozialverband VdK sieht die Entwicklung sehr kritisch. Svenja Weuster, Geschäftsführerin des Kreisverbandes Niederrhein des VdK, geht davon aus, dass die Dunkelziffer der armen Rentner deutlich höher liegt: „Viele Rentner trauen sich nicht, zum Amt zu gehen und Geld zu beantragen“, sagt sie. Der VdK bekäme nur in den Sprechstunden ein Gefühl für die Dimension, etwa wenn eine ältere Frau mit 600 Euro Rente einen Antrag für Zahnersatz stellen muss. „Diese Generation hat noch nie im Leben jemanden um Geld gebeten. Das tun sie auch im Altern nicht und sehen irgendwie zu, wie sie über die Runden kommt“, sagt Weuster.

Altersarmut trifft vor allem Frauen

Hauptursächlich für die Altersarmut ist die lückenhafte Erwerbsbiografie: „Wenn man sich die Zahlen genau anschaut, dann sieht man, dass vor allem Frauen betroffen sind. Frauen sind oft im Niedriglohnsektor beschäftigt und sind ganz klassisch für Familie und Pflege zuständig. Sie trifft es am härtesten“, sagt die VdK-Geschäftsführerin.

Aber auch immer weniger Männer schaffen es, die 35, 40 oder 45 Beitragsjahre vollzukriegen. Wer eine Erwerbsminderungsrente erhält, weil er krank ist, dem werden pauschal 10,8 Prozent abgezogen. Für Weuster ein Unding. Hier müsse die Politik dringend etwas ändern.

Die Grundrente wird das Problem nicht lösen

Der VdK hat mehrere Forderungen aufgestellt, um das Thema Altersarmut anzupacken. Die Kommunen selbst könnten nur wenig unternehmen. Die Themen Gesundheitsprävention und Rehabilitation seien ganz wichtig. Die Arbeitnehmer müssten so lange wie möglich im Erwerbsleben bleiben. Auch müsse das Rentenniveau stabil bleiben. Und entsprechend nicht weiter gekürzt werden.

Ab wann wird die Grundsicherung gewährt?

Die kommunalen Sozialämter prüfen die Bedürftigkeit. Die Angemessenheitsgrenze der Unterkunftskosten für einen alleinstehenden Rentner beträgt 450 Euro (Warmmiete), der Eckregelsatz beträgt aktuell 432 Euro, so dass sich als Richtwert ein Betrag von 832 Euro ergibt.

Weitere Voraussetzung ist, dass keine größeren Vermögensgegenstände vorhanden sind oder in den letzten zehn Jahren verschenkt wurden (z.B. Übertragung Eigenheim). Auch ein möglicher Wohngeldanspruch als vorrangige Leistung wird von den Ämtern überprüft.

Altersarmut hat konkrete Auswirkungen: „Der Lebensstandard ist für diese Rentner relativ gering, zumal auch die Ausgaben für Gesundheit tendenziell hoch sind“, sagt Weuster. Sie glaubt übrigens nicht, dass die diskutierte Grundrente das Problem lösen wird: „Das kann nur ein Einstieg sein.“