Kleve/Kamp-Lintfort. Hochschule in Kleve und Kamp-Lintfort „kann schon Internationalität“. Mehr Chancen für Forschung, Zahl der Studierenden begrenzen.

„Wir könnten mehr Studierende haben, wollen aber nicht mehr“, sagt die Vizepräsidentin für Internationales und Diversität an der Hochschule Rhein-Waal, Prof. Dr. Tatiana Zimenkova. Im Gegensatz zu vielen anderen Hochschulen hat die in Kleve und Kamp-Lintfort keine Zulaufprobleme. „Die meisten Hochschulen sind panisch, wie sie Studierende aus dem Ausland bekommen. Wir können das schon“, freut sich Zimenkova. „Das war zwar vor zehn Jahren nicht vorher zu sehen, hat uns aber zu Experten gemacht.“

Tatsächlich will die Hochschule Rhein-Waal mit ihren heute 7398 eingeschriebenen Wissbegierigen deren Zahl künftig zwischen 6000 und 7000 begrenzen. „Wir wollen mehr auf Qualität setzen“, kündigt Präsident Oliver Locker-Grütjen an. „Zum Glück geben uns Politik und Hochschulgesetz jetzt mehr Möglichkeiten.“

Bessere Betreuung angestrebt

Ein Dreisprung soll helfen. Numerus clausus, ein Propädeutikum, das angehende Studierende auf die Vorlesungen vorbereitet, und ein Selbsttest im Online-Assessment, was bei Ingenieur-Wissenschaften gerade in Mathe zeigt, worauf man sich einlässt. Außerdem sollen die Studierenden bis zum vierten Semester intensiver geleitet werde. Ziel ist eine Betreuungsrelation von 100 oder 110 Prozent. Zurzeit ist die Betreuungsquote 1:136. Zimenkova: „Das bedeutet, die Kurse sind zu voll, mit allen Konsequenzen“, auch in der mangelnden Zeit für Forschung. Die will die Hochschule Rhein-Waal, gegründet für praxisnahe Lehre, ihrem Lehrpersonal mehr einräumen. Ziele seien, langwierige Antragsverfahren zu verkürzen, 18 verpflichtende Semesterwochenstunden der Dozenten auf zwölf zu verkürzen, mehr Drittmittel einzuwerben (bisher nur fünf Prozent des Jahresbudgets). „Es gibt keinen Cent vom Land für Forschung. Wir versuchen, es uns vom Präsidium abzusparen“, sagt Kanzler Michael Strotkemper.

Der Präsident kündigt an, herauszuarbeiten, worin die Hochschule stark ist, und dieses fokussiert zu stärken. Eifersucht der Fakultäten befürchtet Prof. Dr.-Ing Peter Kisters, Vizepräsident für Forschung, Innovation und Wissenstransfer, nicht. Jeder Lehrende könne sich beteiligen. Man hoffe auf Synergieeffekte. Die Verbindung zu Unternehmen in der Region sei wichtiger denn je. Man profitiere von der Internationalität – junge Leute von sehe weit weg lebten bereits Risikobereitschaft allein durchs Hier-Studieren. „Eine Riesenchance für die Region! Die Bildungs-Ausländer sind zuversichtlicher, entspannter und motivierter, sich auch selbstständig zu machen“, beobachtet Kisters. „Wir ticken anders als andere Hochschulen.“

Es mangelt an Kontakt zu Klevern

Steuern will Locker-Grütjen die Internationalität. Denn manche Studiengänge haben mehr deutsche Aktive als andere, manche sind zwar durchmischt, doch es fehlten europäische Kommilitonen. Das Phänomen der sehr international aufgestellten Hochschule Rhein-Waal ist, dass es wenige Pendler gibt, sondern dass sehr viele ausländische Studierende tatsächlich hier wohnen. „Eine große Leistung der Stadt Kleve, hier entstand eine ganze Kleinstadt rund um die Hochschule“, lobt Strotkemper. Die jungen Leute wünschen Kontakt zur Bevölkerung. Daran mangele es noch. Die Einführungswoche „Freshers-Week“ soll in diesem Jahr erstmals mit einer Internationalen Woche der Stadt verbunden werden. „Wir leben Internationalität jeden Tag. Die Vielzahl der Kulturen ist erfrischend. Es beruhigt, dass das scheinbar geht.“ Dennoch gelte: „Wir dürfen die Kinder der Region nicht vergessen,“ so Zimenkova.

1800 neue Einschreibungen und 1048 Abschlüsse

An der Hochschule Rhein-Waal gab es für dieses Jahr 1800 neue Einschreibungen und 1048 Abschlüsse (nach vier bis fünf Jahren Studium), im Vorjahr 868 Absolventen. Das Verhältnis von Einschreibung zu Abschluss liegt landesweit bei 60-70 Prozent. „Im Vergleich liegt die Hochschule Rhei-Waal weit vorn“, so das Präsidium. 60 Prozent der Bachelor- und 78 Prozent der Master-Absolventen gelang sofort oder innerhalb der erste sechs Monate nach Abschluss der Einstieg in den Beruf.

In 2020 verfolge die Hochschule außerdem eine Nachhaltigkeit-Strategie, die über „Scientist for Future“ hinaus gehe, kündigt Locker-Grütjen an.

„Uns sind die Hände nicht gebunden“- Freiheit der Forschung gilt auch für AfD-Professor

Die Hochschule Rhein-Waal will in ihrer Präambel 2020 nicht nur die üblichen Regeln festschreiben (keine Kriegswaffenforschung etc.), sondern sich auch gegen Rassismus und Sexismus und „glasklar gegen Populismus positionieren“, sagt Präsident Dr. Oliver Locker-Grütjen. „Uns sind tatsächlich nicht die Hände gebunden. Wir können handeln, wenn ‘was passiert.“ Die weltoffene Hochschule Rhein-Waal sei nicht die einzige, an der AfD-Politiker lehren. Prof. Dr. Georg Bastian (lehrt Angewandte Optoelektronik und Laserphysik) ist Vorsitzender der AfD in Kleve. „Solange er sich nichts zu Schulden kommen lässt und solange die Partei beim Verfassungsschutz nicht unter Beobachtung steht,“ werde er nichts unternehmen, sagt Locker-Grütjen. Er wolle „nicht irgend jemanden zum Märtyrer machen.“ Sobald die Partei beobachtet werde, „haben alle Beamten in öffentlichen Ämtern ein Problem“. Die Meinungsfreiheit und Freiheit von Forschung und Lehre gelte es aber zu schützen. Locker-Grütjen nimmt „das elfte Gebot“ sehr ernst: „Du sollst nicht gleichgültig sein“. Er steht mit seinem Freund von der Uni Duisburg-Essen, Verfassungsrechtler Prof. Dr. Lothar Zechlin, in Kontakt.