Kleve. Susanne Klostermann von der NABU Naturschutzstation Niederrhein klärte Interessierte in der VHS über die Bedürfnisse von Insekten auf
Zugegeben: Als zeitungslesender Laie weiß man über Insekten nicht allzu viel. Man bemerkt sie meist erst, wenn sie im Haus herumfliegen oder im Keller herumkrabbeln, wenn sie nachts mit gezücktem Stachel um einen herumsurren oder draußen den Pflaumenkuchen angreifen. Klar, man weiß auch, dass es immer weniger von ihnen gibt und dass das schlecht ist fürs Ökosystem. Aber sonst?
Die eigene Ignoranz
Abhilfe schaffte da Susanne Klostermann von der NABU Naturschutzstation Niederrhein. Bei der Klever VHS zeigte die Biologin einem guten Dutzend Interessierten, was einem bislang alles durch die eigene Ignoranz entgangen ist. Insekten sind die dominante Artengruppe in Deutschland. Sie machen 33.000 von 45.000 Arten aus. So viele? Ups. „Kann das weg oder brauchen wir das?“, fragte Klostermann.
Natürlich brauchen wir sie. Das beginnt schon beim Bestäuben. Aber dass man für Kaffee in einigen Ländern ausschließlich Wildbienen einsetzen kann, während beispielsweise Kirschen in der Schweiz ausgerechnet Fliegen benötigen, ist dann schon überraschend. Es gibt Insekten, die Kadaver abbauen – sonst wäre der Erdboden mit Leichen gepflastert. „Viele Insekten sind eine Art Umweltpolizei“, sagte Klostermann. Angeblich haben manche Wespen bestimmte Hefen im Darm, die für das Entstehen von Weintrauben unerlässlich sind. Auf einen Gegenwert von 57 Milliarden Dollar pro Jahr beziffert man die Leistung der Insekten für den Menschen.
Kuhmist ist zu stark belastet
Und weil es so viele Insektenarten gibt, brauchen sie auch so unterschiedliche Umgebungen – und umgekehrt. Klostermann zeigte spannende Symbiosen von Tieren und Insekten, die wie gemacht sind füreinander. „Co-Evolution“ heißt das bei Biologen. „Pflanzen sind unglaublich effektiv beim Interagieren mit Insekten.“ Aber auch Totholz dient manchen Insekten als Nahrung, Falllaub, Kleintiere, Aas oder Kot. Wobei heutiger Kuhmist oft durch Medikamente so belastet ist, dass Insekten nicht mehr drangehen.
Damit Insekten Lebensräume in der Stadt finden, lässt man in den Parkanlagen Amsterdams die Pflanzen inzwischen länger stehen. So können die kleinen Tierchen darin überwintern. Man müsste auch Asphalt und Pflastersteine zurückbauen und Sandwege schaffen wie früher. Denn viele Arten graben sich ein. Was natürlich in Steingärten und auf Supermarkt-Parkplätzen nicht funktioniert. Man müsste die Lichtverschmutzung reduzieren, die manche Insektenarten die Existenz kostet. Weniger Auto fahren – denn immer noch geht viel Biomasse verloren, indem Insekten auf Windschutzscheiben prallen.
Es gibt viele Möglichkeiten
Wichtig ist: „Insekten brauchen große Lebensräume und nicht isolierte Einzelmaßnahmen.“ Eine Aufgabe für Kommunen und Landwirte. Die NABU will sich künftig auch um Firmengelände kümmern, hier sieht sie noch viele ungenutzte Möglichkeiten. Aber auch der Einzelne kann mehr tun: Obstsaft von Streuobstwiesen trinken, damit die sich für die Eigentümer auch rentieren. Oder heimische Schafprodukte kaufen, denn Schafe sind im Ökosystem unglaublich wichtig. Für den Garten ungefüllte Gartenpflanzen kaufen, die es allerdings kaum gibt – bei den meisten ist die Blütenblätterpracht auf Kosten der Fruchtblätter optimiert. Bleibt also viel zu tun, damit die kleinen Krabbler und Herumschwirrer es für unser aller Wohl wieder besser haben.