Kleve. 1. große Strafkammer des Landgerichts verurteilte niederländischen Darknet-Dealer zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten
Nach der Verkündung des Urteils flossen im Gerichtssaal die Tränen. Die Schwester streichelte weinend ihrem Bruder über die Schulter, die Mutter umarmte ihren Sohn, und von seiner Lebensgefährtin erhielt Richard W., da schon in Handfesseln bereits zum Abtransport in die JVA Köln-Ossendorf, einige Küsse. Die letzten für lange Zeit.
Die 1. große Strafkammer des Landgerichts Kleve verurteilte den 33 Jahre alten Niederländer wegen Einfuhr und Handelns mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen gleichgearteter Beihilfedelikte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten.
Der Angeklagte war geständig
„Das ist nicht wenig“, sagte der Vorsitzende Richter Jürgen Ruby zum Abschluss seiner mündlichen Urteilsbegründung. „Ich wünsche Ihnen, dass Sie die Zeit nutzen können, um sich eine ordentliche Zukunft aufzubauen.“
Die Verurteilung stützte sich im wesentlichen auf das Geständnis, dass Richard W. vor Gericht gemacht hatte. Demnach sei er zunächst nur der Gehilfe eines anderen Dealers gewesen. Dessen Identität kam während des Prozesses nicht zutage. Erst als dem großen Unbekannten das Geschäft zu heiß geworden sei (die Polizei hatte mehr und mehr Päckchen abgefangen), sei er selbst verantwortlich in den Drogenhandel eingestiegen, um sich aus seiner finanziellen Malaise zu befreien. Doch selbst in diesen zwei Monaten als Chefmanager (November/Dezember 2018) habe er keinen Zugriff auf die Finanzen gehabt.
„Wir gehen davon aus, dass dieses Geständnis richtig ist“, so Ruby. Dann führte er aus, dass in Strafrechtsverfahren der Staat die Beweislast trägt. Womit er wiederum zu diversen Lücken in der Beweiskette überleitete. Zuallererst einmal habe nicht geklärt werden können, so der Vorsitzende Richter, woher die Drogen überhaupt stammten. Sicher sei nur: „Es müssen weitere Personen beteiligt gewesen sein.“
3400 Fälle wurden rekonstruiert
Die Bankbelege von W., die zahlreiche Bareinzahlungen dokumentierten, ließ die 1. große Strafkammer auch nicht als Beweis für das florierende Geschäft mit den Drogen gelten. Es habe eben nicht festgestellt werden können, dass dieses Geld aus dunklen Geschäften stammt. Dieser Beweis ist auch nur schwer zu führen ist, weil in diesen finsteren Kreisen bevorzugt mit virtuellen Währungen gearbeitet wird. Doch dies sei W. nicht anzulasten, so Ruby: „Das kann nicht dazu führen, dass sich die Beweislast umgekehrt.“
Letztlich flossen aus den ursprünglich angeklagten 124 Fällen (das waren alle abgefangenen Sendungen) gut zwei Dutzend in das Urteil ein. Insgesamt hatte Staatsanwältin Lisa Klefisch von der Cybercrime-Abteilung der Staatsanwaltschaft Köln 3400 Fälle rekonstruieren können, die allein über die Darknet-Plattform Dreammarket dem Verkäufer „berlinmannschaft“ zugeordnet werden konnten. Hinter dem Nickname verbargen sich W. und sein Mittäter. Staatsanwältin Klefisch hatte in ihrem Plädoyer eine zehnjährige Haftstrafe gefordert, die Verteidigung des Angeklagten hielt eine sechsjährige Strafe für angemessen. Der 1. große Strafkammer entschied sich nach einem siebenwöchigen Prozess für einen Mittelweg.