Kleve.. Nach 40 Jahren geht Gerd Engler Ende des Jahres in den Ruhestand. Er hat viele Jahre die Suchtberatung der Caritas geleitet. Ein Rückblick.


Die Suchtberatung in Kleve hat in 40 Jahren einen großen Wandel durchlebt. Gerd Engler hat als Leiter der Caritas-Suchtberatung alle Höhen und Tiefen mitgemacht: „Die Anfänge der Suchtberatung gehen bis in die 70er Jahre zurück. Damals befanden wir uns noch an der Tiergartenstraße. Von da aus ging’s zur van den Bergh Straße und 2009 zur Hoffmanallee. Aus dem Stadtrand ins Zentrum vorgerückt sozusagen. Das freut mich.“

Früher wäre es ein Unding gewesen „mich mit einem Staatsanwalt an ein und derselben Podiumsdiskussion nebeneinander sitzend anzutreffen“, lacht er. Heute sei das selbstverständlich.

Mit gemischten Gefühlen in den Ruhestand

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge schaut er auf vier Jahrzehnte zurück. „Ende 2019 höre ich auf“, verrät der fünffache Vater und bald siebenfache Großvater im Gespräch mit der NRZ. „Mit deutlich gemischten Gefühlen. Meinen Beruf und die Arbeit mit den Klienten habe ich immer in meinem Mittelpunkt gesehen.“ Ein Mittelpunkt, der viel bewirkt hat und in dem sich seit Ende der 70er Jahre Drogen, Süchte und Schicksale quer durch alle Gesellschaftsschichten begegnet sind.

Die erste Beratungsstelle wurde in Trägerschaft des Caritasverbands 1978 durch Pater Ton Bakker in Kevelaer gegründet. „Wo viel Frömmigkeit ist, da wird auch viel getrunken“, hatte er den ersten Standort damals begründet. Kleve war also der zweite Beratungsstandort (1979) und Engler stieg dort 1980 hauptamtlich ein. Emmerich folgte erst sehr viel spät, nämlich 1992 mit einer Beratungsstelle.

Alkohol ist immer noch die Droge Nummer 1!

Engler: „Wir waren übrigens die ersten, die von Anfang an nicht zwischen Drogenberatung (illegale Drogen wie z.B. Heroin) und Suchtberatung (legale Drogen wie z.B. Alkohol) unterschieden haben.“ Deswegen wählte die Caritas auch die Bezeichnung „Beratungsstelle für Suchtkranke“. Alkohol war und ist übrigens immer noch die Nummer eins in Sachen Suchtmittel. Früher gefolgt von Heroin, heute eher abgelöst durch Amphetamine. Mittlerweile sind ja auch ganz andere Süchte hinzugekommen. Kauf-, Internet-, Spielsucht zum Beispiel oder Essstörungen.

Ist Kaufsucht eine Krankheit?

Doch zur Frage, was ist eigentlich eine Sucht, hat Gerd Engler eine eigene Meinung: „Also Sucht geht zurück auf das mittelhochdeutsche ‘Siech’, also Krankheit. Daher kommen Bezeichnungen wie Fallsucht, Gelbsucht. Das sind ja keine Sehnsüchte, sondern eben Krankheiten. Ich frage mich schon, ob beispielsweise die Kaufsucht eine Krankheit ist.“

Aber mit dem Wachstum der Suchtvariationen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten auch mehr Beratungsstellen entwickelt. Für fast jede Sucht-Form und Sucht-Frage gibt es mittlerweile besonders geschulte Experten, die helfen können. Und die Suchtberatung der Caritas arbeitet auch eng mit den verschiedensten Selbsthilfegruppen und anderen Beratungsstellen (z.B. Impulse in Goch) zusammen.

Es gibt weniger Drogentote

Im Vergleich zu den Anfangsjahren gibt es weniger Drogentote: „In den 80ern fielen dem Heroin bis zu 20 Menschen jährlich zum Opfer. Das ist vorbei, seit es die Substitutionstherapie (Methadon statt Heroin) gibt, die hier zu sehr emotionalen Diskussionen geführt hatte.“ Heroinabhängige gibt es immer noch, aber die Tendenz ist leicht rückgängig. Beim Alkohol ist der Missbrauch ungebrochen hoch“, weiß der Fachmann. „Regelrecht auf dem Vormarsch ist der Konsum von den sogenannten Partydrogen, die aufputschen, in Kombination mit Cannabis, das beruhigend wirkt.“