Kleve. Die Künstlerin Talisa Lallai ist aktuelle Preisträgerin des Werner Deutsch Preises für Junge Kunst. Ihre Bilder sind im Kurhaus zu sehen.
Undurchdringlich scheint die grüne Wildnis, in der teils riesige exotische Pflanzen, wunderschöne Flamingo Blumen oder üppige Bananenstauden wachsen und dem Betrachter einen unverhofften Ausflug in die Tropen gestatten. Wandfüllend ist die beeindruckende Fotografie des Dschungels im Obergeschoss des Friedrich Wilhelm Bades im Museum Kurhaus Kleve, wo seit gestern Abend die beeindruckenden Arbeiten der aktuellen Preisträgerin des Werner Deutsch Preises für Junge Kunst, Talisa Lallai, zu sehen sind.
Ein Blick in den Dschungel
Schnell allerdings holt die in Düsseldorf lebende Künstlerin den Besucher auf den durchaus harten Boden der Realität zurück. Natürlich sind es tropische Motive, die sie nutzt, ist es der schöne Tukan oder die fast reife Bananenstaude, die sie zeigt. Nur, dass die Fundorte ihrer Bilder die Orangerie von Schloss Schönbrunn in Wien oder die botanische Masoalahalle in Zürich sind, in denen die echten Tropen letztlich ‘nur’ nachgebaut wurden. Die Fotografie Lallais sieht auch nur so aus, als sei hier ein Blick in den Dschungel festgehalten worden und ist dabei nur die Vorstellung von etwas Echtem, ein Spiegel der Realität.
Geschichten von Eroberungen und Kolonialisierung
Hier setzt die Arbeit der 1989 geborenen Künstlerin an. Mit gefundenen und selbst gemachten Fotografien stellt sie historischen Bildern und Vorstellungen von Exotik ihren zeitgenössischen Ansätzen gegenüber. Sie legt frei, was sich hinter ihnen verbirgt, oft genug verklärende Geschichten von Eroberung und Kolonialisierung.
„Lallais Arbeiten erzählen von der totalen Verfügbarkeit der Tropen im Rest der Welt“, sagt Museumsleiter Prof. Harald Kunde, der gemeinsam mit dem Stifter des Preises, Werner Steinecke, und Museumsmitarbeiterin Susanne Figner die Jury für den Deutsch-Preis bildet. Es war um 1800 der Forschungsreisende Alexander von Humboldt, der ausgedehnte Reisen unter anderem nach Lateinamerika unternahm, gut 150 Jahre vor ihm bereiste Johann Moritz von Nassau-Siegen Brasilien, ehe er ab 1647 Statthalter in Kleve wurde. Beide brachten exotische Pflanzen und Tiere mit nach Europa, hüllten dies in den Mantel wissenschaftlicher Recherche. Dass es sich jedoch um die Aneignung und Einnahme neuer Gebiete und um exzessive Kolonialpolitik handelte, macht Talisa Lallai explizit deutlich durch eine Abbildung eines Theodoliten (Gerät zur Vermessung von Land). „Für sie“, so Kuratorin Susanne Figner, „ist das Gerät Sinnbild für die Politik der Kolonialisierung.“
Tropische Motive in Szene gesetzt
Lallai führe einen „eminenten zeitgenössischen Diskurs und schreibe die Aufarbeitung jener Zeit mit künstlerischen Mitteln fort“, ergänzt Kunde. Es gehe ihr darum, zu zeigen wie tropische Motive in Szene gesetzt wurden, erklärt Figner. Ihre Bilder werden mit einer geläufigen Bedeutung gefüllt. So kenne wohl jeder die von Lallai abgebildete Aloe Vera Pflanze, sagt Figner. Sie gelte nicht nur als Inbegriff von Exotik, sondern sei längst auch ein etabliertes und vereinnahmtes Lifestyle-Produkt.
Talisa Lallai fotografiert analog und spielt damit, wie ein Bild gesehen wird und wie es wirkt – etwa wenn eine kleine Briefmarke aus Madagaskar in einem Rahmen ‘festgehalten’ wird. Für Lallai ist die Art ihre Bilder zu zeigen wesentlicher Bestandteil ihres Werks. Neben ihren Fotografien zeigt das Museum Kurhaus in zwei Räumen des Friedrich Wilhelm Bades einige Objekte und Videoarbeiten.
Preis in Gedenken an Werner Deutsch
Zur Ausstellung „Post Tropical“ gibt es eine schöne Edition in einer Auflage von 25 Exemplaren zu je 315 Euro. Mit dem Erlös möchte Talisa Lallai ein Künstlerbuch im Stil der alten Merianhefte finanzieren. Der Werner Deutsch Preis wird seit 2012 in Gedenken an den Psychologieprofessor und Kunstliebhaber verliehen und ist mit 3000 Euro dotiert.