Kleve/Goch. . Zeuge beschuldigte den Klever der Mitarbeit auf einer Cannabis-Plantage in Goch. Staatsanwalt fordert vergeblich fast vier Jahre Haft.

Einen Moment braucht der 52-Jährigen, bis er die Tragweite der gerade gehörten Nachricht begreift. Freispruch! Dann schlägt er die Hand vor seinen Mund, blickt ungläubig durch Saal 103 des Klever Landgerichts und atmet schließlich einmal tief ein und wieder aus.

Fast vier Jahre Gefängnis hatte die Staatsanwaltschaft gefordert, weil sie davon überzeugt war, dass der Klever von Dezember 2014 bis März 2015 mit weiteren Tätern eine Cannabis-Plantage in Goch betrieben habe. Der Angeklagte stritt dagegen jede Beteiligung ab und sah sich zu Unrecht beschuldigt von seinem Bekannten, der für den aufgeflogenen Marihuana-Anbau in einer Halle im Gewerbegebiet an der Siemensstraße bereits mehrere Jahre hinter Gittern verbrachte. Die Polizei fand in einem abgetrennten Teil der Halle die professionelle Anlage mit 600 erntereifen Pflanzen (12,1 Kilogramm Marihuana) und weitere 8,53 Kilogramm bereits abgeerntetes Marihuana.

Wir haben Zweifel am Wahrheitsgehalt

Auch die 1. große Strafkammer glaubte dem Zeugen nicht, der den Angeklagten schwer belastete, sich dabei aber in Widersprüche verstrickte. „Wir haben Zweifel am Wahrheitsgehalt, die wir nicht überwinden können“, sagte der Vorsitzende Richter Jürgen Ruby in seiner Urteilsbegründung.

Die ungläubige Erleichterung des Klevers, der zuletzt in U-Haft saß, offenbarte, wie schwer der Druck im Prozess auf ihm gelastet haben muss. Am ersten Verhandlungstag war der Hauptzeuge durchaus überzeugend aufgetreten und hatte den Angeklagten als „Mitläufer“ bezeichnet, der zusammen mit ihm für einen niederländischen Betreiber auf der Plantage gearbeitet habe. „Er hat die Abläufe lebensnah und realistisch dargestellt“, sagte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer, der Rache als Motiv für die sich im Laufe der Zeit verändernden Zeugenaussagen nicht erkennen wollte. Das sei eine Nebelkerze der Verteidigung.

Aussagen ändern sich

Der Verurteilte hatte nach seiner Festnahme erst eine Tatbeteiligung bestritten, dann die Schuld allein auf sich genommen und im Juni 2016 plötzlich unter anderem den Namen des nun Angeklagten gegenüber den Ermittlungsbehörden genannt. Vor Gericht erklärte er den auffälligen Wandel damit, dass er reinen Tisch machen wolle und sich sein alter Freund zudem illoyal während seiner Haftzeit verhalten habe.

„Er hat sich eine Geschichte ausgedacht“, stellte der Verteidiger hingegen fest. Bei wie vielen Ernten sein Mandant mitgeholfen habe und wie die Drogen genau aufgeteilt worden seien, habe der Zeuge sehr unterschiedlich beantwortet. „Alle seine Angaben konnten nicht verifiziert werden“, sagte auch der Vorsitzende Richter.

DNA-Spuren auf den Arbeitshandschuhen

Als belastendes Beweismaterial führte die Staatsanwaltschaft jedoch außerdem Arbeitshandschuhe ins Feld, auf denen DNA-Spuren des Angeklagten gefunden worden waren. „Jeder hat die Handschuhe benutzt und dann irgendwo liegen gelassen“, so der Mann, der seinem Sohn in dessen ebenfalls in der Gocher Halle untergebrachten Kfz-Werkstatt half. Die Beweisaufnahme stützte diese Erklärung. „Der Beweiswert der Handschuhe geht damit gegen null“, stellte Ruby fest.