Goch/Kleve. . Zwei Gocher gestehen, Marihuana und mehr im großen Stil verkauft zu haben. Das Motiv: wirtschaftliche Not. Prozessfortsetzung Ende des Jahres.
Die Lebensgeschichte, die die 32-Jährige von ihrem Verteidiger Dr. Patrick Gau verlesen lässt, rührt die Angeklagte irgendwann selbst zu Tränen. Die Erinnerungen an die Kindheit in Goch kommen zurück, als sie – die Tochter einer Prostituierten – vom alkoholabhängigen und gewalttätigen Adoptivvater oft ohne Grund über Nacht in den Keller eingesperrt wird. Die spielsüchtige Mutter gibt sie als junges Mädchen auch zu anderen Männern, die „sich an ihr vergingen“, wie der Anwalt vorliest. Mit 14 Jahren zieht sie von zu Hause aus, da hat sie bereits ihre ersten Joints geraucht. Die eigene Tochter gibt die Frau mit zwei Jahren in eine Pflegefamilie, schließt ihre Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau erfolgreich ab und lernt 2014 den Mann kennen, der nun neben ihr auf der Anklagebank sitzt.
Imbissgeschäft läuft schleppend
Befangenheitsantrag zurückgewiesen
Zu Beginn stellte Verteidiger Dr. Patrick Gau einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Gerhard van Gemmeren. Dieser habe zwar keine Bedenken gegen den Wunsch seiner Mandantin geäußert, ihren Verlobten in der JVA zu heiraten – wenn die Heirat nach der Hauptverhandlung stattfinde. Der Richter gehe also bereits davon aus, dass sie in Haft bleibe, so der Anwalt.
Die 2. große Strafkammer wies das Befangenheitsgesuch als unbegründet zurück.
Die beiden Gocher lieben sich, leben zusammen und probieren gemeinsam diverse Drogen aus. Aus sechs, sieben Joints und auch Amphetaminen besteht jeweils die tägliche Dosis. Die Frau versucht, sich mit einem Imbisswagen eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen, doch trotz einiger Mühe läuft das Geschäft mit Pommes und Currywurst auf den Supermarktparkplätzen nur schleppend. Weil auch der Verdienst ihres 25-jährigen Verlobten, der als Produktionshelfer arbeitet, überschaubar ist, suchen die beiden ihr Glück im Drogenhandel. Der führt sie auf die Anklagebank des Landgerichts Kleve.
Über ihre Verteidiger gesteht das Paar, was in der Anklageschrift geschrieben steht. Mit einem Arbeitskollegen holt der Gocher die 32-Jährige an einem frühen Abend im August 2017 von einem Supermarkt in Kalkar ab, wo sie ihre Snacks verkaufte. Im Kofferraum liegt eine gelbe Tasche, darin versteckt knapp ein Kilo Marihuana, das er zuvor von einem Drogenlieferanten erhalten hat. Seine Freundin habe davon nichts gewusst, beteuert er.
Polizeikontrolle vor der Post in Goch
Auf Höhe der Postniederlassung in Goch kontrolliert die Polizei das Auto. Die Beamten finden auch einen Schlagring und zwei Pfeffersprays, später in der Wohnung zudem weitere Drogen und fast 4000 Euro Bargeld. Der verzweifelte Fluchtversuch der Frau endet schnell. Die Ermittler heben schließlich im April 2018 ein Drogenlager der beiden in Goch aus. Noch am gleichen Tag werden sie festgenommen.
Die U-Haft und vor allem die monatelange Trennung belasteten sie sehr, sagen beide. Der Drogenentzug im Gefängnis sei anfangs schwierig gewesen, mittlerweile aber auszuhalten. „Ich will damit nichts mehr zu tun haben“, versichern die Angeklagten fast wortgleich dem Vorsitzenden Richter Gerhard van Gemmeren, der wegen des immensen Drogenkonsums vor der Verhaftung ein Gutachten zur möglichen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erstellen lässt. Der Prozess soll im Dezember fortgesetzt werden.