Emmerich. . Der Rhein sorgte für gute Geschäfte von der Nordsee bis zur Schweiz. Für die Menschen war er lange ein unüberwindbares Hindernis.

Der Rhein ist der mythischste aller deutschen Flüsse. Legenden ranken sich um seine Stade. Die Loreley sei stellvertretend als bekannteste erwähnt. Der alte Vater Rhein prägte ganze Landstriche. Dabei stellte er jahrelang als Schifffahrtsstraße eine wichtige Verbindung von Nordsee bis zur Schweiz her.

Doch wo er auf der einen Seite der große Verbinder war, war der Rhein auch der große Trenner. Für die Menschen, die an den Ufern des Stromes beheimatet waren, endete jahrhundertelang die für sie bekannte Welt dort, wo die Rheinwellen den Strand berührten.

Auch der gemeine Emmericher war bis in die 60er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts auf die Fähre angewiesen, wollte er linksrheinischen Boden betreten. Eine Ausnahme war lediglich das heute nahezu undenkbare Naturschauspiel, wenn der Rhein im Winter komplett zufror. Dann wurden im besten Sonntagsgewand die Eisschollen überwunden und von der Rheinpromenade in Richtung Gönne Kant marschiert.

Fahrplan der Fähre bestimmte Tagesrhythmus

Im Normalfall blieb aber nur die Fähre, die ihren regulären Anlegepunkt auf Emmericher Seite auf Höhe des heutigen Steigers der Köln-Düsseldorfer an der Martini-Kirche hatte. Zudem gab es noch einen weiteren Steiger oberhalb der regulären Anlegestelle, der genutzt wurde, wenn der Wasserstand es nicht anders zuließ. Wer die Fähre betrat, zahlte dort seinen Obolus für die Überfahrt.

Für jeden, der den Rhein regelmäßig überqueren musste, bestimmte der Fahrplan der Fähre den Tagesrhythmus. Obwohl Emmerich bis 1973 dem Kreis Rees angehörte und Kleve keinerlei verwaltungsseitige Gewalt über den rechten Niederrhein ausübte, war die Schwanenstadt unter anderem mit seiner Schuh- und Lebensmittelindustrie ein gefragter Arbeitsplatz.

Dass in der Nachkriegszeit der Lohn noch bar ausgezahlt wurde, freute dann besonders die Schanklokale an der Emmericher Rheinpromenade. Vor allem die Gaststätten, die in unmittelbarer Nähe zur Anlegestelle der Fähre beheimatet waren, verdienten sich an Zahltagen ein goldenes Näschen, wenn die durstigen Arbeiter direkt nach der Rheinüberfahrt dort ihr Feierabendbierchen schlürften.

Nur in Wesel und Nimwegen waren Brücken

Gewachsene Strukturen in den verschiedensten Bereichen haben auch heute noch in der Unüberwindbarkeit des Rheins ihren Ursprung. Ein Beispiel: Die Emmericher Fußball-Vereine gehören dem Kreis Rees-Bocholt an. Spiele mit linksrheinischen Mannschaften waren früher somit absolute Ausnahmen. Aus ganz praktischen Gründen.

Denn in den 1950er-Jahren spielte dann doch mal eine Jugendmannschaft des VfB Rheingold auswärts bei Viktoria Goch. An das Ergebnis des Spiels können sich die Beteiligten nicht mehr erinnern, aber an die Rückreise. Denn die Rheingolder kamen nach 22 Uhr an der linken Rheinseite an den Anleger der Fähre. Der Fährbetrieb ruhte: Feierabend. Da es zu dieser Zeit auch in Rees noch keine Brücke gab, hieß es einen riesigen Umweg in Angriff zu nehmen. Denn nur in Wesel und Nimwegen waren Brücken, die das Passieren zu jeder Tages- und Nachtzeit erlaubten.

>>UNSERE NEUE SERIE

Der Rhein trennt Emmerich und Rees vom Kleverland. Doch in der neuen Serie „Seitenwechsel“ möchte die NRZ die Themen beleuchten, wo Menschen, Firmen, Vereine und Freunde den Rhein überquert haben. Ob der Umzug auf die Gönne Kant, die Fusion zweier Firmen von beiden Rheinseiten, Berufspendler, die tägliche Buslinie über den Rhein oder die B67n, die bis heute nicht lückenlos gut ist – die beiden Rheinseiten verbindet mehr, als manch einer sich eingestehen will. Und das wird unser Thema sein.