Kleve. . Im Projektraum Bahnhof 25 reisen zwei Künstler auf ganz verschiedenen Wegen ins Innere der Existenz. Die Ausstellung läuft bis zum 15. Juli.

Der Projektraum Bahnhof 25 ist immer wieder für Überraschungen gut. Die neue Ausstellung zeigt Kunst am Rande des Bewusstseins. Zwei Künstler, zwei Generalangriffe aufs Existenzielle. Und das überhaupt nicht mit Schockierendem oder irgendwelchen Tabubrüchen. Die Kunst hier ist vielmehr Mittel als Zweck und damit im besten Sinne modern: Sie wirft den Betrachter auf sich selbst zurück.

Institut für künstlerische Bildforschung

Im Klartext: Elmar Mauch bezeichnet sich als Bildforscher, er hat sogar ein Institut für künstlerische Bildforschung gegründet. Was das ist? Ein gigantisches Archiv von Fotografien, zusammengesammelt auf allerlei Flohmärkten oder gerettet vor dem Wegwerfen. „Bilder, die ihren Adressaten verloren haben“, sagt Mauch. „Ein Archiv der verwaisten Bilder.“ Porträts von Personen, die niemand mehr kennt. „Auf den Fotografien schauen sie in die Zukunft, aber ihre Zukunft ist für uns Vergangenheit.“ Was Mauch nun macht, ist eine Art Intensivierung der Fotografie. Er manipuliert sie digital oder auch analog, verändert Bildausschnitte, Konturen, Tiefe, kombiniert sie mit anderen Fotografien, überlagert sie, alles mit dem einen Ziel: „Ich will das Gefühl haben, dass sie anfangen zu leben.“

Und so ist man sich auf einmal den Blicken Unbekannter ausgesetzt, während man sie anschaut, man spaziert geradewegs in ein Labyrinth von Blicken und fremden Gedanken: Denn während man ein Porträt ansieht, denkt man unversehens über die mögliche Geschichte des fotografierten Menschen nach, und mit etwas Fantasie kann man die Rollen tauschen – dann ist man selber derjenige, der erwartungsvoll in eine vergangene Zukunft starrt.

Erinnerungen aus dem Tiefschlaf

Nicht minder spannend ist der Ansatz von Virgile Novarina. Der französische Künstler hat ursprünglich Mathematik und Physik studiert, war Ingenieur, bevor ihm auffiel, dass da etwas in seinem Leben ist, auf das er keinen Zugriff hat: der Schlaf. Ihn interessiert der Tiefschlaf, denn auch dort arbeitet das Gehirn, setzt Farben, Formen oder Worte frei, allerdings nicht verpackt in Geschichten. Novarina hat Zettel und Stift neben sich liegen, wenn er schläft, und sobald er sich umdreht und für einen Moment wach ist, schreibt er auf, woran er sich erinnert. Das können Rechtecke sein oder Worte: „Pourquoi – ich wäre“ steht auf einem Zettel, tatsächlich eine zweisprachige Erinnerung. Das nachts Notierte schreibt er tagsüber noch einmal sauber darunter. Das Ergebnis ist eine Galerie des Unbewussten, über 5000 Blätter hat er auf diese Weise schon gefüllt.

Übrigens schläft Novarina drei Tage lang im Schaufenster der Galerie, man kann ihn ab 23 Uhr beim Schlafen beobachten. Das Verdrängte macht er offensichtlich, die 14 Jahre, die er mit seinen 42 Jahren bislang verschlafen hat. Eigentlich, das zeigt diese Ausstellung, ist es hochgradig merkwürdig zu existieren.

Die Ausstellung im Projektraum Bahnhof 25 ist bis zum 15. Juli jeweils samstags und sonntags von 13 bis 17 Uhr zu sehen.