Weeze. . Weltflüchtingstag – beim Weezer Hundesportverein wurden Kinder mit Migrationshintergrund an die Vierbeiner herangeführt
Veronika Brückner weiß um die Angst vieler ihrer Schützlinge vor Hunden. Allen voran großen Hunden. Denn die Deutschlehrerin unterrichtet an der Gesamtschule Kevelaer-Weeze die Flüchtlingsklasse und erfährt viel von den Kindern, die alle schwere Schicksale erlebt haben. So weiß sie auch, dass die Jungen und Mädchen erst einmal behutsam mit den Sitten und Gebräuchen ihrer neuen Heimat Niederrhein vertraut werden müssen. Und mit der Tatsache, dass in Deutschland Haustiere Familienmitglieder sind und ganz anders behandelt werden, als in den Heimatländern der Flüchtlingskinder.
Viele Kinder trauten sich nicht
Da kam die Einladung des Hundesportvereins GHSV Weeze gerade recht, doch einmal einen unbeschwerten Nachmittag auf dem Hundeplatz zu verbringen und Einblicke ins Training zu bekommen. Drei Tage vor dem offiziellen Weltflüchtlingstag der UN trauten sich zwei Jungs und drei Mädchen zu den Vierbeinern auf den Platz. Zuvor hatten die meisten der ursprünglich angemeldeten 15 Jungen und Mädchen noch einen Rückzieher gemacht. Bis auf die fünf, die sich dann doch mit ihrer Pädagogin Veronika Brückner per Fahrrad auf den Weg gemacht hatten.
Über die Gründe konnte die engagierte Lehrerin nur spekulieren. „Aber sicher ist, dass die meisten Flüchtlingskinder wirklich große Angst vor Hunden haben. Einer aus meiner Klasse wurde in seiner ursprünglichen Heimat, aus der er vor Terror, Krieg und Verfolgung flüchten musste, von einem Hund schwer verletzt. Die Narben sind noch heute sichtbar.“ Und haben sich natürlich tief in die Kinderseele gefressen. „Das wird bei einigen der Jungen und Mädchen mehrere Anläufe brauchen, bis sie sich wirklich mit auf den Hundeplatz trauen“, ergänzte sie. Zumal „Hundeplatz“ ihnen fremd ist. Und allenfalls mit Drill verwechselt wird, wo die Hunde „scharf“ gemacht werden und mit einem rauen Befehlston zur Unterordnung gezwungen werden. Auf dem Platz am Hamscher Weg wurden sie eines besseren belehrt.
Brückner berichtete im Gespräch mit der NRZ, was ihr im Unterricht besonders aufgefallen war: Viele Flüchtlingskinder haben ein für uns befremdliches Verhältnis zu Hunden. „In deren Heimatländern werden Hunde eher misshandelt als geachtet. Mir ist es wichtig, dass die Kinder unsere Werte kennenlernen – auch im Umgang mit Haustieren. Und deshalb wollte ich den Hundeplatz in Weeze besuchen.“
Gesagt getan. Neben dem Vorsitzenden Wolfgang Feddema, der die Gruppe willkommen hieß, kümmerten sich viele Vereinsmitglieder um die Gäste. Es brauchte einige Zeit, bis sich beispielsweise die kleine Madlin, eine Jesidin aus dem Irak, traute, näher an die große Mischlingshündin Finja heran zu gehen. Dabei half ihr die erst siebenjährige Mia, jüngstes Mitglied im Verein. Denn sie führt die erfahrene Finja im Sport. Staunen darüber, dass der Hund völlig ruhig und an lockerer Leine seiner kleinen Herrin Mia folgte, ohne sie umzureißen. Madlin, die seit fast drei Jahren in Deutschland lebt, war es neu, dass man Hunde belohnt und ihnen Käsestückchen zusteckt, um ihre Motivation zu steigern.
Im Irak hatte ihre Familie selbst einen großen schwarzen Hund, der aber weder gefüttert noch besonders beachtet wurde.
In der Heimat galten Hunde als „unrein“
Mit ihrem Vater stand die zurückhaltende zwölfjährige Roghaye aus Afghanistan auf dem Hundeplatz und brauchte ebenfalls Zeit, um sich an die Minibullterrierhündin Hilde zu wagen. Als Moslem ist sie damit aufgewachsen, dass Hunde „unreine“ Tiere sind. Zwar lebten auch bei ihrer Familie Hunde, aber nicht als Haustiere in unserem Sinne, sondern als draußen lebende Selbstversorger, die eben einfach da waren. Die kleine, weiße Hilde zeigte sich allerdings von ihrer charmantesten Seite und legte sich vor dem Mädchen einschmeichelnd auf den Rücken.
Auch der 15-jährige Syrier Kriss aus Aleppo kannte Hunde von daheim, denn sein Onkel hatte gleich drei davon. Die Nähe mit den Hunden, wie sie beim Sport in Weeze trainiert wird, war ihm anfangs allerdings auch unheimlich. Doch mit Sportlerin Sigrid und ihrem erfahrenen Sporthund Wolf traute er sich abschließend sogar mit dem Hund eine Hindernisbahn zu bewältigen.
Erst drei Monate in Deutschland
Als Hundefan outete sich die 14-jährige Naya aus Syrien, sehr zur Überraschung ihres Bruders Joud (16). Beide lebten in Damaskus und sind erst drei Monate in Deutschland. Der Flatcoated Retriever Askaya – vierbeiniger Sportpartner von Lysanne Hanings – hatte es ihr angetan. Sie spielten unbeschwert und leidenschaftlich miteinander. „Es war sehr schön, dass die Kinder den Hund einmal aus einer anderen Sicht, nämlich als Sportpartner und echten Teamkollegen, kennen lernen konnten“, freute sich Veronika Brückner.
Die Einladung, auch einmal mit den bislang noch zu ängstlichen anderen Flüchtlingskindern ihrer Klasse beim Hundeplatz vorbei zu schauen, nahm sie nur zu gerne an. Naya, Joud, Roghaye, Madlin und Kriss sind jetzt bestimmt die besten Werbeträger, um dabei zu helfen in Sachen „Hund“ Vorurteile abzubauen.