Kleve. . Nach Ausbruchversuch aus Forensik in Bedburg-Hau: Angeklagte müssen für achteinhalb und siebeneinhalb Jahre ins Gefängnis.

Lange Haftstrafen haben die beiden Männer abzusitzen, die beim Ausbruchversuch aus der Forensik der Landesklinik Bedburg-Hau am 27. Mai 2017 einen Pfleger als Geisel nahmen. Sie hatten ihn schikaniert und verletzt (sie schnitten sein Ohr an), um vergeblich die Öffnung der Außentür zu erpressen.

Entziehungstherapien  in Bedburg-Hau

Die Verurteilten waren zu Entziehungstherapien in Bedburg-Hau untergebracht. Sie hatten ihre Rauschgiftsucht mit Diebstählen und Raub finanziert.

Eine erneute Entziehung lehnten beide ab. Dies sah auch das Gericht als nicht erfolgversprechend an.

Obwohl beide Angeklagten den gleichen Anteil an der Schuld auf sich nahmen, gab es unterschiedliche Strafbemessungen. Denn der hünenhaften Patient W. ist einschlägig vorbestraft. Er muss nun Reststrafen absitzen, die bis 2023 vollstreckt werden, erst danach beginnt die am Montag von Richter Gerhard van Gemmeren verhängte Strafe von achteinhalb Jahren wegen Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Der 36-jährige F. muss für sieben Jahre und sieben Monate ins Gefängnis. Staatsanwalt Schmäring hatte elf Jahre bzw. sieben Jahre beantragt: „Geiselnahme ist knapp unterhalb Kapitalverbrechen“.

Pfleger leidet immer noch unter den Folgen

Wie vor drei Wochen am ersten Prozesstag ausführlich verhandelt, hatten die beiden Männer, die sich in der Klinik kennen lernten, aus einer Rasierklinge ein Schneidewerkzeug gebastelt, den Pfleger H. durch eine Zwischentür in den Hof verschleppt, den Pförtner aber nicht zum Öffnen der Außentür überreden können. Richter van Gemmeren betonte dessen Dienstpflicht, in keinem Falle das Tor zu öffnen, „sonst würde es Nachahmer geben“. Pfleger H. leide immer noch unter den Folgen der Geiselnahme, könne seinen alten Beruf an angestammtem Platz nicht mehr ausüben. Auch Staatsanwalt Schmäring sagte eindringlich: „Das haben Sie zu verantworten.“

Er räumte aber ein, dass die physischen Verletzungen des Geiselopfers zum Glück „letztlich glimpflich, weil alle abgeheilt“ sind. Was die Verteidiger Thomas Ohm und Astrid Aengenheyster veranlasste, über schwere oder minder schwere Körperverletzung – und das dazugehörige Strafmaß – zu spekulieren. Staatsanwalt Schmäring maß dem 29-jährigen W. einen höheren Anteil an der Tat zu, allein, weil er eine halbe Stunde die Geisel im Schwitzkasten und unter Angst hielt. Außerdem sei für W. laut seiner Vita Gewalt eher ein Mittel der Durchsetzung als für den Fassadenkletterer F., der schon nach acht Minuten als Geiselnehmer den Weg über die Mauer in die zwei Tage dauerende Freiheit fand – so bewies es das Video.

Drogensüchtige Eltern

Rechtsanwalt Ohm schilderte die Kindheit von W., der ein Baby drogensüchtiger Eltern war: „Die geburtsbezogene Prägung für die Krankheit Betäubungsmittelabhängigkeit hat er als Eisenkugel ans Bein geschmiedet bekommen.“ Er durchlief Kinderheime, „welcher Wahnsinnige ihn dann mit 14 Jahren zu seiner Mutter und ihrem drogensüchtigen Lebensgefährten zugewiesen hat, konnte ich nicht heraus finden“, so Ohm. Entziehungskurse, Haftstrafen und eine Entlassung mit Führungsaufsicht folgten. Seine Taten seien stets Beschaffungskriminalität gewesen. „Aber wenn ich einen Hund pausenlos prügele, wird er irgendwann bissig.“ W. gelte jetzt als hochgefährlich. Seine Strafe „sitzt er bis auf den letzten Tag ab“, sagte Ohm. Er sagte aus, dass ihn bestimmtes Gefängnispersonal drangsaliere.

Auch F.s Anwältin Aengenheyster kritisierte den Staat, der nicht innerhalb der Haft die Resozialisierung versuche, sondern Häftlinge ins Nichts entlasse. Beide hatten sich vor der Urteilsverkündung erneut entschuldigt.