Kreis Kleve. Der Neujahrsempfang der SPD im Kreis Kleve stand im Zeichen der anstehenden Koalitionsverhandlungen. Viele haben ein sehr ungutes Gefühl.

Manfred Maas hätte den Koalitionsverhandlungen nicht zugestimmt. Der Fraktionsvorsitzende der SPD in Kranenburg sieht die jüngsten Entwicklungen in seiner Partei äußerst kritisch: „Wir befinden uns in einem parteilichen Blindflug. Wir müssen eine Entscheidung treffen, ohne die Konsequenzen absehen zu können. Die SPD hat jetzt mit dem Kopf entschieden, aber Politik ist nicht nur Kopfsache. Politik ist auch Bauchgefühl und Herz. Und mit dem Herzen sind nur die wenigsten bei der Sache.“

Skepsis an der Basis

Das Unbehagen des Manfred Maas zieht sich durch die gesamte SPD-Basis. Auf dem Neujahrsempfang der Sozialdemokraten in der Klever Stadthalle gab es nicht einen Sozi, der laut „Hurra“ gerufen hätte. „Hätten Sie mich vor einer Woche gefragt, hätte ich die Große Koalition rundweg abgelehnt. Mittlerweile habe ich mich überzeugen lassen“, sagte Jörg Lorenz, Fraktionsvorsitzender der SPD in Uedem. Gleichwohl: „So etwas habe ich selten erlebt: Es gibt von beiden Lagern sehr gute Argumente.“ Für Hasan Alkas, Mitglied des UB-Vorstandes, wäre der Gang in die Opposition keine Lösung: „Da werden wir uns nicht erholen. Wir haben viele Entscheidungen mitgetragen. Wir sind keine Partei der lauten Opposition“.

die partei entscheidet

Norbert Killewald war tief beeindruckt von der internen Parteidiskussion in Kevelaer. „In all den Jahrzehnten meiner politischen Arbeit habe ich auf Ortsvereins- und Unterbezirksebene eine solche Erörterung miteinander noch nicht erlebt.“ Man habe sich kritisch aber fair ausgetauscht, so Killewald.

Nach wie vor sieht er die SPD in einer kritischen Situation. Ob die Partei am Ende in eine Koalition eintritt, werden die Mitglieder entscheiden. Und ein positives Votum sei auf keinen Fall gesichert.

Der Parteivorsitzende Nobert Killewald hält eine Zustimmung der Parteibasis für alles andere als gesichert: „Die Partei hat natürlich auch die Traute, am Ende einem Koalitionsvertrag nicht zuzustimmen“, ist er sich sicher. Bei der Regionaltagung in Kevelaer in der vergangenen Woche sei das Votum der Kreis-SPD eher gegen eine GroKo gewesen: „Die Wortbeiträge der Gegner waren zumindest zahlenmäßig in der Mehrheit“, sagte der Parteivorsitzende in seiner Ansprache.

Killewald, der beim Bundesparteitag für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen gestimmt hat, hörte sich am Wahlabend am 24. September noch anders an. Damals sagte gegenüber der NRZ voller Überzeugung: „Die SPD muss in die Opposition gehen. Alles andere wäre Selbstmord.“ Nach dem Jamaika-Scheitern jetzt also die Wende: „Viele Punkte des Sondierungspapiers könnten die Lebenslage von vielen Menschen in unserem Land verbessern. Mir fehlen die Konkretisierungen dieser Punkte noch. Das müssen Koalitionsverhandlungen bringen.“

Problem der Glaubwürdigkeit

Carina Bücker aus Rees, ebenfalls Delegierte in Bonn, sieht es nach wie vor anders: „Ich glaube nicht, dass wir in einer Großen Koalition unser sozialdemokratisches Profil schärfen und unsere Inhalte ausreichend durchsetzen können. Für mich steht außerdem unsere Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Deswegen habe ich gegen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen gestimmt.“

Für Klaus-Dieter Nikutowski, Fraktionschef in Goch, ist nun wichtig, dass die Interessen des „kleinen Mannes“ wahrgenommen werden: „Und das sind für mich Menschen, die von einem Mindestlohn leben müssen und sich in prekären Beschäftigungsverhältnissen befinden. Für diese Gruppe müssen wir etwas tun. Die Bürgerversicherung hat für mich nicht die erste Priorität.“

>> Hendricks: „Mit dem Herzen ist man nicht bei der GroKo“

Dass die SPD in der öffentlichen Wahrnehmung ein Glaubwürdigkeitsproblem hat, sieht auch die Ehrenvorsitzende Barbara Hendricks: „Das Problem ist nicht von der Hand zu weisen“, sagt sie im Gespräch mit der NRZ. Sie gibt zu, dass der Parteivorsitzende Martin Schulz Fehler gemacht hat. Spätestens nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche hätte er eine Große Koalition nicht ausschließen dürfen. „Wir befinden uns jetzt in einer klassischen Dilemma-Situation. Keiner kann ernsthaft sagen, welche Lösung für die SPD gangbar wäre. Ich bin fest davon überzeugt, dass eine GroKo gut fürs Land ist, aber ob sie das auch für die Partei ist, vermag ich nicht zu sagen.“


Die geschäftsführende Bundesumweltministerin Barbara Hendricks.
Die geschäftsführende Bundesumweltministerin Barbara Hendricks.

Barbara Hendricks wird an den anstehenden Koalitionsverhandlungen teilnehmen. Ob wieder in führender Rolle wie vor vier Jahren, könne sie noch nicht sagen. Damals hatte sie mit Ronald Pofalla die Knackpunkte in zahlreichen Sondersitzungen geklärt und einen entscheidenden Beitrag zur Großen Koalition in der abgelaufenen Wahlperiode geliefert.

Chancen nutzen

Heute sieht sie ein Zusammengehen mit CDU und CSU deutlich kritischer: „Mit dem Herzen ist man nicht dabei. Aber man darf die Chancen der GroKo auch nicht kleinreden. Im Zweifel müssen wir auch wieder Regierungsverantwortung übernehmen.“ Hendricks sieht viele Punkte, die im Sinne der Sozialdemokraten geregelt werden können: So soll es weitere Bundesmittel für den Kita-Ausbau geben, die Grundrente für Menschen mit geringen Einkommen wäre eine echte Verbesserun. Die Wohnungsbauförderung soll bis 2020 gelten, und zum ersten Mal werde man ein Klimaschutzgesetz auf den Weg bringen. Auch ein Einwanderungsgesetz soll auf den Weg gebracht werden.

„Wir dürfen auch keine Angst vor einer Großen Koalition haben“, sagte Hendricks. Es sei wichtig, dass die SPD-Erfolge auch klar kommuniziert werden. Bislang sei das nur unzureichend geschehen.

Arbeitsverträge entfristen

Als wichtigsten Knackpunkt sieht Hendricks die Streichung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen. Sollte das nicht noch gekippt werden, hält sie eine Zusage der SPD für schwierig: „Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ist dies auch unsinnig. Eine Probezeit ist völlig klar, aber warum sollte man darüber hinaus noch eine weitere Befristung ermöglichen?“