Kleve. In den 70ern wurde in Kleve über die Verkehrsführung gestritten. Der Klever Ring und die Einkaufsstraßen bestimmten die Diskussion – bis heute.
Natürlich hatte Joseph Beuys etwas zu meckern. Der kritische Klever Künstler schritt am 25. August 1976 mit einem mürrischen Gesicht durch die Kavarinerstraße und konnte der Gestaltung der ersten Klever Fußgängerzone überhaupt nichts abgewinnen: „So auf Anhieb gefällt es mir wirklich nicht, aber schließlich urteilt jeder anders“, sagte er im Beisein von Stadtdirektor Hans-Hermann Schröer. Und legte dann gegenüber der NRZ erst richtig los: Die Pflasterung hätte den Boden verdorben, die geklinkerten Blumenkübel seien grauenhaft und die Gestaltung scheußlich: „Nicht mehr echt Kleve, sondern eine charakterlose Klischeearchitektur.“
Puh, das war harsche Kritik. Dabei hatte sich die Stadtverwaltung solche Mühe gegeben, alles richtig zu machen. Über die erste Klever Fußgängerzone wurde drei Jahre diskutiert und gestritten. Die Einzelhändler waren anfangs dagegen, den Verkehr aus der Innenstadt zu verbannen. Und auch die Politik war nicht überzeugt.
Die Zimmermann-Planung
Die Kavarinerstraße war Teil einer großen Gesamtplanung. Grundlage für die Neugestaltung der Klever Innenstadt war ein Konzept des Kölner Diplom-Ingenieurs Heinz Zimmermann, der Anfang der 70er Jahre von der Verwaltung den Auftrag erhalten hatte, einen Generalbebauungsplan zu erstellen. 1973 wurde das Werk vorgestellt und vom Rat im Mai 1973 diskutiert. Dreh- und Angelpunkt war die Frage: Wohin mit all den Autos?
Denn bis dato wurde die Große Straße, die heute die Haupteinkaufsmeile Kleves ist, als wichtige Verbindungsstraße zwischen Unterstadt und Oberstadt genutzt. Wer diese Straße für den Verkehr sperrte, der musste eine Alternative in petto haben. Zimmermann schlug die Errichtung einer Ringstraße vor, der FDP-Vorsitzende Walter Brüx wollte sogar eine Stadtautobahn, die auf Betonpfeilern parallel zu Große Straße und Hagsche Straße geführt werden sollte. Dieses „Straßenmonster“ (Rudolf Kliver, CDU) wurde schnell verworfen. Planer Zimmermann sagte 1973 im Rat: „Ich halte Hochstraßen für Städte von der Art Kleves generell für unvertretbar.“
Die Zimmermann-Pläne wurden kontrovers diskutiert. Dirk de Regt, Vorsitzender des Einzelhandelsverbandes, monierte: „Die Ringplanung lässt Kleve wie eine fünfeckige mittelalterliche Festung erscheinen; das Hauptbemühen geht dahin, alles drumherum zu leiten, aber hineinkommen darf um Gottes Willen keiner.“ Die Einzelhändler sahen es ähnlich und befürchteten Umsatzeinbußen.
Einweihung mit erster KLE-Fete
Mit der Umgestaltung der Kavarinerstraße in eine Fußgängerzone wurde ein erster Baustein der Zimmermann-Planung umgesetzt, die im November 1975 in sechs Bebauungspläne gegossen wurde. Im Mai 1973 fasste der Rat den ersten Beschluss zur „Teileinziehung der Kavarinerstraße, im Herbst 1974 sollte die Fußgängerzone ursprünglich fertig sein. Es dauerte schließlich noch anderthalb weitere Jahre, bis im November 1976 Kleves älteste Handelsstraße mit der ersten KLE-Fete eingeweiht werden konnte.
Wolfgang Krebs, Technischer Beigeordneter in Kleve, gab gerne zu, dass seine Stadt in Sachen Innenstadtplanung großen Nachholbedarf habe: Im Dezember 1976 schrieb er, dass Kleve bis dato viele andere Probleme abzuarbeiten hatte: „Bei einem solchen Pensum an Planungsaufgaben ist es verständlich, dass die Fußgängerzone erst jetzt in Angriff genommen werden konnte“, so Krebs.
Rund um Kleve
Eng mit den Einkaufsstraßen verbunden war die Planung des Klever Rings. Denn erst die Errichtung einer Umgehungsstraße schuf die Möglichkeit, die Große Straße vom Autoverkehr zu befreien. Wolfgang Krebs vermutete 1976, dass es Jahre dauern würde, bis in der Große Straße keine Autos mehr fahren würden – er sollte Recht behalten.
Das Mammutprojekt „Klever Ring“ wurde Anfang der 70er Jahre angestoßen – und von zum Teil heftiger Kritik begleitet. Der erste Abschnitt umfasste den Straßenbau von der Tiergartenstraße bis zur Emmericher Straße, der zweite Abschnitt erfolgte von der Emmericher Straße bis zur B57 und zum Schluss wurde das umstrittene Teilstück durch die Galleien bis zur Uedemer Straße angelegt.
Häuser wurden abgerissen
1973 wurde die Planung für den Innenstadtring abgeschlossen und 1975 in Angriff genommen. Zuerst wurden die Brücken (Spyckstraße, Spoykanal) errichtet und im Anschluss die Häuser an der Emmericher Straße, an der Tiergartenstraße, an der Spyckstraße und ein Bauernhof abgerissen. Aus dem Verwaltungsbericht der Stadt Kleve aus dem Jahr 1977 geht hervor, dass ein Enteignungsverfahren gegen Dr. Nienhuisen eingeleitet werden musste, weil dieser nicht bereit war, sein Eigentum an der Tiergartenstraße abzutreten. Vor dem Regierungspräsidenten wurde ein Vergleich erzielt und ein Grundstückstausch beschlossen.
Im August 1977 konnte dann der Kreuzungsbereich Tiergartenstraße / Klever Ring erstellt werden, am 22. Dezember wurde die Straße von Bürgermeister Richard van de Loo für den Verkehr freigegeben.
Widerstände gegen den Klever Ring
Die größten Widerstände gab es gegen die Trassenführung durch die Galleien. 1976 diskutierten die Klever Fraktionen über die richtige Führung. SPD und FDP bezweifelten den Sinn der Straße und wollten den Ring an der B57 enden lassen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Moll äußerte in der Ratssitzung am 10. November 1977 die Befürchtung, dass eine Straße durch die Galleien von den Verkehrsteilnehmern gar nicht angenommen werde. Sie hätte daher gar keine Funktion.
Letztendlich wurde der Ring mit der großen Mehrheit der CDU-Stimmen vollendet. Rudolf Kliver ließ 1977 keinen Zweifel daran, dass die Ringschließung eine wichtige Funktion erfüllen werde und die Anlieger der Ringstraße, Gruftstraße und Römerstraße entlasten werde. Am 1. August 1979 wurde das letzte Teilstück eröffnet. Auf einen Durchstich des Sternbuschs zur Felix-Rudolf-Straße wurde verzichtet.
Damit war auch der Weg frei für eine große Klever Fußgängerzone in der Großen Straße. Aber auch hier dauerte die Umsetzung viel länger als erwartet: Im Juli 1980 wurde ein „Kompromiss“ vorgestellt: Hagsche Straße, Fischmarkt und Böllenstege sollten als Fußgängerzone dienen, die Große Straße sollte lediglich verkehrsberuhigt werden. Noch 1981 sperrten sich 52 von 94 Einzelhändler gegen eine autofreie Einkaufsstraße. Erst im August 1983 konnte über eine Gestaltung gesprochen werden. Zehn Jahre nach den Planungen von Professor Heinz Zimmermann wurden diese jetzt auch umgesetzt.