Kleve. . VHS, Stadtbücherei, Theater, Konzert, Museum, öffentliche Parks, Gärten und Vereine - Betrachtungen über die Klever Kultur nach dem Krieg.
„Lebendige Kultur ist nun auch in der Kleinstadt nicht einfach da, wie Maigrün pünktlich im Mai da ist – sie muss hier genauso wie an jedem größeren Ort immer neu geschehen“, so formulierte es 1969 Friedrich Gorissen in einem Beitrag für den WDR mit dem Titel „Oh Städtchen traut am Bergeshang – Kulturbild einer Kleinstadt“.
Er beschreibt darin in kritischer Beobachtung die kulturellen Pflänzchen der Nachkriegszeit in Kleve: VHS und Stadtbücherei, Theater, Konzert und Museum, öffentliche Parks und Gärten, soziale und dem Brauchtum verpflichtete Vereine. Er beschreibt Attitüden des eingebildeten Bildungsbürgertums, skizziert Persönchen und Persönlichkeiten der Stadt, die geblieben sind und auch die, die gegangen sind: „Es scheint so einfach zu sein: Der provinzielle Rahmen wird gesprengt durch die Wirkung über die Provinz hinaus.“
Im Jahre 1990 beschloss der Rat der Stadt Kleve, einen Kulturpreis ins Leben zu rufen, den „Johann-Moritz-Kulturpreis der Stadt Kleve“. Dieser Preis erhielt seinen Namen nach dem brandenburgischen Statthalter Kleves im 17. Jahrhundert, der zuvor in Brasilien unterwegs gewesen war und Kleve nach dem Dreißigjährigen Krieg internationales Flair zurückgab. Der Preis bildet naturgemäß nicht das kulturelle Leben der Stadt ab, ist dennoch ihr „offizielles“ Aushängeschild. Er soll diejenigen ehren, die nachhaltig dazu beigetragen haben.
Die ersten Preisträger waren die sogenannten drei Klever „Gs“: Friedrich Gorissen (1912-1993, Preisträger 1991), Walter Gieseler (1919-1999, Preisträger 1995) und Fritz Getlinger (1911-1998, Preisträger 1996). Auf den Punkt gebracht war der Erste zuständig für die kulturelle Vergangenheit Kleves, der Zweite für lebendige, tradierte und moderne Musikkultur, der Dritte für eine fotografisch-künstlerische Analyse der Gegenwart.
Erste städtische Ausstellung 1955
Friedrich Gorissen, geboren in Kleve, kam nach dem Krieg in seine zerstörte Heimat zurück. 1955 wurde er Leiter des damals noch „Klever Heimatarchiv“ genannten Stadtarchivs und richtete seit 1958 ein neu zu gründendes städtisches Museum ein. Er beschrieb in knapp 800 Veröffentlichungen (unter anderem 1977 im Jahr seiner Pensionierung die Geschichte der Stadt Kleve) die zerstörte und verschüttete Kulturgeschichte Kleves und des über die nationalen Grenzen reichenden Kulturraumes der „Niederrheinlande“.
Die historische kulturelle Identität Kleves ist ohne ihn heute nicht denkbar. Die erste städtische Kunstausstellung fand 1955 im wiederhergestellten Marstallgebäude mit zeitgenössischen niederrheinischen Künstlern statt. 1961 öffnete das städtische Museum im Haus Koekkoek seine Pforten und konnte nach spärlichen Restbeständen nach dem Krieg eine beachtliche von Friedrich Gorissen aufgebaute Sammlung historischer Kunstschätze präsentieren. 1963 rettete Gorissen mit dem Kauf des Friedrich-Wilhelm-Bades dieses Gebäude, das heute zum Museum Kurhaus gehört. Von einer Hochschule in Kleve träumte er gemeinsam mit seinem Freund Walter Gieseler schon in den 1970er Jahren.
Gieseler kam 1950 als Musikpädagoge nach Kleve, wurde aber zur zentralen Figur im musikalischen Wiederaufbau der Stadt. 1951 begründete er das Collegium Musicum, ein Laienorchester mit Konzert-Enthusiasmus, das er wie auch die Städtische Singgemeinde als Dirigent leitete (bis 1994). Nach dem Bau der neuen Stadthalle in Kleve (1965) wurde er mit dem Aufbau einer städtischen Konzertreihe beauftragt. Hier kamen unter anderem auch seine eigenen Kompositionen zur Aufführung.
Seit 1959 war Walter Gieseler auch Leiter der Klever Volkshochschule, ein wichtiger Treffpunkt der kulturell ambitionierten städtischen Gemeinschaft. Auch hier wurden Konzerte organisiert. Seit 1963 als Professor für Musikpädagogik in Köln, ist Gieseler dem musikalischen Kleve treu geblieben.
„Der tausendste Besucher kam schon am vierten Tag nach der Eröffnung“, so berichtete die Lokalpresse im Oktober 1976 über den Fotografen Fritz Getlinger, der damals zum wiederholten Mal seine Arbeiten im Haus Koekkoek ausstellte. Getlinger war 1948 seiner Frau, der Schauspielerin Josefa Ortmann, nach Kleve gefolgt. Schon bald wurde er mit Fotos über den Wiederaufbau der Stadt, Pressearbeit (1950-1976), Aufnahmen für das von 1946 bis 1975 bestehende „Theater am Niederrhein“, vielen Buch-, Kalender-, Reise- und Künstlerprojekten präsent in jedem Klever Haushalt.
Mit der Klever Kunstszene hielt er engen Kontakt. 1961 legte der in Kleve aufgewachsene spätere Aktionskünstler Joseph Beuys der Düsseldorfer Akademie eine Bewerbungsmappe mit seinen Werken vor, in Aufnahmen von Fritz Getlinger. Beuys bekam den Posten als „Professor für monumentale Bildhauerei“ und verließ Kleve, sein Atelier im Friedrich-Wilhelm-Bad behielt er noch bis 1964, bevor er als Künstler und Anreger zum internationalen Durchbruch kam.
Im Verwaltungsbericht der Stadt Kleve 1954 heißt es über die Philosophie städtischer Kulturarbeit: „Wenn auch die Stadt Kleve eine finanzschwache Stadt ist, so kann sie diese Tatsache nicht entheben, mitverantwortlich zu sein für die Pflege der kulturellen Werte der Vergangenheit und der Gegenwart. In dieser Hinsicht muss jede Stadt Kulturträger sein.“