Kleve. . Am 18. Mai 1962 feierte Kleve Richtfest für ein Wohnheim für spanische Mitarbeiterinnen, das die Firma Hoffmann an der BödickerStraße errichten ließ.

Damit wurde ein sichtbares Zeichen für eine neue demographische Entwicklung der Stadt gesetzt, die in den nachfolgenden Jahrzehnten immer bedeutender werden sollte.

Die in den Fünfziger Jahren so dringend benötigten „Gastarbeiter“ kamen glücklicherweise auch bis nach Kleve. Die Anwerbeabkommen der ehemaligen BRD zwischen 1955 und 1973 mit sieben Mittelmeerstaaten sowie Südkorea hatten auch in Kleve Auswirkungen auf Industrie und Bevölkerungsstruktur. Mit der Rezession Anfang der 1970er Jahre erließ die damalige Bundesregierung 1973 den Anwerbestopp für Arbeitnehmer.

Eheglück und Heimat gefunden

Statistiken offenbaren nur selten Menschliches: Die Statistik der Eheschließungen in den Nachkriegs-Jahrbüchern der Stadt Kleve schlüsselt u.a. auf nach „deutscher Mann mit ausländischer Frau“ und „ausländischer Mann mit deutscher Frau“ und „ausländischer Mann mit ausländischer Frau“. Welche Erkenntnisse versprach man sich aus dieser gründlichen Differenzierung? Die Statistik gibt keine Antwort, sie bleibt der Interpretation überlassen: einige der ehemaligen „Gäste“ haben in Kleve ihr Eheglück und Heimat gefunden.

Ein spanischer Mitarbeiter in der Hoffmann-Schuhfabrik, um 1963.
Ein spanischer Mitarbeiter in der Hoffmann-Schuhfabrik, um 1963. © BESTAND HOFFMANN/ELEFANTEN / STADTARCHIV KLEVE/NRZ

Schon in den 1950er und 1960er Jahren listen die Verwaltungsberichte der Stadt ihre ausländischen Mitbürger nach Nationen auf: Die Niederländer führen die Liste mit einer vierstelligen Zahl an, aber auch der einsame Finne und Australier ist notiert, exotische Exemplare in der niederrheinischen Tiefebene. Die Summe belief sich auf 5,34 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Anzahl der türkischen Staatsbürger ist mit Ende der Sechziger Jahre steigend, zuvor gab es eine Hand voll Griechen. Die Welle der polnischen Einwanderung kam Ende der Siebziger und Anfang der Achtziger Jahre. Die Zahlen des statistischen Jahrbuchs aus 2014 vermelden 14,49 Prozent Anteil ausländischer Mitbürger an der Gesamteinwohnerzahl. Inzwischen folgten die Polen mit einer dreistelligen Zahl den Niederländern noch vor den Türken.

Ab 1961 setzte in Kleve die Schuhfabrik Hoffmann (Elefanten) Frauen aus dem spanischen Andalusien als Arbeitskräfte ein. Auch hier gibt der städtische Verwaltungsbericht der beiden Folgejahre über die genauen Zahlen Auskunft: Die Zahlen der in Kleve lebenden Spanier (49 bzw. 106) versieht er mit einem Ausrufezeichen. „Sie sollen nicht nur Gastarbeiter sein“, titelt ein Beitrag im Kalender für das Klever Land auf das Jahr 1975. Er berichtet von insgesamt 985 „Gastarbeiterfamilien“ im Klever Land aus Spanien, Italien, Jugoslawien, Griechenland, Türkei und Südkorea: „Für die spanischen Mädchen in Kleve ist ein neues Wohnheim von der Firma Hoffmann gebaut worden. Die Miete beträgt 38 DM monatlich. Die männlichen Spanier wohnen in einem älteren Wohnheim gegenüber den Fabrikräumen der Firma Hoffmann und zahlen 25 DM monatlich.“

Spanisches Zentrum

Das Frauenwohnheim hieß bei der Bevölkerung schon bald „Spanierinnen-Wohnheim“. Im Jahr 1964 richtete die Schuhfabrik ein spanisches Zentrum im Männerwohnheim ein. Am Wochenende zog dieses Zentrum bei „gesellige(n) Veranstaltungen“ Spanier und Italiener vom Niederrhein und aus den benachbarten Niederlanden an. Die „soziale und religiöse Betreuung“ wurde überörtlich durch vom Mutterland entsandte Geistliche übernommen. Für die schulpflichtigen Kinder wurde muttersprachlicher Unterricht und Deutschunterricht neben der deutschen Pflichtschule organisiert. Die Klever Kirchengemeinden engagierten sich für den Austausch und Kontakte zur deutschen Bevölkerung. Die „Elefantenpost“ schreibt 1961 in deutscher und spanischer Sprache: „Sie sind aus einem wärmeren Land zu uns gekommen, um uns zu helfen. Dass sie uns willkommen sind, haben sie hoffentlich schon gespürt … sie sollen für ihre Arbeit guten Lohn erhalten, aber wir möchten auch, dass sie sich bei uns wohlfühlen ...“ Ende der 1960er Jahre arbeiteten rund hundert Frauen und Männer aus Spanien bei Hoffmann.

Zwischen 1963 und 1977 bestand ein Anwerbeabkommen mit Südkorea: Südkoreanische Krankenschwestern kamen nach Bedburg-Hau in das „Rheinische Landeskrankenhaus“. 24 Frauen lebten 1974 in einem Wohnheim auf dem Klinikgelände. Sie waren als besonders fleißig und zuverlässig geschätzt – viel Arbeit, wenig Freizeit, im Vergleich zu dem bitterarmen Land Südkorea bot Deutschland einen guten Lohn. Noch bis vor ein paar Jahren bot die koreanische Gemeinschaft hier muttersprachlichen Unterricht für deren Kinder an.

Auch das eine Erkenntnis aus der Statistik: Im Klever Land übertrifft in der einheimischen Bevölkerung die Anzahl der Verstorbenen die der Neugeborenen schon länger. Dennoch bleibt eine positive Bevölkerungsbilanz: Die Bürgermeisterin schreibt 2014: „Kleve wird jünger und internationaler“. Die junge Hochschule Rhein-Waal und die aktuellen globalen Wanderungsbewegungen haben diesen Effekt ausgelöst: Personen aus über 120 Nationen finden in Kleve eine Heimat, Anzahl steigend.