Kleve. . Mit 7222 Studierenden liegt die Hochschule Rhein-Waal 45 Prozent über dem Planziel. Hochschul-Präsidentin: „Wir können so nicht weiter machen.“

Auf 7222 ist die Zahl der Studierenden an der Hochschule Rhein-Waal gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahr (6757) ist das ein Plus von sieben Prozent. Mit 30 Leuten fing sie im Mai 2009 an, sollte 5000 Wissbegierige erreichen und liegt nun 45 Prozent über dem eigentlichen Planziel. „Ich bin nicht ganz sicher, ob das eine gute Nachricht ist“, räumt die Präsidentin Dr. Heide Naderer ein.

Natürlich freut es sie und die Lehrenden der vier Fakultäten, solch einen Erfolg zu haben. „Aber das prägt auch die Studienbedingungen. Tatsächlich befinden wir uns an einem Wendepunkt. Wir können in den nächsten Jahren so nicht weiter machen.“ Es gebe durchaus nachvollziehbare Kritik von Professor/innen am Standort Kamp-Lintfort, dass bei den begehrten Gesellschaftswissenschaften die Seminare zu voll seien. „Wir sind zwar schon gut aufgestellt im Vergleich zu Universitäten, was die Nähe zu den Dozenten angeht, aber das wollen wir nicht verlieren“, so Naderer. „Sonst haben wir ein Problem mit unserer Mission“. Schließlich wolle man „verlässlich gewährleisten“, dass die Studierenden einen der 25 Bachelor- und elf Master-Studiengänge erfolgreich beenden. Man rechnet in den Folgejahren mit weniger Studenten, weil ja parallel zur Studentenzahl auch die der Absolventen steigt.

Kostenlose solide Ausbildung

Generelle Zulassungsbeschränkungen über den NC kommen für die Hochschule nicht infrage. Denn da dürften nur sieben Prozent Studierende aus Nicht-EU-Staaten kommen. Undenkbar. Denn die Hochschule Rhein-Waal hat einen Ausländeranteil von 46 Prozent. „Eine ungewöhnlich hohe Zahl für eine deutsche Hochschule“, so Naderer. Fünf Prozent kommen aus Europa (damit hat sich deren Zahl seit dem Vorjahr verdoppelt). Unter den 100 Nationen bilden Indien mit sieben Prozent und China mit vier Prozent den größten Anteil.

© Asrid Hoyer-Holderberg

Die kostenlose solide Ausbildung, zu 75 Prozent rein in englischer Sprache, macht die kleine deutsche Stadt attraktiv – statt anderswo 40 000 Dollar zu zahlen.

Gute Fachkräfte aus den Fakultäten „Technologie und Bionik“, „Life Sciences“, „Gesellschaft und Ökonomie“ und „Kommunikation und Umwelt“ sind auch hierzulande begehrt. Aber selbst wenn die ausländischen Akademiker in ihre Heimat zurück kehrten, „berichten sie über Deutschland und die Demokratie und andere Werte“, sieht der kommissarische Kanzler Dr. Oliver Herrmann die Lehre mit Sendungsbewusstsein. Für ihn sind Kleves Zahlen „eine Sensation“ im Vergleich zu den durchschnittlichen Landeszahlen (minus sechs Prozent Studenten) und im deutlichen Unterschied zu den anderen 2009 neu gegründeten Hochschulen.

Internationalität als Alleinstellungsmerkmal

Die Internationalität ist das Alleinstellungsmerkmal der Hochschule Rhein-Waal. „Uns ist egal, aus welcher Region die Studierenden kommen. Uns ist aber nicht egal, dass wir vor allem auch unsere Region bedienen“, umreißt die Präsidentin. Der Anteil der Studenten aus dem Kreis Kleve beträgt 14 Prozent, der aus dem Kreis Wesel 15 Prozent. Die Zusammenarbeit mit den Berufskollegs im Kreis Kleve klappe sehr gut, nicht aber mit dem Kreis Wesel. „Wir holen Studierende aus China, aber Fachabiturienten von den anderen Rheinseite kriegen wir nicht rüber“, sagt Naderer kopfschüttend.

Viele der Nicht-EUler fragten von sich aus nach Deutsch-Sprachkursen – bisher Wahlfach, kein Pflichtfach – die nun „vervielfacht“ werden sollen, so Naderer. Insgesamt hat die internationale Community um mehr als zwölf Prozent zugelegt – fürs kommende Wintersemester allein um 27 Prozent. Es startete mit 1747 Einschreibungen, ähnlich dem Vorjahr. Gestern endete die Einschreibungsfrist. 1246 junge Menschen in Kleve und 501 in Kamp-Lintfort füllen die Säle. Und angemietete Räume – das sind insgesamt 4000 Quadratmeter inklusive Kinosälen in Kleve zu den Engpass-Zeiten im Februar und Juni in der Klausurenphase. Es wurde sogar auch schon darüber spekuliert, dann das Klever Karnevalszelt neben der Hochschule zu nutzen.

Finanziell komfortabel

„Das Land Nordrhein-Westfalen hat feste Zusagen über ausreichend verstetigte finanzielle Mittel für die Zukunft gegeben, zusätzlich zu ihrer generellen Finanzierung. Das verschafft uns eine mehr als komfortable Situation“, so Dr. Herrmann. Er gehe davon aus, dass die Politik die „sehr besondere Hochschule“ in Kleve und Kamp-Lintfort „im Auge haben wird“, wenn es um die NRW-Entscheidung über Studiengebühren für ausländische Hörer geht.

Dr. Naderer hofft, dass die schwarz-gelbe Landesregierung, die die Hochschule Rhein-Waal 2009 auf den Weg brachte, dieses „Baby auch wachsen sehen will“ und Rahmenbedingungen nicht gravierend ändere. Vielleicht gebe es Ausnahmen für Schwellenländer und Entwicklungsländer. Ob Sonderregelungen in der Politik haltbar sind, sei nicht einzuschätzen.