Kleve. . Als die Klever Synagoge brannte, hatte die Gewalt gegen die Juden in Kleve längst begonnen. Vor den Wahlen zum Reichstag 1933 wehte die Hakenkreuzfahne auf der Schwanenburg.
Am 9. November 1938 brannte in Kleve wie in ganz Deutschland die Synagoge. Aus einem Strafverfahren von 1948/49 geht hervor, dass Klever SS-Leute sich in dieser Nacht Zutritt zur Synagoge verschafft, Benzin über Gestühl und Teppiche ausgegossen und entzündet hatten. Innerhalb kürzester Zeit brannte die Synagoge lichterloh. Die von den Nachbarn herbeigerufene Feuerwehr durfte den Brand nicht löschen, sondern nur das Übergreifen der Flammen verhindern. Anschließend zogen die SS-Leute weiter zum Textilhaus Leffmann und ließen ihre Wut an dem letzten jüdischen Geschäft in Kleve aus. Alle Fensterscheiben und Reklametafeln wurden zerschlagen, die Einrichtung demoliert. Sogar die Zentralheizungsanlage wurde mit Äxten zertrümmert, so dass ausströmendes Wasser alles überschwemmte und die Waren, die man aus den Auslagen gerissen hatte, im Wasser lagen. Die Familie Leffmann, die im gleichen Haus wohnte, wurde von den Tätern bedroht und misshandelt.
Die Gewalt hatte schon viel früher begonnen
Die Pogromnacht wird als Beginn des offenen Terrors gegen die noch in Deutschland lebenden Juden gesehen. Viele Klever, so erfährt man aus Zeitzeugenberichten, missbilligten die Gewalt und waren entsetzt über den Brand der Synagoge. Aber die Gewalt hatte schon viel früher begonnen. Unmittelbar nach der „Machtergreifung“ waren es zunächst SA und SS, die gewaltsam gegen Gegner des NS-Regimes – zunächst vor allem gegen KPD und SPD vorgingen. Sechzig Mitglieder beider Parteien wurden in dieser Zeit verhaftet und im Gefängnis in der Krohnestraße oder dem Keller des SS-Lokals an der Emmericher Straße misshandelt. Unmittelbar vor den Reichstagswahlen im März 1933 gelang es SA und SS gegen den Widerstand des Landgerichtspräsidenten auf dem Schwanenturm eine Hakenkreuzfahne und eine schwarz-weiß-rote Fahne zu hissen. Das Gewerkschaftshaus in der Klosterstraße (heute: An der Münze) wurde beschlagnahmt und diente danach zunächst als NSDAP-Parteizentrale.
Jüdische Geschäfte zwangsweise geschlossen
Ebenfalls schon im März, also vor dem reichsweiten Boykott am 1. April 1933, wurden jüdische Geschäfte erstmals zwangsweise geschlossen. Gerade in kleinen Städten wie Kleve waren die Maßnahmen besonders erfolgreich, so dass viele jüdische Geschäftsinhaber innerhalb kürzester Zeit ihr Geschäft aufgeben mussten und damit ihre Existenzgrundlage verloren. Auch die gesellschaftliche Ausgrenzung der Juden ging schnell vonstatten. Sie wurden aus den Vereinen ausgeschlossen und mussten die weiterführenden Schulen verlassen. Anhand der Klever Häuserkartei wird deutlich, wie schnell ein großer Teil der Juden ihre bisherigen Wohnungen verließen. Sie konzentrierten sich schließlich in wenigen Häusern in jüdischem Besitz oder verließen Kleve, weil sie sich in der Anonymität der Großstädte ein einfacheres Leben erhofften oder weil ihnen die Emigration in ein vermeintlich sicheres Land gelang. Dies war meist mit dem Verlust großer Teile ihres Besitzes verbunden. Häuser, Geschäfte und Betriebe wurden „arisiert“ und vor der Ausreise waren hohe Abgaben zu zahlen.
Die Bevölkerung unter Kontrolle halten
Für weite Teile der Bevölkerung normalisierte sich dagegen die Lage - jedenfalls solange sie nicht in das Visier des NS-Regimes gerieten, das mit der Gestapo ein weitreichendes Machtinstrument zur Bekämpfung ihrer Gegner besaß. Seit 1937 gab es mit dem Grenzkommissariat eine Gestapo-Außenstelle in Kleve, die ihren Sitz in der Nassauerallee 5 unmittelbar neben dem Landratsamt hatte. Der Sicherheitsdienst hatte in der Lindenallee in Kleve eine Außenstelle. Über Spitzel und Denunzianten wurde versucht, die Bevölkerung unter Kontrolle zu halten. Da konnte auch schon ein politischer Witz oder das Verbreiten von Gerüchten, die als Vergehen gegen das Heimtückegesetz ausgelegt wurden, genügen, um die Verfolgungsmaschinerie in Gang zu setzten. Die Furcht vor Repressalien machte die Bevölkerung vorsichtig.
1941 erreichte die Verfolgung der Juden eine neue dramatische Stufe. Am 27. Oktober ging die erste Deportation in das Ghetto Litzmannstadt. Unter den Verschleppten befand sich auch die Familie Leffmann. Die in Kleve verbliebenen Juden wurden am 18. November gezwungen, in das „Judenhaus“ in der Klosterstraße (heute An der Münze) an der Alten Brücke zu ziehen. Von dort gingen drei weitere Transporte nach Riga und Theresienstadt. Von den Deportierten hat keiner überlebt.