Kleve. . In den letzten beiden Jahrhunderten war das Vereinsleben in Kleve sehr stark ausgeprägt. Nachwuchsprobleme gab es aber auch schon damals.
Die Zahl ist eigentlich unglaublich und birgt ein erstaunliches Sammelsurium an Interessen, politischen Neigungen und persönlichem Einsatz. Ungefähr 440 Vereine hat Helga Ullrich-Scheyda 1986 in den Akten des Stadtarchivs ausgemacht, gegründet oder (zeitweise) bestehend zwischen 1900 und 1986. Da gibt es den katholischen Akademikerverein von 1904 und den Artillerie-Verein 1914, die Ortsgruppe Cleve des Bühnenvolksbunds (1921) und den Eisenbahnfahrbeamten-Verein (1905). Man könnte lustig weiter in der Historie schwelgen, vom Vaterländischen Frauenverein aus dem Jahr 1868 bis zum Verein zur Hebung der Traberzucht am Niederrhein zu Cleve, gegründet 1893.
Die Auflistung zeigt, wie manche Themen gesellschaftliche Relevanz bekommen und später wieder bedeutungslos werden. So stehen viele Vereinsgründungen 1914 ganz im Zeichen des beginnenden Weltkriegs. Der unerwartet langen Kriegsdauer versuchte man mit neuen Vereinen wie etwa dem Clever Gartenbauverein zu begegnen: forcierter Gemüseanbau, „um ein Durchhalten zu ermöglichen“, wie es in einer zeitgenössischen Schrift heißt.
Naturbewegung hinterlässt Spuren
Die einstmals erhebliche Bedeutung der Religion kann man an den zahlreichen konfessionellen Vereinen erkennen. Da organisieren sich katholische oder evangelische Arbeiter, Lehrer, ganz allgemein Männer, Jungmänner oder Jungfrauen. Berufsstände schließen sich zu Vereinen zusammen, ob Holzarbeiter, Bauern, Metzgergesellen oder Maurer. Sogar die Jugend- und Naturbewegung vom Anfang des 20. Jahrhunderts hinterlässt in Kleve Spuren, etwa im Naturheilverein von 1909. Natürlich machen auch die Nationalsozialisten vor dem Vereinswesen nicht halt. Nach 1933 entsteht beispielsweise der „Kampfbund für deutsche Kultur“.
Deutschland war und ist das Land der Vereine. Es beginnt mit den Schützenvereinen, den Gesangsvereinen, mündet schließlich in der Gründung von gesellschaftlichen und politischen Vereinen. „Der Clevische Geschichts- und Altertums-Verein gehört mit zu den älteren Vereinen dieser Art am Niederrhein“, heißt es im Klever Verwaltungsbericht von 1928. Bismarcks Politik, der Krieg von 1870/71 und die Gründung des Deutschen Reichs befeuerten die Beschäftigung mit nationaler Geschichte. Aber schon in früheren Zeiten gab es Nachwuchsprobleme. „Leider haben seine Bestrebungen in der Friedenszeit nicht immer Anerkennung und Unterstützung gefunden, so dass es vielfach schien, als ob der Verein nicht mehr recht lebensfähig wäre“, heißt es im Bericht weiter.
Vereinsleben in Kriegszeiten
Oder der „Städtische Singverein“, schon 1809 gegründet. In Kriegszeiten war ans Singen nicht zu denken: „Am 19. August 1914 übergab der Singverein den Rest seines Vermögens dem Roten Kreuz und schwieg dann bis zum April 1920“, heißt es im Verwaltungsbericht. Dann aber waren auswärtige Orchester für die Klever zu teuer, so dass sich ein Orchesterverein mit einheimischen Musikern gründete. Als „Städtische Singgemeinde“ und „Collegium Musicum“ existieren diese Institutionen in anderer Form weiter. Wie auch die zahllosen Sportvereine, die Zusammenschlüsse von Imkern und Taubenzüchtern, Schachspielern und Karnevalisten.
Gleichgesinnte treffen, gemeinsam etwas für das eigene Interesse tun, diesem Bedeutung durch eine Organisation verschaffen – alles das macht die Vereinsstruktur bis heute attraktiv. Der Blick in die Akten zeigt aber auch: Die wenigsten Vereine haben eine lange, durchgehende Geschichte. Dafür entstehen nach einiger Zeit wieder neue.