Kleve. . Mit der Fertigstellung der Herzogbrücke wurde Kleve vom Bahnhof aus zugänglich. Die Herzogstraße bekam moderne Neubauten, wurde Geschäftsstraße.

Heute würde man es als ein Event bezeichnen: die Eröffnung des Kaufhauses A. Weyl am 28. März 1912. Neugierig war ein zahlreiches Publikum gekommen, um die großzügigen Räumlichkeiten, die prächtigen Dekorationen und das reichhaltige Warenangebot zu bestaunen.

„Der ganze Bau ist aus Beton mit Eiseneinlagen in eine Schalung gegossen. Die Front zeigt Verblendung mit weißem Sandstein, ein kupferfarbiges Ziegeldach überragt den Hauptteil des Gebäudes […] Zu beiden Seiten vom Portal befinden sich je drei große Schaufenster. Im Erdgeschoß, im ersten und zweiten Obergeschoß liegen die Verkaufsräume, die in der Mitte einen ziemlich großen Lichthof umschließen. Über der Kopfbreite des Lichthofes liegt eine bequeme Treppe, die die Verbindung der einzelnen Stockwerke herstellt. In der Mitte dieses Treppenaufganges ist ein großer Personenaufzug für das Publikum.“

Anzeige zur Neueröffnung des Kaufhaus A. Weyl. Bei der Breite der Großen Straße war der Künstler recht großzügig. Auch die Straßenbahn fuhr hier erst seit 1920.
Anzeige zur Neueröffnung des Kaufhaus A. Weyl. Bei der Breite der Großen Straße war der Künstler recht großzügig. Auch die Straßenbahn fuhr hier erst seit 1920. © Clevischen Volksfreund 27. März 1912

Seit den 1880er Jahren entstanden moderne Kaufhäuser in allen deutschen Großstädten. Für Kleve mit seinen gerade einmal 18 000 Einwohnern war dies etwas ganz besonders.

Das Kaufhaus Weyl stach durch seine Größe hervor. Doch blieben auch die anderen Geschäfte von den Veränderungen nicht unbeeinflusst. Das Ziel moderner Verkaufsstrategien war es, die Menschen in die Geschäfte zu locken und zum Kauf zu animieren. Schaufenster dienten der Werbung, Waren wurden in aufwendig gestalteten Ladenlokalen ansprechend platziert, und ohne Kaufzwang konnten sich die Kunden über das Angebot und die Preise informieren. Dies förderte den Konsum und weckte immer neue Bedürfnisse beim Kunden.

Aber es veränderten sich nicht nur die Kaufgewohnheiten der Klever, sondern auch das Aussehen der Innenstadt.

Alte Patrizierhäuser

Auch hierüber gibt der Clevische Volksfreund 1912 Auskunft.

„Wenn man seine Gedanken um einige Jahrzehnte zurückschweifen läßt und im Geiste die erste Verkehrsstraße Cleve’s – die Große Straße – durchwandert, findet man zwischen alten, hochaufragenden Patrizierhäusern und kleinen Bauten, die von der Behäbigkeit der sie bewohnenden deftigen Bürger beredtes Zeugnis ablegen, hier und da einen Laden, Detailgeschäfte der einzelnen Branchen vor. […] Heute im Zeitalter des drastischen Verkehrs herrscht in der einst so behäbig erscheinenden Großen Straße der Typ des modernen Geschäftshauses vor. Die trauten, alten Privathäuser haben dem Konfektionshaus, dem Herren-Artikel-Geschäft etc. Platz machen müssen.“ Nicht alle begrüßten diese Entwicklung, sondern beklagten den Abriss der schönen alten Häuser und die Zerstörung des Stadtbildes etwa durch die kolossale Hausteinfassade des Kaufhauses Weyl, dessen Reklamegiebel dem Nachbarhaus „die Faust in den Nacken legt.“

Ausschnitt aus dem Lageplan für den Schifffahrtsweg „Cleve-Rhein“ von 1912.
Ausschnitt aus dem Lageplan für den Schifffahrtsweg „Cleve-Rhein“ von 1912. © Stadtarchiv Kleve

Die besondere Topographie Kleves stellte Stadtplaner vor besondere Herausforderungen. Die Große Straße war nicht nur Einkaufsstraße, sondern als Hauptverkehrsstraße die einzige Verbindung zwischen Unter- und Oberstadt.

Die Zunahme des Verkehrs hatte schon in den 1880er Jahren zum Bau von Bürgersteigen geführt, um den Fußgängern ihren eigenen Bereich zu geben.

Erbitterte Auseinandersetzungen

Ein Problem blieb die Verkehrsführung. Bis 1904 war die aus dem 15. Jahrhundert stammende „Alte“ Brücke mit einer Breite von 6,5 m der einzige Zugang über den Spoykanal in die Stadt. Von hier ging es im Bogen durch die Klosterstraße (heute: An der Münze) auf die Große Straße. Weitere Engpässe waren die Einmündung der Kavariner-straße für den Verkehr in Richtung Tiergartenstraße und besonders die Hagsche Straße an der Stelle, an der früher das Hagsche Tor gestanden hatte. Über den Standort einer zweiten Brücke hatte es erbitterte Auseinandersetzungen gegeben. Aber schließlich hatte die Stadtverordnetenversammlung gegen die Befürworter einer Brücke in Verlängerung der Hafenstraße einstimmig den Bau der Herzogbrücke beschlossen. Über die neue Werftstraße wurde zugleich eine Verbindung zur Hafenstraße geschaffen, über die der Verkehr unmittelbar in Richtung Tiergartenstraße abfließen konnte. 1904 war die fast 15 Meter breite Herzogbrücke mit den aufragenden Kandelabern und den schmiedeeisernen Geländern mit Stadtwappen fertiggestellt. Die Stadt erhielt vom Bahnhof aus einen neuen Eingang und die Herzogstraße wurde zu einer Geschäftsstraße mit modernen Neubauten.