Kleve. . Am 9. August 1909 besuchte Kaiser Wilhelm II. Kleve – zwei besondere Stunden für die Stadt trotz ihrer ambivalenten Beziehung zu Preußen.

Der Besuch von Kaiser Wilhelm II. und seiner Gemahlin Auguste Victoria am 9. August 1909 war ein besonderer Tag in der Klever Stadtgeschichte. Monatelang hatte man sich auf dieses Ereignis vorbereitet. Salutschüsse kündeten gegen 11 Uhr die Ankunft des kaiserlichen Sonderzugs im extra für diesen Anlass am Stillen Winkel errichteten prächtigen „Kaiserbahnhof“ an.

Höhepunkt auf dem Kleinen Markt

Nach einer Begrüßung durch den Oberpräsidenten der Rheinprovinz bestieg das Kaiserpaar eine vierspännige Kutsche, die sie, begleitet von einer 60 Mann starken Ehreneskorte, am Schützenhaus vorbei zum Amphitheater brachte. Hier begrüßten weißgekleidete Ehrenjungfrauen und Vertreter der Stadt Kleve die Gäste. Die vier Kilometer lange Feststraße war mit Triumphbögen, Baldachinen und Säulen, mit Girlanden und Kränzen geschmückt. An der Stiftskirche schritt der Kaiser die aus Mannschaften des Klever Bataillons bestehende Ehrenkompanie ab.

© Kreisarchiv Kleve/Steiger

Auf dem Kleinen Markt erwartete die Majestäten der Höhepunkt des Besuches. Neben einem prächtigen Paradezelt in Purpur und Gold hatte der Provinzadel sowie die leitenden Beamten der Rheinprovinz, des Kreises und der Stadt Aufstellung genommen.

Nach dem Gesang der zu den „Kaiserchören“ vereinigten Klever Männergesangsvereinen und verschiedenen Ansprachen gab der Kaiser unter dem Donner von 101 Salutschüssen und dem Festgeläut der Kirchen das Zeichen zur Enthüllung des Hohenzollerndenkmals mit dem Reiterstandbild des Großen Kurfürsten.

An der Synagoge vorbei zur Schwanenburg

Danach erwarteten der Bischof von Münster, die katholischen Geistlichen und der Provinzialkonservator die Majestäten zu einem Rundgang durch die Stiftskirche. Im Anschluss begab man sich an der reich geschmückten Synagoge vorbei zur Schwanenburg. „Meine Burg!“, rief der Kaiser bei deren Anblick emphatisch aus, begeistert war er dann aber nicht vom Zustand der als Gericht und Gefängnis genutzten „Stammburg seiner Väter“. Mit der Kutsche ging es anschließend durch die Alleen und die Stadt zurück zum Kaiserbahnhof, wo der Hofzug wartete.

Für die glanzvolle, allerdings mit zwei Stunden auch sehr kurze Feierlichkeit gab es einen Grund. Genau 300 Jahre war es her, dass das Herzogtum Kleve nach dem Tod von Herzog Johann Wilhelm an die Kurfürsten von Brandenburg gefallen und damit schließlich zu einem Teil von Brandenburg-Preußen geworden war.

Die Beziehungen zwischen Kleve und Preußen hatten sich aus vielerlei Gründen immer recht kompliziert gestaltet. Im 19. Jahrhundert war Kleve nach dem französischen Intermezzo nur noch eine Kreisstadt innerhalb der großen preußischen Rheinprovinz, die bis nach Saarbrücken reichte. Die katholische Bevölkerungsmehrheit stand dem evangelisch dominierten preußischen Staat sehr distanziert gegenüber. Gerade der Kulturkampf der 1870er Jahre hatte das Verhältnis nachhaltig gestört.

Eine preußisch geprägte Stadt

Dabei war Kleve zu dieser Zeit eine durchaus preußisch geprägte Stadt. In der Kreisstadt war der Landrat der höchstrangige preußische Beamte. Das Ende des 19. Jahrhunderts erbaute Landrats­amt an der Nassauer Allee unterstrich dies eindrucksvoll.

Die Neue Kaserne an der Brabanter Straße in Kleve auf einer Postkarte aus dem Jahr 1915.
Die Neue Kaserne an der Brabanter Straße in Kleve auf einer Postkarte aus dem Jahr 1915. © Stadtarchiv Kleve

Zudem war Kleve seit 1860 Garnisonsstadt. Es gab es zwei Kasernen in der Stadt, die 1864 erbaute „Alte Kaserne“ an der Rahmstraße und die 1902 errichtete „Neue Kaserne“ an der Brabanter Straße, in denen das III. Bataillon des Infanterie-Regiments Vogel von Falkenstein (7. Westfälisches) Nr. 56 stationiert war.

Allmählich hatte sich auch die katholische Bevölkerung an die Preußen gewöhnt. Dies kam sicher beim Kaiserbesuch von 1909 zum Ausdruck, auch wenn man bezweifeln kann, ob die Bevölkerung diesen patriotischen Festen tatsächlich die gerne betonte große Begeisterung entgegenbrachte.

In erster Linie waren es die Krieger- und Schützenvereine, die Spalier standen. Außerdem hatte man die Schulkinder des Kreises Kleve und aus Teilen des Kreises Geldern herangeschafft.

Staatstheater und Selbstdarstellung

Der Kaiser war mit dem lückenhaften Spalier und der spärlichen Menschenmenge nicht zufrieden gewesen, so dass man schließlich sogar die Polizei beauftragt hatte, die Stadtbewohner aus den Häusern zu holen, um den Verdacht auszuräumen, die Klever seien nicht kaisertreu.

Zunächst einmal war es Kaiser Wilhelm II. selbst, der diese Form des Staatstheaters liebte. Außerdem war es für die kommunalen Eliten eine willkommene Bühne zur Selbstdarstellung. Sie konnten sich im kaiserlichen Glanz sonnen und zugleich dem Kaiser durch perfekte Organisation und große Anteilnahme der Bevölkerung die besonders ausgeprägte staats- und kaisertreue Gesinnung ihrer Stadt unter Beweis stellen.

Viel Gelegenheit dazu gab es jedoch nicht mehr. Genau fünf Jahre später begann der Erste Weltkrieg, an dessen Ende nicht nur die deutsche Niederlage, sondern auch die Abschaffung der Monarchie stand.

Nicht nur in Kleve ging hiermit ein von Fortschrittsglaube und Optimismus geprägtes Zeitalter zu Ende.