Kleve. . Die Wiederherstellung des Spoykanals und der Anschluss an das Eisenbahnnetz brachten im 19. Jahrhundert die Wirtschaft in Kleve in Schwung.
Auf Gondeln sollten die Ehrengäste am 25. August 1847 vom Klever Hafen nach Brienen fahren, um dort das neu errichtete Bauwerk erklärt zu bekommen, bevor das erste Schiff unter Kanonendonner in die Schleuse einfahren sollte.
Dann musste die Feier verschoben werden – nicht, wie das in Kleve sonst schon mal so vorkommt, weil die Schleuse und der Spoykanal nicht rechtzeitig fertig geworden sind, sondern weil die Stadt sich Hoffnungen machte, sogar den König als Ehrengast begrüßen zu dürfen. Der hatte dann aber doch keine Zeit, ließ freundliche Grüße ausrichten und vermasselte den Untertanen im Westen des Reiches damit den Festakt.
Hakelige Eröffnung des Spoykanals
Die Schwierigkeiten bei der Terminfindung hatten die Verantwortlichen allerdings nicht davon abhalten können, die Schleuse und den Kanal schon in Betrieb zu nehmen. Deshalb wurde das Fest schlussendlich komplett abgesagt, stattdessen sollten die „Armen in der Anstalt zur Münze“ sowie arme Schulkinder auf Kosten des Gemeinwesens „eine Erfrischung“ bekommen.
Die hakelige Eröffnung konnte jedoch nicht verhindern, dass dieses Vorhaben – heute würde man sagen: dieses Infrastrukturprojekt – entscheidend dazu beitrug, den Weg Kleves in die Moderne zu ebnen. Der preußische Finanzminister Carl von Bodelschwingh, der die Finanzierung des Projekts aus der Staatskasse verantwortete, verband mit dem Wasserweg beträchtliche Hoffnungen für die Entwicklung der Stadt: „Diese Anlage wird hoffentlich der Stadt Kleve Antrieb geben und Mittel bieten, Gewerbetätigkeit zu entwickeln und Handel an sich zu ziehen, [und] mit anderen Rheinstädten in Konkurrenz zu treten.“ So kam es.
260 000 Pfund Guano als erste Lieferung
Schon unmittelbar nach der Neueröffnung des durch eine Sturmflut verheerten Wasserweges brachte ein Frachtschiff 260 000 Pfund Guano, bestellt vom Pfalzdorfer Bürgermeister, in die Stadt. Im ersten Jahr nutzten rund 200 Schiffe, die bis zu 300 Tonnen Last transportieren konnten, den Spoykanal, um Waren nach Kleve zu bringen oder dort abzuholen.
Von 1850 an war die Zahl der Schiffe, die im Klever Hafen anlegten, auf mehr als 800 pro Jahr gestiegen. Das heißt, in diesen Blütezeiten machten rein rechnerisch mehr als zwei Schiffe pro Tag in Kleve fest. Da das meiste per Hand verladen wurde, kann man sich ausmalen, wie es in dem Hafenbecken tagtäglich zuging – auch ein paar Fotos aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts vermitteln noch einen guten Eindruck von dem Treiben.
Am Donnerstag, 24. November 1853, machte das erste Dampfschiff in Kleve Station. Geplant war, eine Linienverbindung zwischen Kleve und Arnheim einzurichten. Die Ankunft des Schiffes war ein Massenspektakel, die Menschen strömten zum Hafen, um die technische Sensation mit eigenen Augen zu sehen. In einem zeitgenössischen Bericht heißt es: „‚Nun haben wir alles!‘, riefen einige Leute.“
Bahnhofseröffnung am 5. März 1863
Das aber stimmte nicht, es sollte noch genau ein Jahrzehnt dauern, bis ein weiteres Weltwunder in die Kleinstadt am Niederrhein einzog – die Eisenbahn. Am 5. März 1863 wurde der Bahnhof eröffnet, zwei Jahre später konnte der Klever mit Dampfrössern nach Krefeld, Nimwegen und – inklusive einer Fährübersetzung – bis nach Arnheim reisen. Kleve hatte Anschluss an die Welt, und umgekehrt!
Der Eröffnung vorausgegangen war ein jahrzehntelanges Hickhack, in dessen Verlauf immer wieder Rückschläge verkraftet werden mussten. Preußen favorisierte die aus militärischen Gründen wichtigere rechtsrheinische Strecke – fast eine Parallele zu heutigen Zeiten, in denen der Bahnverbindung von Rotterdam bis ins Ruhrgebiet („Betuwe-Linie“) aus ökonomischen Gründen der Vorzug gegeben wird.
Langes Warten auf die Eisenbahn
Einmal war das Projekt wegen der wirtschaftlich angespannten Lage in Preußen sogar schon komplett beerdigt. „Die Stadt Kleve wird sich deshalb bescheiden, dass die Aufnahme des Projekts einer Eisenbahnverbindung von Krefeld über Kleve nach Nimwegen nicht an der Zeit ist“, hieß es. Ungeachtet dessen ließen die Verantwortlichen die Strecke vermessen und nivellieren. Doch bis zur Genehmigung sollten weitere 17 Jahre vergehen.
Interessant ist, wie der Stadtrat gegenüber dem preußischen Verkehrsministerium die Notwendigkeit der Strecke begründete. Eine Petition aus dem Jahre 1846 bezeugt, wie die Stadt sich selbst sah.
Holländischer Geldadel
In dem Schreiben heißt es: „Handel und Industrie waren in Kleve bisher von sehr untergeordneten Interesse; dagegen hat die Natur alles für diesen Ort getan, um denselben zu einem der schönsten Vergnügungs- und Bade-Orte am Niederrhein zu machen. Außer den vielen Fremden, welche jährlich den hiesigen Ort besuchen, wohnen in der Regel 60-70 niederländische Familien hier, welche, ohne ein Gewerbe zu treiben, lediglich ihre Reserven hier verzehren und eine Menge baren Geldes in Umlauf setzen [...] Unter diesen Familien befinden sich häufig solche, deren Haupt von Zeit zu Zeit zur Beaufsichtigung seines inmittelst von einem Sohn oder Commis betriebenen Etablissements nach Amsterdam, Rotterdam & Co. reisen muss, und daher viel daran liegt, nötigenfalls so schnell als möglich dort anwesend sein zu können, um sein Interesse zu wahren. Stünde Kleve nun durch eine Eisenbahn mit Holland in Verbindung, so würde die Zahl solcher Niederlassungen sich sicherlich bedeutend vermehren.“
Der erste Zweck der Verbindung hätte es also sein sollen, holländischen Geldadel in die Stadt zu locken. Stattdessen aber wurde der Bahnhof im Laufe der Jahre und im Zuge der Industrialisierung – Van den Bergh, XOX, Bensdorp – neben dem Hafen zum zweiten wichtigen Güterumschlagplatz der Stadt.