Kleve. . 1848 kämpften die Bürger um demokratische Rechte. Auch viele Klever waren revolutionär gestimmt – bis die reaktionären Kräfte zurückschlugen.
Am Ende ist nur noch eine Hoffnung übrig geblieben. Sie lautet: Amerika. Es sind die Klever Buchhändler, die 1848 und in den Folgejahren an den Auswanderern verdienen. Denn sie vertreten die großen Redereien vor Ort. Bauern und Handwerker suchen ihr Glück in Übersee. Aber warum? Geht es um die Pressefreiheit oder um die Fressfreiheit, wie ein zeitgenössischer Beobachter notiert?
Zurück auf Anfang. Die deutschen Staaten stecken in der Krise. Die Menschen begehren auf. Sie verlangen nach Demokratie und Freiheit. Die Franzosen machen es vor, im Februar 1848, sie setzen ihren König ab und rufen zum zweiten Mal in ihrer Geschichte eine Republik aus. Der Funke springt in die deutschen Staaten über. Am 18. März 1848 kommt es in Berlin zu Straßenkämpfen zwischen Demonstranten und Soldaten mit zahlreichen Toten. Am Tag danach sieht sich der preußische König gezwungen, vor den „Märzgefallenen“, die auf dem Schlosshof aufgebahrt sind, die Mütze zu ziehen. Im Mai tritt das erste demokratisch gewählte deutsche Parlament in der Frankfurter Paulskirche zusammen. Ein Jahr später sind die Interessen zersplittert, die Reformbestrebungen zerredet und die Herrscher stärker als zuvor.
Enormes Bevölkerungswachstum
Auch die Klever waren durchaus revolutionär gestimmt. Umso mehr, als Kleve wirtschaftlich stark angeschlagen war. Einst Sitz der Bezirksregierung, florierte in den 40er Jahren eigentlich nur noch die Touristik. Industrie gab es kaum. Dafür ein enormes Bevölkerungswachstum. 1852 weisen die Zahlen eine Bevölkerung von fast 8700 Personen aus, 44 Prozent mehr als 1812. Arbeit gab es nicht für alle, nicht einmal genug zu essen. Im Winter 1846/47 war ein Viertel der Bevölkerung auf Suppenausteilungen angewiesen.
Und weil kritische Zeitungen verboten und die übrigen die heißen Themen nicht so recht anpackten, blieb den Bürgern nur noch ein Ausweg. Sie schlossen sich zu Vereinen zusammen. Vielleicht am wichtigsten war der Schützenverein. Der hatte schon 1839 einen ordentlichen Tumult verursacht.
Vereine sind ja an sich Übungsstätten für Demokratie. So traf die Revolution die Klever nicht unvorbereitet. „Wie durch einen Zauberschlag waren das Rathaus, die Gebäude der Casino- und Concordia-Gesellschaft sowie viele Privathäuser illuminiert und das Volk wogte in dichten Scharen mit fröhlichem Antlitze durch die Straßen“, schreibt das Wochenblatt für die Stadt und den Kreis Kleve am 22. März 1848.
Reaktionäre Kräfte schlagen zurück
In den nächsten Ausgaben der Zeitung liest man allenthalben von Aufrufen zu dieser und jener Versammlung. Es gab viele Ideen, aber noch mehr Gerede. „Die jetzigen Bürgerversammlungen haben meist leeres Stroh gedroschen, weil sie schlecht organisiert sind“, schrieb der eher linke Warenhausbesitzer Anton Weinhagen. Die zum Teil schon verarmten Handwerker versuchten sich zu organisierten – und verarmten noch mehr. „Die Zeit ist ernst; jede Minute wiegt Jahrhunderte früherer Zeiten auf. Handeln müssen wir, gemeinsam handeln“, schrieb der Klever Stadtrat Dr. Wilhelm Arntz, der an der Versammlung deutscher Volksvertreter in Frankfurt teilnahm. Seinen Bruder Aegidius wählten die Klever schließlich zu ihrem Abgeordneten in der Preußischen Nationalversammlung.
Allein, es führte zu nichts. Aegidius Arntz sollte im Dezember noch mit einem Fackelzug in Kleve begrüßt werden. Der fand nicht mehr statt. Denn da hatten die reaktionären Kräfte längst schon wieder Oberwasser. „Wer mögen diese Knechte sein, die so aller Manneswürde vergessen, so einen König beleidigen konnten…?“, fragten 150 „alleruntertänigste Bewohner von Kleve“ in einem Dankesschreiben an den König, der wenige Tage zuvor die Nationalversammlung aufgelöst hatte. Der Exodus begann. Arntz ging nach Brüssel. Und die Schiffe nach Amerika füllten sich.