Kleve. . Das Königliche Gymnasium in Kleve hatte bei seiner Gründung mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen. 1843 folgte eine Privatschule für „höhere Töchter“.

Es war am Montag, dem 21. April, zwei Wochen nach Ostern 1817, dem legendären Gründungstag der Stadt Rom, morgens um 9 Uhr, als in Kleve mit 55 Schülern das Gymnasium neu begründet wurde. Das alte, reformierte Gymnasium war 1803 in der Franzosenzeit mangels Schülern eingegangen. Die Neugründung erwies sich alles andere als einfach. Zunächst galt es, ein geeignetes Gebäude für das „Königliche Gymnasium“ zu finden. Das ehemalige Nonnenkloster vom Berge Sion, im Winkel Hagsche Straße und Mühlenstraße (heute Hagsche Poort) gelegen, schien dafür geeignet zu sein.

Ein Kloster für die Schule

Zwei Stallungen und vier große tapezierte Zimmer nebst einer Commodität (Toilette) im Erdgeschoss des alten Klosters, dazu sechs kleinere tapezierte Zimmer oben im Hause waren für ein Gymnasium nicht gerade „königlich“. Ein großes, ehemals als Kirche dienendes Lokal sollte die Aula der neuen Schule werden. Hier fand die staufische Figur von der Prunkpforte der Schwanenburg Aufstellung, der sogenannte Eumenius, den man damals noch für einen römischen Redner hielt, der sein Gehalt für die Erneuerung von Schulen spendete und auch als der Gründer einer Klever Schule galt. Eumenius mochte zur klassischen Ausrichtung des Gymnasiums passen.

Die Eröffnung des Königlichen Gymnasiums fand mit nur einem Lehrer statt. Johann Ludwig Koelsch aus Moers war zuvor Rektor der reformierten Lateinschule in Emmerich gewesen. Er teilte die 55 Schüler, die zur Aufnahme wenigstens „ordentlich lesen und schreiben können“ sollten, in mehrere Lerngruppen nach ihren Kenntnissen ein. Anfang Juni wurde Koelsch entlastet. Friedrich Vierhaus, gebürtig aus Bochum, kam vom Gymnasium in Hamm, wenig später Dr. Christian Samuel Gottlieb Ludwig Nagel aus Schwerin als dritte Lehrkraft. Nur ein Jahr war Johann Karl Ludwig Gieseler aus Minden als Direktor am Gymnasium tätig, 1819 wurde er Professor der Theologie an der Universität Bonn.

Der erste Abiturient

Der erste Abiturient verließ Ostern 1820 die Schule. Die Examensfeier fand in der Kleinen Lutherischen Kirche statt. Seit dem 3. Februar 1820 war Nagel praktisch der Schulleiter, er wurde 1822 endgültig zum Direktor ernannt und blieb es bis zu seinem Tod. Seine Persönlichkeit hat unter dem Motto „Religion, Wissenschaft, Vaterland“ die neue Schule in besonderem Maße geprägt.

Nagel, der sich in den Befreiungskriegen verdient gemacht hatte, war Doktor der Theologie, unglaublich vielseitig und erteilte Unterricht in den klassischen Sprachen, Deutsch und Geschichte, Geographie und Mathematik. Seine Tätigkeit ging aber wohl über seine Kräfte, er starb 40-jährig am 24. April 1827.

Nach der Auflösung des alten Gymnasiums 1803 hatte der damalige Konrektor Wachter den größten Teil der Bücher mit nach Hamm genommen. Im ersten Gymnasialprogramm von 1819 wurde mitgeteilt, dass aus Hamm zurückgeforderte Bücher den Anfang der Bibliothek gemacht hätten. Die preußische Regierung bewilligte einen außerordentlichen Zuschuss für die Anschaffung von Büchern. Die Anfänge waren bescheiden, die Gymnasialbibliothek war auf private Schenkungen angewiesen. So gründete man im August 1829 einen „Leseverein“, unter den 53 Mitgliedern zirkulierten Werke, ehe sie nach einem ministeriellen Plan an das Gymnasium gingen. Immerhin besaß die Bibliothek ein Exemplar des Koran aus dem 17. Jahrhundert. Auch erhielt die Schule Sammlungen verschiedener Art: Käfer, Modelle, Landkarten und Naturalien.

Die Dinge wurden im alten Kloster wohl nicht sachgemäß aufbewahrt, denn in einem späteren Visitationsbericht heißt es, dass man mehrere Gegenstände „aus Staub und Moder“ hervorsuchen musste. Das Elend hatte ein Ende, als im September 1902 das neue Gebäude an der Ringstraße mit ausreichenden Räumen für Bibliothek und Sammlungen bezogen werden konnte.

Nach der Statistik von 1845 wurden am Königlichen Gymnasium 105 Schüler von 8 Lehrern unterrichtet, dazu kamen drei Hilfslehrer für die „technischen“ Fächer Gesang, Zeichnen und Schönschreiben.

Die „höhere Töchterschule“

So war seit 1817 für die Söhne der Stadt gesorgt, die Töchter waren auf private Initiativen angewiesen. Den Anfang machten Ernestine und Eleonore Richard, die 1843 in ihrem Privathaus in der Kapitelstraße eine katholische höhere Töchterschule gründeten. Der Garten zur Nassauer Mauer hin diente als Schulhof. Nach einem Bericht von 1862 wurden 28 Schülerinnen, die nicht alle aus Kleve stammten, in Deutsch, Rechnen, Naturgeschichte, Erdkunde und Handarbeit unterrichtet. Als Fremdsprache wurde Französisch gelehrt. Auf protestantischer Seite kam es ebenfalls zur Gründung einer privaten „Töchterschule“.

Im Haus ihrer Eltern auf der Stechbahn richteten die Geschwister Caroline und Mathilde Junck 1848 eine evangelische Mädchenschule ein. Der Fächerkanon entsprach dem Lehrbetrieb der katholischen Schule. Ab 1850 kamen Englisch und Physik, Zeichnen und Gesang hinzu. Der preußische Staat betrachtete die Mädchenbildung nicht als seine eigene Aufgabe, es blieb den Privatschulen vorbehalten, die jungen Frauen auf ihr Leben als Ehefrau und Mutter vorzubereiten. Die Töchterschulen wirkten allerdings mit stattlicher Konzession, mussten sich ihr Einkommen aber per Schulgeld der Schülerinnen erarbeiten.

Es sollte bis uns 20. Jahrhundert dauern, ehe ein öffentliches Mädchengymnasium eingerichtet wurde, jedoch darf man die Privatschule als Vorläufer einer solchen Schule betrachten.