Kleve. . Das Recht der freien Wahl von Schöffen war den Bürgern von Kleve im Stadtrechtsprivileg von 1242 von Graf Dietrich VI. von Kleve verliehen worden. Seine Nachfolger haben die städtischen Privilegien immer bestätigt und dabei dieses Wahlrecht weiteren Mitglieder des Magistrats, wie Bürgermeister und Räte, die es 1242 noch nicht gab, zugesprochen. Die Grafen und Herzöge von Kleve haben die freie Magistratswahl auch in der Praxis respektiert. Die einzige Ausnahme, die wir kennen, stellt der Austausch eines gewählten Magistrats gegen vom Herzog Adolf selbst ernannte Personen im Jahr 1424 dar. Das geschah im Zuge der Turbulenzen um Heinrich Schubbe, über die in einem früheren Beitrag der Serie berichtet worden ist.

Als der Kurfürst von Brandenburg im Klevischen Erbfolgestreit (ab 1609) die Nachfolge der Herzöge von Kleve angetreten hatte, geriet die Magistratswahl allmählich unter Druck. Das offenbarte sich vor allem nach der Huldigung des Kurfürsten Friedrich Wilhelm (1640-1688) durch die Landstände von Kleve und Mark im Jahr 1666. Die beiden Länder hatten den Kurfürsten von Brandenburg jetzt formell als ihren neuen Landesherrn anerkannt und dessen Position erheblich gestärkt.

Zu einem ersten schweren Eingriff in die Magistratswahl kam es 1671. Verschiedene Mitglieder des Magistrats waren damals gleichzeitig rechtskundige Berater und Vertreter der klevischen Landstände. Der Schöffe Dr. Pabst wurde im September 1670 von den Ständen an den Hof des Großen Kurfürsten geschickt, um dort Reformwünsche vorzubringen, die der Regierung in Kleve nicht genehm waren. Er korrespondierte in Geheimschrift mit dem Bürgermeister Dr. Diest und dem Schöffen Dr. Duffhuis in Kleve. Der Regierung fielen Schreiben von ihm in die Hände, woraufhin sie Diest und Duffhuis verhaften und 30 Wochen lang in Kalkar, wo sich damals die Landesfestung befand, einsperren ließ. Dr. Pabst wurde in Berlin verhaftet.

Die Wahl wurde verboten

Als am 12. April 1671 die jährliche Magistratswahl stattfinden sollte, wurde dem alten Magistrat und der Bürgerschaft „von hoher Hand“ verboten, diese „drei Doctores“, ihre Verwandten oder Neubürger in den neuen Magistrat zu wählen. Außerdem baten die Mutter von Dr. Pabst und die Ehefrauen der beiden anderen darum, sie nicht zu wählen, da „es ihnen nur mehr Missgunst und Feinde machen“ würde. Sie wurden tatsächlich nicht gewählt, wohl aber einige Verwandte. Es erfolgte eine zweite Wahl am 6. Mai, bei der diese nicht erneut gewählt wurden.

Am 19. Oktober protestierten von Diest, Duffhuis und Pabst, die inzwischen aus der Haft entlassen worden waren, gegen das Vorgehen. Die Wahl vom 12. April sei nicht frei gewesen, weil sie davon ausgeschlossen waren. Daran ändere auch der Aufruf, den ihre Mutter und Ehefrauen „unwißend gethan“ nichts. Auch die Personen, die am 6. Mai nicht wiedergewählt worden waren, protestierten. Im Endeffekt entschied der Statthalter des Großen Kurfürsten Johann Moritz von Nassau-Siegen am 3. November, dass bis zum nächsten regulären Wahltag sowohl die am 6. Mai gewählten Personen als auch die Personen, die protestiert hatten, dem Magistrat angehören sollten. Kleve hatte für einige Monate zwei Bürgermeister.

Drei Jahre später kam es erneut zu einem schweren Eingriff. Am Wahltag, dem 8. April 1674, versuchte die Bürgerschaft das Verfahren zu blockieren, weil der alte Magistrat den Ausgang der Wahl bereits vorab bestimmt haben sollte. Es kursierten vor Anfang der Wahl bereits Zettel mit dem beabsichtigten Ergebnis. Das Wahlverfahren wurde trotzdem durchgeführt, aber das Ergebnis wurde später vom Kurfürsten für nichtig erklärt.

Klügeleien bei der Wahl

Auch König Friedrich (1701-1713) und die Regierung drohten vor der Magistratswahl am 8. Mai des Jahres 1704 mit solch einer Maßnahme. Auch ihnen war zu Ohren gekommen, dass allerhand Klüngelei zu befürchten sei. Am 20. April wurde das Wahlergebnis für nichtig erklärt.

Klüngelei bei der Wahl ermöglichte es dem Landesherrn also mehrfach, in das Verfahren einzugreifen. Das geschah aber vor 1713 nur in Einzelfällen. König Friedrich Wilhelm I. (1713-1740) setzte jedoch am 15. Dezember 1713 die Magistratswahlen in den klevischen Städten generell aus. Eine Kommission sollte zunächst die Stadtrechte im Herzogtum untersuchen. Ähnliche Maßnahmen ergriff er auch in anderen preußischen Ländern. Aus der vorübergehenden Maßnahme ist eine dauerhafte geworden: nach 1713 haben in Kleve im 18. Jahrhundert keine Magistratswahlen mehr stattgefunden. Die alten Mitglieder blieben ab jetzt vielfach lebenslänglich im Amt, neue Mitglieder erkauften sich faktisch ihr Amt. Da der König den Städten gleichzeitig die Akzisen als eigene Einkommensquelle entzog und von nun an Aufsicht über ihren Haushalt ausübte, war die städtische Autonomie künftig sehr begrenzt.