Kleve. . Heute vor 775 Jahren erhielt Kleve von Graf Dietrich VI. Stadtrechte. Die Urkunde ist Zeugnis eines neuen Selbstbewusstsein.
Kleve war klein. Es werden höchstens 1200 Einwohner gewesen sein, die heute vor 775 Jahren etwas zu feiern hatten. Graf Dietrich VI. verlieh seinen Untertanen am 25. April 1242 Stadtrechte und ließ die Urkunde feierlich verlesen. Das war damals ein großer Akt. Alle Bürger kamen zur Proklamation und auch viele adlige Personen aus der Region wurden von Graf Dietrich eingeladen, um die Stadtgründung zu bezeugen.
Gründung bedeutete mehr Souveränität
Für die Menschen, die um den Kleinen Markt und im Bereich des Heidebergs in gut 200 Häuser wohnten, bedeutete das Papier mehr Souveränität, mehr Rechte und ein erster Schritt in eine bürgerliche Gesellschaft. Graf Dietrich VI. trat ein wenig von seiner Macht ab – allerdings nicht ohne Hintergedanken.
Denn wie so oft im Leben ging es auch damals um das liebe Geld und um Macht. Der Klever Graf erhoffte sich durch die Vergabe von mehr Freiheiten an seine Bürger auch mehr wirtschaftliche Prosperität, mehr Handel, mehr Aufschwung – mehr Geld für seine Steuerkasse. Wenn man so will, betrieb er bereits im 13. Jahrhundert eine liberal-klassische Wirtschaftspolitik.
Die Stadtgründung Kleves war allerdings kein Einzelfall. Kleves Archivar Bert Thissen beobachtet für das beginnende 13. Jahrhundert eine kleine Welle von Stadtgründungen: Rees, Wesel, Kleve, Kalkar. Sie alle bekamen neue Rechte, die übrigens streng gehütet wurden.
Klever Urkunde wurde zum Vorbild
Die Klever Urkunde gilt dennoch als Vorbild für nachfolgende Stadtgründungen in der Region, erzählt Bert Thissen. In der Urkunde wird den Bürgern unter anderem eine freie Erblichkeit der Güter zugesprochen (Artikel 1) und auch Zollfreiheit garantiert: „Kurzfristig verlor der Graf von Kleve diese Einkünfte, langfristig konnte er aber mit mehr Gewinn rechnen“, so Thissen.
Von der Bürgerschaft wurde absolute Loyalität gegenüber dem Landesherren erwartet. Wer Klever war, der wurde dazu verpflichtet, Heeresdienst für seinen Grafen zu verrichten und ihm bei bestimmten Anlässen (Ritterschlag des Sohnes, Heirat der Tochter) Geschenke anzubieten.
Die Stadt Kleve war im April 1242 noch nicht fertig. Vielmehr wurde sie peu à peu erweitert und es kamen neue Bürger hinzu. „Acht Tage musste geprüft werden, ob eine Person auch geeignet war“, erklärt Thissen die Regularien. Denn wer einmal Bürger von Kleve war, der genoss auch eine soziale Absicherung und den Schutz des Landesherren.
Die Städte mussten sich im Mittelalter selbst verteidigen. Damit Geld für eine Stadtmauer vorhanden war, gab der Graf ihr später das Recht eine Akzise zu erheben.
Der souveräne Landesherr
Mit der Vergabe von Stadtrechten hat sich Graf Dietrich VI. weit aus dem Fenster gelehnt. Denn rechtlich abgesichert war diese Vorgehensweise keineswegs. Vielmehr stützte er dadurch seine eigene Souveränität und zeigte dem Erzbischof von Köln – der damals eine große Vormachtstellung am Niederrhein besaß – seine Grenzen auf. Der Landesherr proklamierte mehr Macht. In einer späteren Phase hat sich Graf Dietrich VI. seine Stadtgründungen noch einmal vom Kaiser höchstpersönlich „absegnen“ lassen.
Einen eigenen Stadtrat und einen Bürgermeister bekam Kleve erst später. Um 1275 wurden die neuen Verwaltungselemente eingeführt. Bereits ab 1242 durften die Bürger ihre Schöffen wählen, die die Stadt verwalteten und die Urteilsfindung im Gericht vornahmen. Der Richter wurde vom Grafen ernannt.
Kleve besitzt heute kein Original der Stadtrechtsurkunde. Es bestehen lediglich zwei Abschriften, die den Inhalt preisgeben. Die Urkunde wurde viele Jahre in einem Archivschrank in einer Klever Kirche aufbewahrt.