Kleve. . Mitte des 17. Jahrhundert ließ Elias Gompertz die erste Synagoge in der Stadt errichten. Dies war auch ein Ausdruck einer veränderten Judenpolitik.

Im Jahre 1673 fand in Kleve eine Hochzeit statt, die in vielerlei Hinsicht bemerkenswert war. Im Stadtpalais von Elias Gompertz an der Wasserstraße heiratete der 20jährige Sohn Kosman die 14jährige Zipora von Hameln. Interessant ist schon die Tatsache, dass wir über dieses Ereignis überhaupt informiert sind. Es war Glückel von Hameln, Ziporas Mutter, die in ihren Memoiren ausführlich über die prunkvollen Feierlichkeiten berichtete. Ungewöhnlich waren auch die Gäste. Denn unter ihnen befanden sich Prinz Friedrich, ein Sohn des Großen Kurfürsten, und der Statthalter Graf Johann Moritz von Nassau-Siegen. Glückel beschreibt die Aufregung, die die Anwesenheit der vornehmen Gäste verursachte und die zu Störungen im Ablauf der jüdischen Zeremonie führte. So fand man nicht die Zeit, die Mitgift auszutauschen, und vergaß, den Ehevertrag aufzusetzen.

Die sprudelnde Geldquelle

Diese Hochzeit war Ausdruck einer gewandelten Judenpolitik, die im Herzogtum Kleve mit dem Übergang der Herrschaft an die Brandenburger zusammenfiel.

Die Herzöge von Kleve hatten die Ansiedlung von Juden weitgehend verhindert, während die Kurfürsten aus wirtschaftlichen Interessen jüdische Familien ins Land holten. Eine festgelegte Anzahl von Juden, die in der Lage waren, die erforderlichen Gelder zu zahlen, durfte sich im Land niederlassen und stand unter dem Schutz des Landesherrn. Diese „Schutzjuden“ entwickelten sich für diesen immer mehr zu einer sprudelnden Geldquelle. Neben den immer wieder fälligen Gebühren für den Schutzbrief wurden ihnen regelmäßige und außerordentliche Steuern und Abgaben auferlegt.

Aus dieser Gruppe trat noch einmal eine kleine Minderheit hervor, die in eine besondere Beziehung zum Landesherrn trat, die „Hofjuden“. Zu diesen gehörte der Bankier Elias Gompertz, der sich in der Mitte des 17. Jahrhunderts mit einem Schutzbrief in Kleve niedergelassen hatte und seit 1661 der erste Hofjude des Großen Kurfürsten war.

Die Herrscher brauchten die Hofjuden für ihre Geldgeschäfte und andere Aufgaben in Handel, Finanzen und Diplomatie. Sie benötigten deren Kredite und profitierten von den internationalen Netzwerken der jüdischen Familien.

Der Vorteil der Hofjuden an diesen Dienstverhältnissen lag darin, dass sie den direkten Zugang zum Fürsten erhielten und eine offizielle Position am Hof einnahmen. Sie traten aus der begrenzten jüdischen Welt hinaus ins öffentliche Leben. Die sich hieraus ergebenden Kontakte konnten für eigene Interessen und die Belange der jüdischen Gemeinden genutzt werden. Elias Gompertz ist die Gründung der jüdischen Gemeinde in Kleve zu verdanken, er ließ unmittelbar hinter seinem Wohnhaus am Gerwin die erste Synagoge bauen und auch die Anlage des Friedhofs geht wohl auf ihn zurück.

Besondere Privilegien wie z.B. die Befreiung von Zöllen erleichterten den Hofjuden die eigene Geschäftstätigkeit.

Allerdings waren ihre Risiken groß. Als Juden waren sie trotz ihrer herausragenden Stellung gesellschaftlich nicht wirklich akzeptiert und völlig von der Gunst des Landesherrn abhängig.

Abhängig vom Fürsten

Auch hierzu gibt Glückel von Hameln einen bemerkenswerten Hinweis, der bisher keine Beachtung gefunden hat. Gast bei der Hochzeit war ein portugiesischer Juwelier, der eine wertvolle Uhr besaß, die Gompertz dem jungen Prinzen Friedrich schenken wollte. Ein guter Freund riet ihm ab, weil Friedrich nicht der älteste Sohn des Kurfürsten war. Im selben Jahr starb Kurprinzen Karl Emil und Friedrich rückte an dessen Stelle. Er wurde Kurfürst und schließlich König. Bei Glückel heißt es dazu: „Aber wenn Reb Elia [Gompertz] zu dem Freund gekommen ist, der ihm gewehrt hatte, dem jungen Prinzen das Geschenk zu geben, hat er es ihm allemal mit einem großen Zorn vorgehalten. Und in Wahrheit, wenn Reb Elia dem Prinzen das Geschenk gegeben hätte, er hätte es ihm vielleicht in Ewigkeit nicht vergessen, denn solch große Herren, die vergessen solche Sachen nicht. Nun, ‘wer um Vergangenes klagt, bittet umsonst’.“

Gerade ein Herrschaftswechsel konnte für den Hofjuden eine Gefahr bedeuten.

Die Abhängigkeit vom Wohlwollen des Fürsten zwang sie zu großer Risikobereitschaft. Sie mussten auch heikle Aufträge übernehmen und setzten sich der Gefahr aus, den Unwillen sowohl der Bevölkerung und als auch der jüdischen Gemeinde auf sich zu ziehen, wenn sie unpopuläre Anordnungen des Landesherrn umsetzen mussten.

Im Laufe des 18. Jahrhunderts bürokratisierten die Preußen das Schutzjudensystem immer stärker. Der städtische Magistrat musste die wohnberechtigten Juden in jährlich zu erstellenden „Judentabellen“ erfassen, die auch in Kleve überliefert sind. Unterschieden wurde nun zwischen den ordentlichen Schutzjuden, die ihre Konzession zumindest an eines der Kinder vererben konnten und den außerordentlichen, deren Bleiberecht auf die Person beschränkt war. Hinzu kamen die Gemeindebeamten, einige geduldete Familien, bei Schutzjuden beschäftigtes Hauspersonal und wenige Einzelpersonen, die sich als Kurgäste, oder weil sie mit den hiesigen Behörden zu tun hatten, vorübergehend in Kleve aufhalten durften.

Armenfürsorge

Das Ziel dieser Klassifizierung ist deutlich. Die Zahl der Juden sollte möglichst gering gehalten, der wirtschaftliche Nutzen dagegen optimiert werden. Neben den beschriebenen Juden gab es eine schwer zu erfassende Zahl von „Betteljuden“, die als Bettler, Hausierer, Scherenschleifer oder Kesselflicker über Land zogen, weitgehend aber von der Wohltätigkeit der sesshaften Juden lebten. Den Armen zu helfen ist ein zentrales religiöses Gebot. Allerdings durfte sich kein Jude ohne Bleiberecht länger als eine Nacht an einem Ort aufhalten.