Goch/Kreis Kleve. . Barbara Nickesen von der AOK präsentierte im Gocher Seniorenausschuss alarmierende Zahlen zur ärztlichen Versorgung in den kommenden Jahren.
Es ist ein Weg der kleinen Schritte, um die ambulante Versorgungssituation im Kreis Kleve und insbesondere im Mittelkreis Goch mittelfristig in den Griff zu bekommen – soviel wurde in der Sitzung des Gocher Seniorenausschusses am Dienstag deutlich. Denn es wird zusehends schwieriger, Hausärzte zu einer Niederlassung im Kreis Kleve zu bewegen. So unermüdlich die Kommunen im Kreis Kleve bei den Nachwuchs-Medizinern auch für die Vorzüge des Landlebens werben (so führte etwa der Kranenburger Bürgermeister Günter Steins potenzielle Anwärter für eine Hausarztpraxis hoffnungsvoll durch die Gemeinde) – wirklich fruchten konnten alle Bemühungen bislang nicht.
Die Gründe hierfür sind vielfältig, ein Faktor dürfte allerdings sein, dass niedergelassene Ärzte in den Großstädten und Ballungsräumen oft deutlich bessere Verdienstmöglichkeiten haben.
So streute auch Barbara Nickesen von der Regionaldirektion AOK Hamburg-Rheinland der Politik keinen Sand in die Augen, was die hausärztliche Versorgung am Niederrhein in den kommenden Jahren betrifft.
Laut Bedarfsplanung der KV Nordrhein gibt es im Mittelkreis Goch acht offene Stellen bis zu einer Überversorgung von 125 Prozent, die als Berechnungsgrundlage angesetzt wurde. In Kleve sind es gar neun Stellen – im gesamten Kreis Kleve sieht die Kassenärztliche Vereinigung 29,5 offene Stellen bis zur Überversorgung.
Im Mittelkreis Goch lag der hausärztliche Versorgungsgrad 2016 bei gerade mal 84,7 Prozent, der Mittelkreis Kleve steht da mit 93,9 Prozent noch deutlich besser da als die Weberstadt. Liegt der Wert niedriger als 75 Prozent, spricht die KV offiziell von einer Unterversorgung. Besorgniserregend ist für Nickesen vor allem die Altersstruktur der Hausärzte, da es im Mittelkreis Goch wie im gesamten Kreis Kleve an medizinischem Nachwuchs mangelt.
Gerade mal drei Hausärzte in Goch sind unter 50 Jahre alt, bei den über 65-Jährigen sind es mit sechs Hausärzten gleich doppelt so viele. Und noch ein Zahlenspiel: Im Schnitt ist ein Hausarzt in Goch 58,5 Jahre alt. Ein Trend, der sich fortsetze: „In drei bis fünf Jahren bekommen wir da ein noch größeres Problem“, mahnt Nickesen. „Insgesamt sind in Goch schon elf Hausärzte älter als 60 Jahre und es kommen nicht genug nach.“
Schwierig sei die Situation auch bei den Kinderärzten. So übernehmen laut Nickesen im Kreis Kleve immer mehr Hausärzte die Behandlung der kleinen Patienten, um die Versorgungslücke zu schließen. „Die Kinderärzte behandeln manchmal an Ausnahametagen bis zu 90 Kinder am Tag – somit bleiben gerade mal fünf Minuten Behandlungszeit pro Kind“, referiert Nickesen.
Finanzielle Anreize
Was also tun? Einen Lösungsansatz sieht Nickesen unter anderem in Fördermöglichkeiten des Landes. So fördert das NRW-Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter etwa „gefährdete Gemeinden“ wie Goch, bei denen die ärztliche Versorgung schwächelt, mit bis zu 50 000 Euro, um Ärzten einen finanziellen Anreiz für ihre Niederlassung zu bieten. „Das wird sicherlich nicht alle Probleme lösen“, so Nickesen. Weiterhin wären von Ärzten selbst organisierte Zusammenschlüsse in Ärztehäusern auch für Teilzeitkräfte interessant. Auch könne man die Gründung von mehr Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) in Betracht ziehen, da viele Ärzte sich mit den wirtschaftlichen Risiken einer Selbstständigkeit schwertäten. Hierbei gebe etwa ein Arzt seine Niederlassung an ein Krankenhaus als Betreiber eines MVZ ab und wäre dort entsprechend angestellt. Für Nickesen Modelle der Zukunft gerade auf dem Land. „Von der Vorstellung vereinzelter Arztpraxen auf den Dörfern können wir uns auf Dauer verabschieden.“