Kleve. . Der letzte Klever Herzog hinterließ keine Nachkommen. Um sein Land stritten sich Herzöge, Könige und der Kaiser.
Die Probleme hatte man kommen sehen: ein großes Gebiet in der Mitte Europas in der Hand eines geisteskranken Herzogs, der keine Kinder hatte. Ein Herzogtum ohne geregelte Erbfolge. Ein deutsches Reich, durch das ein Riss ging: hier die Katholiken, dort die Protestanten. Europäische Großmächte, die ihren Einfluss vergrößern wollten und den anderen Mächten misstrauten. Irgendwann musste das alles mal explodieren. Dann, am 25. März 1609, trat der gefürchtete Ernstfall ein. Johann Wilhelm von Jülich-Kleve-Berg starb.
Wie ein Schachspiel
Vier Schwestern und deren Ehemänner oder Nachkommen und weitere Fürsten waren der Ansicht, das Herzogtum müsse nun rechtmäßig an sie fallen. Eine Frage des Rechts? Oder eine Frage der Macht? Würde jetzt der große europäische Krieg ausbrechen?
Tatsächlich lief der Konflikt noch einmal glimpflich ab. Ursächlich dafür war einerseits die Scheu einiger Beteiligter vor dem Krieg, andererseits der Zufall. Machtpolitik ist manchmal wie ein Schachspiel. Irgendeiner macht den ersten Zug, alles Weitere ist die richtige oder falsche Einschätzung, wie der Gegner reagiert.
Erster Zug: Fakten schaffen. Der Kaiser (katholisch) ließ die Festung Jülich besetzen. Er wollte seine Macht als Entscheider demonstrieren. Johann Sigismund von Brandenburg (lutherisch) ließ einzelne Orte in den Gebieten Kleve, Mark und Ravensberg unter seine Kontrolle bringen, Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg (ebenfalls lutherisch) Orte in Jülich und Berg. Später schienen Glaubenswechsel angezeigt, um militärischen Rückhalt in den jeweiligen Lagern zu gewinnen. Der Brandenburger wurde Calvinist, der Pfalz-Neuenburger katholisch. Soviel zur Rolle der Religion.
Machtspiel mit Unbekannten
Literaturtipps zum Thema
Die Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde hat 2011 einen Band mit Vorträgen zum Thema herausgebracht: „Der Jülich-Klevische Erbstreit 1609“, herausgegeben von Manfred Groten. Zu einer Ausstellung im Stadtmuseum Düsseldorf erschien 2009 das Buch „Fürsten, Macht und Krieg: Der Jülich-Klevische Erbfolgestreit“ (Hrsg. Sigrid Kleinbongartz). Der Erbfolgestreit wird in der Literatur häufig als eine Art Vorspiel behandelt.
Vorerst fürchtete man sich im Machtspiel noch vor einigen Unbekannten. Würden die habsburgischen Spanier (katholisch) aus den Niederlanden eingreifen? Das konnte der französische König Heinrich IV. (ursprünglich Hugenotte, inzwischen katholisch) nicht zulassen. Er hatte gut gewirtschaftet, es gab Überschüsse im Staatshaushalt und ein großes Heer. Als sich die beiden noch lutheranischen Konkurrenten auf eine Verwaltung der Gebiete einigten, hatten sie Heinrichs Zustimmung. Sofern sie mit ihm gegen die Spanischen Niederlande zu Felde zogen. Das Ziel: Spanien und den Kaiser schwächen.
An dieser Stelle der Geschichte sind mit einem Dolchstoß alle Pläne und Bündnisse Makulatur. Der französische König erliegt einem Attentat, gerade als er mit seinem Heer an die niederländische Grenze aufbrechen will. Seine Witwe verhandelt mit Spanien. Der große Krieg weicht kleineren Scharmützeln. Denn die gemeinsame Verwaltung funktioniert nicht. Natürlich nicht.
Der Brandenburger Kurprinz Georg Wilhelm residierte nun in Kleve, um seinen Einfluss auszubauen, der Vertreter des Pfalz-Neuenburger Herzogs in Düsseldorf. Weil der 1614 die Spanier zu Hilfe rief, trafen schließlich in Rees die Heere der Spanier und die Armee der niederländischen Generalstaaten aufeinander. Noch einmal schreckten die Mächtigen vor dem großen Krieg zurück. Vier Jahre später begann dann der Dreißigjährige Krieg.
Die Übergabe an Brandenburg
Und wie lief nun dieser Vorbote des großen europäischen Konflikts im kleinen Kleve ab? Ziemlich unspektakulär. Stephan zu Hertefeld zum Kolke war Protestant und hatte auf Seiten der Niederländer gegen die Spanier und Habsburger gekämpft. Johann Sigismund von Brandenburg beauftragte ihn bereits 1604, also bereits fünf Jahre vor dem Ernstfall, seine Ansprüche auf die klevischen Erblande durchzusetzen. Das nennt man weitsichtige Planung! Am 4. April 1609 gegen 15 Uhr nahm zu Hertefeld weisungsgemäß die Burg und die Stadt Kleve für Brandenburg in Besitz. Der Rest ist Geschichte.